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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

DOI Heft:
1./2. Dezemberheft
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Peter, Kurt von: Munkacsy
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https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0118

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Jvlunkaesy

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Kut’t oon Petev

f | enau drei Jahrzehnte sind es heuer, daß Munkacsy
aus dem Leben schied. Mächtige Gestaltungsgabe
und enorme Vi'elseitigkeit, lyrisches Talent und dra-
matischer Geist, starker Wille, feuriges Temperament
und — Originalität in hohem Maße waren ihm zu eigen,
befähigten ihn, wie der ungarische Kultusminister treff-
lich sagte — man erwies dem Maler Ehren wie Ludwig
Kossuth — für die Wiedergeburt der Nation und
ihren Ruhm zu wirken. Ein literarisches Dokument für
seine Urwald-Ursprünglichkeit ist der Satz in Munkacsy
Mihaly, Souvenirs: „Ich glaubte damals und bin auch
heute noch clavon überzeugt, daß man, um wirkliche
Gemälde zu schaffen, sie ersinnen und ausführen muß,
ohne sich um diejenigen zu kümmern, die andere ge-
malt haben mögen.“ Auch Paul Baudry, der die IJeko-
rationen fiir die Große Oper in Paris schuf, sagte: „Er
ist nicht wie andere Maler nach einer Schablone ge-
formt, sondern er produzi'ert nach seinem Empfinden!“
Und Gaston Colombier schrieb in der „Defense“ anläß-
lich Mmikacsys „Milton“ auf der Pariser Weltausstellung
1878 — wo dem Meister überschwänglichste Rezen-
sionen zuteil wurden und er von Blättern wie z. B. der
„Union“ für die französische Nation reklamiert wurde,
iu dem Sinn, claß in Paris alle ihre Heimat finden, alle
Pariser werden, wenn sie Erfolg haben und er so zu
einem aus Ungarn gebürtigen Pariser werde -—: „Mun-
kacsy ist sicherlich eine der markantesten und sym-
pathischsten Persönlichkeiten unserer Malergeneration;
er ist vielleicht der originellste. Nichts ist conventionell
in seinem Talent, nichts gelernt, nichts nachgeahmt: er
ist eine gewaltige Persönlichkeit. Die Methode, die er
aiTwendet, ist sein Eigentum, die Farbe zuweilen etwas
glanzlos und grau, aber imrner in voller Harmonie der
Töne, sein Eigentum, durchaus sein Eigentum.
Geradezu unvergleichl'ich ist das intensive, das
zwingende dramatische Gefühl, das in seinen Ge-
mälden lebt und strahlt, ist die Richtigkeit des
physiognomischen Ausdrucks seiner Personen, das tiefe
Verantwortungsgefühl und die minuziöse Beobachtung,
die die Wahl und die Ausführung seiner Sujets be-
stimmen.“ — Er erscheint so primär, daß man unwill-
kürlich an Giotto denkt, den Meister des dreizehnten
Jahrhundcrts, der die Schafe hütete und dabei wie zum
Zeitvertreib mit seinem Hirtenstabe Figuren in den
Sand zeichnete, bis ilni der vorüberkommende Cimabue
entdeckte. Weder in der Festungsstadt Munkacs, wo
er am 20. Februar 1844 geboren war, er hieß eigentlich
Lieb, noch in Miskolcz, wo er seine Kinderzeit verlebte,
noch in Czaba, wo er bei Onkel Roeck und dann in der
Lehre war, nocli schließlich in Arad, wo er als armer
Tischlergehilfe arbeitete, zeigte sich ihm efwa eine
Bahn blühenden Kunstlebens, in die er nur einzutreten
brauchte, auf der er liätte weiter gehen können. Erst

bei einem infolge eines Wechselfiebers notwendigen
neuerlichen Aufenthalte bei seinem Onkel, und zwar
nun in dem Städtchen Gyula (deutsch: Julius), macht er
die Bekanntschaft des Malers Fischer aus Wien, den
ein glücklicher Zufall dorthin gebracht hatte; zu diesem
geht er die Woche dreimal eine Stunde und zeichnet zu
Haitse mit Kohle weiter. Nach etwa sechs Wochen
lernt er bei1 Fischer Szamossy kennen, der zur Ko-
pierung der Familienporträts auf Schloß Venkheim nach
Gyula gekommen. Malen wird für ihn nun gleichbe-
deutend mit Szamossy, der ihn endgültig darin bestärkt,
sein Handwerk aufzugeben und ihm den Mut gibt —
zu malen, als ob die Pinsel stets seine intimsten Freunde
gewesen wären, und zwar durch seine Doktrine, man
mtisse das Bild gewissermaßen grau in grau (grisaille)
fertigmalen und alsdann die Töne in einfachen Lasur-
farben auftragen. Nie hat ein Meister stärker auf ihn
gewirkt als Szamossy, noch in späten Jahren gedenkt
er in Dankbarkeit dieses seines Lehrers und auch in den
letzten Bildern Munkacsys sieht man noch etwas von
Szamossys Methode. Als Szamossy Gyula verläßt,
folgt er ihm, nun von der Hobelbank befreit, zu neuem
Aufenthalt nach Arad und zu Wanderungen durch un-
garische Landstädte und Magnatenschlösser. Er zeichnet
vorzugsweise kleine Kompositionen, Genrebilder, meist
aus dem Stegreif arbeitend, ohne Vorlage, noch Modell;
zuweilen auch lebensgroße Bildnisse, die Szamossy
„in Malerei übersetzt“. Endlich durch den Verkauf eines
in Gyula gemalten Bildes, das ein junges Mädchen in
einem Zimmer lauschend darstellt, im Besitz von Reise-
geld, sechzehn Gulden, trifft er 1863 hoffnungsvoll in
Budapest ein. Außer dem Pester Maler Than, einem
Schüler Rahls, und insbesondere dem Landschaftsmaler
Ligeti, die beide, wie er es 1882 aussprach, selne ersten
Schritte in der Hauptstadt wesentlich förderten, findet
Munkacsy Rat und Empfehlungen bei dem ungarischen
Kavallerieoberst Berres und bei dem österreichischen
Maler Pettenkofen. Pettenkofen, den man als Maler der
Pußta, ihrer feurigen Pferde, ihrer malerisch gekleideten
Bauern, ihrer Siedlungen, — Dörfer und Gärten kennt,
war als k. k. Militär nach Ungarn gekommen und in der
glänzenden Sonne Ungarns zu einem der größten Genre-
maler Oesterreichs geworden: die kleine urwüchsige
Theißstadt Szolnok mi't ihrer kalkweißen Mariensäule
inmitten des Gewühls von Volk, Gespannen und Obst-
pyramiden, war das eigentliche Hauptquartier für seine
Farbenkunst und in seinen kleinen Meisterwerken, deren
Tonleiter bis in die sechziger Jahre in sehr feinen Grau-
heiten sich bewegte (die leuchtende tiefe 'Farbe war
ihm erst spät zu eigen) folgte er gern den Anregungen
von Charlet, Raffet, Horace Vernet, nach seinem Aufent-
halt in Paris besonders aucli der Einwirkung von Meisso-
nier, dem er zuweilen zum Verwechseln ähnlich malte.

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