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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

DOI Heft:
1./2. Märzheft
DOI Artikel:
Zülch, Walther Karl: Der Meister des Amsterdamer Kabinettes
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https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0217

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Det? Metftec cles Amffecdamec Kabinettes

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UD. K. 2.ütd) — pcankfuct a. Jvt.

|Jas jiingst aus Straßburg in Frankfurter Privat-
besitz übergegangene Anbetungsbild (75 : 85 cm)
folgt in seiner Komposition einem im Nachfolgerkreise
der van Eyck ausgebildeten ikonographischem Typus.
Roger van der Weyden ist wohl auch hier der Ver-
mittler, Wohlgemut und Herlin komponieren ganz ähn-
lich wie auf unserer Abbildung. Das Bild dtirfte um
1475 entstanden sein. Mit seiner ganz nahen Beziehung
zu den Stichen des Meisters E. S. und zu den Kaltnadel-

radierungen des Meisters voin Amsterdarner Kabinett,
den einige auch Hausbuchmeister nennen, rührt unser
Bild an das große Geheimnis, das mit den Anonymen
E. S. und Hausbuchmeister von Straßburg bis Mainz
undurchdringlich iiber dem Oberrhein liegt. Auffiillig
an unserem Bilde ist die bürgerlich realistische Bildung
und Physiognomie der Figuren, die klare Raumschöpfung
und vor allem die ganz ungewöhnliche Farbigkeit, die
auf einen koloristischen Genins hindeutet. Dabei liegt
in den Bewegungen von Händen und Fingern, Körper-
formen und Gewändern ein eigenwillig betontes Rin-
gen nach Ausdruck. Doch es sind nur kiihne Ansätze,
der Künstler müht sich um die Gestaltung von Ein-
drücken (Meister E. S.?) ganz am Anfang seiner Lauf-

bahn. Ein jugendlicher Stürmer des kommenden spät-
gotischen Bewegungsstiles kündigt sich hier an. Auch
Landschaft zeigt das Bild, aber der modische herab-
gezogene Goldmustergrund iäßt sie cben noch zwischen
den Mauerzinnen in der Ferne verklingen. Doch Hügel
nnd Bäume drängen iiber den Zinnen den Goldgrund
fort, drängen sich heran, wie die derbplastischen Hirten
— Mensch und Landschaft treten betont aus dem ideaJen
Goldgrund einer versinkenden Zeit heraus.

Wenn ein Künstler in sieben Figuren seines Bildes
eine einheitliche Körperproportion zugrundelegt, dann
müssen wir das Motiv suchen, warum er bei der achten,
in dem seltsam großen Kopf des Bildschwerpunktes, des
Christkindes, von seiner Norm abweicht. Gewiß haben
kleine Kinder zu große Köpfe, aber hier soll doch wolil
iu tieferem Zusammenhang der Beschauer sofort zu dem
geführt werden, in dem sichtbare und unsichtbare
Linien des Bildes zusammenlaufen.

Ein vielfacher Farbenreichtum ist auf die graue
getönte Umfassungsarchitektur gegossen. Zwischen
dem Dunkelgrün-Rot und Goldbrokat der Maria und
dem Rot-Moosgrün-Violett des Joseph hängen wie ein
schiitzender Vorhang die drei Engel aus Gelb, Rot,

Der Meister des Amsterdamer Kabinettes

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