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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

DOI issue:
1./2. Aprilheft
DOI article:
Riess, Margot: Vom Wesen weiblichen Künstlertums
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https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0237

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1

Herausgeber: /VdOlptl Donötn

7ahrgang 193t

1/2 /vpri Ltoelr

Dom LÜefen tüetbticben Künütectums

oon

jvtavgot Rtess

/\/l an hat lange Zeit das Vorhandensein eines starken
* v * künstlerischen Dämon bei der Frau entweder als
ein Undück oder als ein besonderes Wunder betrachtet.
So verzeichnet Albrecht Dürer vo'H Anerkennung der
Malkunst der Susanna Horebolt in sein niederländisches
Tagebuch: . ist eiu groß’ Wunder, daß ein Weibs-

bild solches machen soll“. Aber noch eine Marie von
Ebner-Eschenbach bekennt seufzend, daß das Ta'lent
wohl eine Naturkraft sei, die sich nicht unterdrücken
lasse, selbst wenn es unglücklicherweise in eine Frau
gefallen sei! Beiden Aeußerungen, die wir heute be-
lächeln, liegt die immerhin i ichtige Erkenntms zugrunde,
daß, wie der philosophische Deuter weiblicher Kultur
Georg Simmel es einmai ausdrückt „das Frausein für die
Frau etwas anderes — m e h r — bedeute als das Mann-
sein für den Mann, daß die Frau gerade als Geistes-
wesen, der Welt des Objektiven gegenüber mehr durch
ihre Geschlechtszugehörigkeit bestimmt wird. Erst in
der Anerkennung dieser Theorie von der naturbedingten
kulturschaffenden Besonderheit der Frau scheint urrs
die Rechtfertigung dafür zu liegen, weihiiches Kiinstler-
tum einer gesonderten Betrachtung zu unterziehen.
Und zwar glauben wir weniger in der Formanalyse
einer „weihiichen Kunst“ (die heute noch kein faßbarer
Begriff sein dürfte), vieimehr in der Beschränkung auf
weihliches Künstlertum, also in der Erörterung der
Stellung des weibiichen Künstlers zum Werk, zur Kunst,
zur einzelnen Kunstgattung bereits Besonderheiten auf-
spüren zu können, deren Zusammenfassung vieileicht

ehier kommenden stilgeschichtiichen Einreihung weib-
licher Kunst vorarbeiten kann.

So scheint uns das Besondere weibiichen Kiinstler-
tums vor allem in dem zu liegen, was man als künst-
lerisches Ethos bezeichnen kann. Ein stärkeres, auf
E i i lfühlung b e r u h e n d e s V e r an t w o r t u n gsb e w u ß t s e in
ihrem künstlerischen Objekt gegenüber ist z. B. charak-
teristisch für die Frau, das einem besonders starken
sich Identifizieren mit ihrem künstierischen Objekt ent-
springt. Ein Beispiel aus einer besonders männlichen
Sphäre des Künstlertums kann das Gesagte am besten
erklären: als Delacroix das Bild seines blutigen
Schlachtgemetzels vollendet hatte, rief ein anderer
Maler vor Entzücken aus: „comme un bouquet de
roses!“ Dieses Wort aber scheiut als der Inbegriff jener
künstlerischen Haltung, die Kuust einzig um der Kunst
willen maclit, ohne jede Rücksicht auf den gewählten
künstlerischen Gegenstand. Und eben diese Haltung
des eigentiichen l’art pour l’art, die an sich ein Resultat
letzter Abstraktion ist, dieses Maß von Loslösenkönnen
vom Ausgangspunkte der Schöpfung, dem Gegenstande,
rnuß der Art der Frau fern liegen. Sie wird sich eben
kraft ihres besonderen Einfühiungsvermögens iminer
mehr mit dem von ihr gewählten Gegenstande des Ge-
staltens identifizieren wollen und müssen, das heißt
aber: ihre Kunst wird innner genau da liegen, wo ihre
tiefste Neigung i'st. Liebt sie Blumen oder Tiere iiber
alles, so wird sie mit besonderer Ausschließlichkeit diese
immer wieder malen und bilden. Die Füile der Ticr-

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