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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

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1./2. Februarheft
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Schinkel, Karl Friedrich [Bearb.]: Schinkel im Urteil der Baukünstler von heute: zum 150. Geburtstag des großen Baumeisters am 13. März
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https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0183

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Scbmkel im Ucteit dec BauküntKec oon t)eute

2um 130. Qebuctstag des ßt>oßen Baumet{teüs am 13. piävz

Berlin wird am 13. März den 150. Geburtstag
Karl Friediicli Schinkels feiern, dessen Name eng
verknüpft ist mit der baukünstlerischen Entwick-
lung der Reichshauptstadt. Erst im Herbst 1930
war Schinkels Name in aller Munde, als die Staat-
lichen Museen ihre Hundertjahrfeier hatten.
Schinkels „Altes Museum“ ist ja der Grundstock
der Berliner Museumsbauten. Wie nun die Kunst
Schinkels sich im Urteil der hervorragenden Bau-
künstler von heute ausnimmt, zeigt das nach-
stehende Ergebnis einer vom „Kunstwanderer“
veranstalteten R u n d f r a g e :

Peter Behrens:

I rotzdem es in Berlin zum Bildungsanstand ge-
hört, beim Namen Schinkels in Bhrfurcht zu versinken
wie etwa vor einer ehemaligen Hxcellenz, kann man
doch als selbst bautätiger Mensch nicht darüber hinaus,
einzusehen, daß mit Schinkel in seiner Zeit ein Neues
begann, das auch für uns nicht wirkungslos geblieben
ist. Er fing doch schließlich als erster an, mit Eisen
(wenn auch mit Gußeisen) zu bauen, und sein Klassizis-
mus, der ebenso sehr über- als unterschätzt wird, war
doch in erster Linie ein Teil vom Geiste des Archimedes,
von dem geometrische Spekulation und Arithmetik
weitergeleitet wurde, um die heutige Technik zu er-
möglichen. Er hatte mit diesen Dingen mehr zu tun als
mit korinthischem Ornament. Nur als ein einziges Bei-
spiel sehr man sich den Eckpfeiler der Rückseite des
Alten Museums an, der nur durch einc Nute in der
Mauer hervorgebracht ist. Dann staunt man, wie sehr
griechisch dieses im Prinzip des geringsten Mittels zur
größten Wirkung ist, und vergißt fast, daß Schinkel
nichts Griechisches, sondern nur Römisches gekannt
liaben konnte und darum ein vorahnendes Genie war.

Die Frage nach Schinkel heute zu stellen erweckt
gewiß Interesse, und historisches Vergleichen ist sicher
ein schönes Spiel. Aber Gott bewahre uns, die wir
lioffen, noch übernationales Formverständnis zu er-
leben, vor Heimatskunst, die zurückgriffe auf unserer
Zeit entlegenen Klassizismus.

Oskar Kaufmann:

Zwischen zwei Zeitalter stehend ist Schinkel der
Vorahner und Verkünder neuer Baugesinnung. In sei-
ner romantischen Sehnsucht findet er jene Wirklich-
keit, die unsere Zeit tastend suchend zwischen Orna-
ment und Sachlichkeit erreicht. Erkenntnis der Struk-
tur und Funktion des Bauwerkes verkiinden in seinen
Bauwerken jene Erfüllung, die unsere mechanisierte
Zeit schwer und unter Wehen errang. Er zeigte uns
den Weg in der Wiedererweckung der Fläche und hatte
ebenso Verwandtschaft mit den ersten Erneuerern
moderner Baukunst um die jahrhundcrtwende wie mit
unserer Zeit. Als Vorahner des Horizontalismus ist ci
in seinem klassizistischem Gefühl der Stammvater des
modernen Horizontalismus. In seiner Verpönung der
Ornamentik in einer Zeit cles Ueberwucherns klassischer

Üinamente ist er Wegführer unserer konstruktiven
Ingenieur-Architekten. I11 seinem Gefühl für Funktion,
welches in all seinen Bauten hervortritt, ist er der Ver-
künder dei neuen Baukunst. Er ist ein Baukünstler,
der das Bauwerk wie ein Bildhauer schafft. Sein Wille
zur Form bildet seine Räume mit abwägendem Können,
die seiner puritanen Richtung eigen ist. Die Paratlele
mit der modernen Baugesinnung wird hier klar
erkennbar.

D. Krencker:

Hat es einen Zweck, einen großen Künstler wie
Schinkel mit dem Maßstab unsrer Zeit zu messen: Der
Wert Schinkefs und seiner Werke besteht für uns im
Vorbild seiner menschlichen und künstlerischen Ge-
sinnung, seiner Geistigkeit. Vorbiidlich ist die Sauber-
keit seines Wollens und Schaffens, die hohe Pflicht-
auffassung, das Vornehme seiner künstlerischen Empfin-
dung, sein Drang Weites, Großes, Vergangenheit und
Gegenwart universell zu begreifen, dennoch das Detail
zu lieben und seiner Zeit vorausschauend Dinge zu füh-
len, die vorwärts weisen und sein Mut, Neues schöpfe-
risch zli gestalten. Für unser heutiges innerlich unhar-
monischcs, in Häßlichkeiten getauchtes, aber Neues,
Schönes ahnende Geschlecht, kann die Vertiefung in
die Persönlichkeit und dic Kunst Schinkels Reinigungs-
und Stahlbad zugleich sein und richtunggebend für
Willen zu neuer Sauberkeit in schöpferischer Tat und
Gesinnung.

Nachdenklich für uns heute, wo Moral von der
Kunst grundsätzlich geschieden wird, sind Worte aus
Schinkels Nachlaß"):

„Das Kunstwerk soll für die, welche in feinem
Gefühl erzogen sind, tiefe und solclie Empfindungen
oder vielmehr Stimmungen erzeugen, welche Grund-
lagen sind zu höheren moralischen Tendenzen, die auf
moralische Standpunkte führen, von denen aus eigne
moralische Aeußerungen möglich werden. Zugleich
liegt aber auch im Kunstwerk der rechten Art die
Kraft, in uns zu bewirken, daß wir uns jener Stimmun-
gen bewußt werden können und dann einen um so
höheren Genuß haben.“ A

Paul Mebes:

Nennen wir Schinkels Namen, so schneiden wir
damit alle die schweren Eragen an, die heute schweben:
Wieweit Schinkel als bewußter klassizistischer Bau-
kiinstler zu nehmen sei? Wieweit er als solcher dem
„neuen Bauen“ überhaupt etwas zu sagen habe? Wie-
weit uns das Schinkel’sche Werk zwar ein edler Ge-
nuß, nicht aber ein Vorbiid sein kann? Wieweit ein
moderner Architekt es mit dem, was man „Kunst
nennt, zu tun haben diirfte? Wieweit wir uns gerade

*) Band III S. 354 von Wollzosen „Aus Schinkels Nachlaß“.

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