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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

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Juniheft
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Simon, Karl: Die Heimat Tilman Riemenschneiders
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https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0308

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Die Heimat Tilman Riemenschneiders

Yon

Karl Simon-Frankfurt a.M.

Ob der große fränkische BiJdhauer, dessen Todestag
sicli am 8. JuJi 1931 zum vierhundertsten Male jährt,
a\ irklic-Ji urspriinglicli fränkischer Abkunft gewesen,
ist bekanntlieh lieute noch strittig. Urkundlich bc-
kannt ist nur, daß er bei seiner Anfnahme in den
Wnrzburger Bürgerverband 1485 als „Bildsehnitzer
von Osterrode in Sachsen“ bezeiclmet wird, dem das
Bürgerrecht „ex gratia“, clas heißt für umsonst ver-
liehen wird. Damit ist freilich für seine eigentliche
lTerkunft nichts Entscheiclendes gewonnen; der Zu-
satz „von Osterode“ braucht nichts weiter zu bezeich-
nen als den letzten Aufenthaltsort. Der große Niirn-
berger Bilclhauer Veit Stoß wird, als er von Krakau
nach Nürnberg kommt, „von Kracka“ genannt, ob-
gleich er in Nürnberg geboren war, und umgekehrt,
aJs er nach Krakau kommt, als „Yitus snitzer de
norenberge“ bezeichnet.

Wenn nun in einer Osterocler Urkunde vom De-
zember 1485 ein „Tile Remensnider“ als offenbar kurz
vorlier verstorben erwähnt wird, so liegt der Gedanke
nähe, nicht nur, daß er „durcli clen Tod des Yaters
fortgetrieben" (Bier), sondern vielleicht von der Wan-
derschaft erst wieder nacli Osterode zuriickgerufen
worden ist. Dort Jiat er dann vielleicht das, was
durch den Todesfall nötig geworden, erledigt und sieli
von neuem auf die Wanderschaft begeben, auf der er
nach Wiirzburg kam und im Dezember 1483 in eine
dortige Wcrkstatt eintrat.

Was der Künstler freilich, dessen kiinstlerische Her-
kunft viel elier nach Schwaben, jedenfalls naclr Siid-
deutschland weist, gerade in dem weltverlorenen
Osterode zu suchen gehabt haben soll, das auch im
Mittelalter durchaus keine künstlerische Bedeutung
gchabt hat, bleibt unklar; aber mit der Möglichkeit
eines solchen Aufenthalts, etwa auf der Wanderschaft,
muß unbedingt gerechnet werden. Man ist nun dem
Familiennamen näher nachgegangen, und besonders
der Biograph des Künstlers, Justus Bier, hat, unter-
stiitzt von lokaler Forschung, allerhand Aufschluß-
rciclics zusammengetragen.

Zunächst ist der Name Riemenschneider fiir Würz-
burg selbst schon im 14. Jahrhundert bezeugt. Aron
1598 ist eine erste Erwähnung datiert, und so geht es
weiter bis 1488. Unter anderem wird ein Domvikar
Nikolaus Rymensnyder bis 1478 erwähnt; ein „Johan-
nes Rimsnider aus Wiirzburg“ wird 1474 an der Uni-
versität Erfurt immatrikuliert. Aber aucli in Bamberg
kommt dcr Name nach Biers Feststellungen um 1500
öfters vor. Freilich konnte die Behauptung, der Name
deute als solcher auf Mainfranken, niclit aufrecht-
erhalten werden, als man nachwies, daß er auch in
Niedersachsen, also in dem Gebiet, in dem Osterode
liegt, vorkomme. So war eine Familie Remensneder

in Hildesheim ansässig, nachweisbar bis 1588 zuriick,
und noch nm 1556 ist ein Remensneder in Wernigero de
cim ITarz festzustellen. Sclbst ein Kasseler Baumeister
in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts trägt diesen
Namen. Nirgends aber bisher ist der Name im Zusarn-
menhang mit dem Vornamen Tihnan aufgefunden
worden. Gcftihlsmäßig wird man inimer der Hypo-
these von der mainfränkischen Herkunft des Bild-
hauers den Vorzug geben wollen, weiI seine Kunst
eben doch in der des Südens verankert ist. Daß er
aber jedenfalls kein Würzburger Biirgerssohn war,
läßt sich aus der Form der Fintragung im Bürgerbuch
so gut wie einwandfrei schlicßen. Daß der Name aber
sonst in der Nähe Würzburgs, in Bamberg, auch in
Aschaffenburg nachzuweisen ist, scheint doch nicht
gleichgtiltig. Und dazu kommt, worauf bisher wohl
noch nicht geachtet worden ist, daß der Name auch
in Frankfurt öfter begegnet.

Im Frankfurter Biirgerbuch kommt, wie ich fest-
stellen konnte, schon seit 1411 der Name vor; in die-
sem Jahre begegnen Ilenne und Wernlier Rymen-
snyder, 1418 ein Christian „gnant rymensnyder von
Oppenheim“, 1421 zwei Briider Clese (Nikolaus) und
Friclerich, Söhne eines Frankfurter Bürgers, 1422 ein
Diele des Namens (also zu dem Namen Tihnan ge-
hörigj, 1432 ein Herthe Rymensnyder. Anfangs der
vierziger Jahre endlich begegnet auch ein Dietman
Riemensnyder, also der Vorname unseres Würzburger
Meisters. Freilich besteht die Möglichkeit, daß öfter
mit dem Namen auch das Handwerk, das die Ge-
nannten betreiben, gemeint ist — eine Möglichkeit,
die auch bei den sonstigen Vorkommen, in Bamberg
usw., in Betracht gezogen werden rnüßte. Immerhin
heißt es bei einem „Heincze von Diczenbaeh“ mit
einem besonderen Zusatz: rymensnyder (1421).

Bekanntlich begegnen beide Formen für unseren
Kiinstler; in der Urkunde vom Dezember 1485 heißt
er „Tylman Rymenschneider, malerknecht“, bei der
Aufnahme ins Würzburger Btirgerrecht 1485: „Dile
Rymenschneider“.

Der Beruf als solcher ist schon seit 1346 in Frank-
furt nachzuweisen; Mit ihm war ein ähnlieher Klein-
kram verbunden, wie ihn anderwärts die Seiler
führten (Kordel, Unschlitt, Seile usw.). In Würzburg
ist Riemenschneider als Beruf angeblich nicht üblich,
sondern „Sporer“.

Mit einem Clesschen Riemensnyder schließt dann
aber plötzlich (1457) die Fiste der Riemenschneider,
die in Frankfurt Bürger geworden sind. Kein einziger
dieses Namens begegnet mehr. Wenn auch bindende
Schlüsse aus dem Vorkommen des Namens in Frank-
furt nicht gezogen werden können, sind diese Funde
 
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