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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

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Juli-Augustheft
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Preisbildung im Kunsthandel / Londoner Kunstschau / Kunstauktionen / Kunstausstellungen / Lesser Ury-Ausstellung der Nationalgalerie / Museum der Stadt Ulm / Aus der Kunstwelt
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https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0367

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Preisbildung im Kunsthandel

2ur Jahresversammlung des Verbandes des Deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels

In München hatte der Verband des Deutschen Kunst- und
Antiquitätenhandels seine Jahresversammlung. Der Vorsitzende,
Geh. Kommerzienrat Siegfried Drey, gab eine genaue Übersicht
über das vergangene Wirtschaftsjahr, das, wie er sagte, ein
Sturm- und Drangjahr für den Kunsthandel war: „Wenn wir
uns mit knappen Worten die äußerst schwierige Lage der
deutschen Wirtschaft, von deren Gedeihen auch der deutsche
Kunsthandel bedingt ist, vergegenwärtigt liaben, so müssen
ernste Sorgen fiir die nahe Zukunft uns begleiten. Wir sind von
Belastungen und Steuern erdrückt, die kaum ein Gedeihen fiir
unsere Geschäftsbetätigung erblicken lassen. Und doch lassen
Sie uns, wenn auch frei von Illusionen, aber auch frei von
Pessirnismus sagen, mir Jcönnen und miissen Vertrauen haben
zur Tüchtigkeit des deutsclien Kaufmanns, zu einem endliclien
Erfolge deutschen Geistes.“

Nach den Ausführungen des Geheimrats Drey hielt Franz
Drey, dem die Wissenschaft das vorzügliche, bei Bruckmann
erschienene Werk über Carlo Crivelli verdankt, einen Vortrag
iiber die Preisbildung im Kunsthandel. Er führte unter anderem
aus: „Die Preisbildung im Kunsthandel ist keine mechanisclre
wie bei Artikeln des täglichen Bedarfs und läßt sicli nicht wie
diese in einem festen Marktpreise ausdrücken. Material- und
Produktionskosten spielen keine Rolle, jedes Kunstwerk will
mehr oder weniger individuell bewertet sein. Während bei
Effekten der jährliche Ertrag, verbunden mit dem inneren Wert
des Unternelimens den Kurs bestimmt; während beirn Roh-
produkt dcr Vergleich zwischen Weltproduktion und Weltbedarf
den Wertkoeffizienten ergibt; während schließlich bei industriel-
len Erzeugnissen die Gestehungskosten unter genauer Kalku-
lation aller mitverbundenen Spesen dem Preise zur Basis dienen,
tritt beim Kunstwerk an Stelle der objektiven Wertung eine
subjektive Schätzung. Das wichtigste Element dieser subjektiven
Schätzung ist, wie bei Werken der Musik und Literatur, die
kiinstlerische Höhe des Geistesproduktes. Die künstlerische Höhe
des Kunstwerkes nennen wir Qualität; sie drückt die Seelen-
größe, das Schönheitsgefühl, den Grad der künstlerischen Voll-
kommenheit oder Mindermertigkeit aus. Diese abstrakte Eigen-
schaft der Qualität wird für den erfahrcnen Kunsthändler zu
einem Begriff, der sicli zahlenmäßig ausdrücken läßt. Der Kauf-
mann und auch der mit dem Kunsthandel in engern Kontakt
stehende Museumsbeamte oder Sammler weiß, welche Preise für
Gegenstände ähnlicher Art bcreits erzielt wurden, und differen-
ziert den Durchsclinittsmert, je nachdem der Gegenstand über
oder unter dem gewöhnlichen Qualitätsniveau steht. Es ist dies

ein Vorgang, der sich bei dem geübten Kaufmann fast instinUtiv
vollzieht.

Bei Gegenständen von ganz besonderer Bedeutung ist ein
Wertmesser schwieriger zu finden, es fehlen Vergleichsmomente,
vvelclie zu einer einigermaßen genauen Orientierung heran-
gezogen werden können. Das Kunstmerk außergemöhnlicher
Qualität wird ein außergemöhnliches Begehren hervorrufen,
dessen oberste Preisgrenze nur von der Kauftkraft des Inter-
essenten abhängt. Umgekehrt wird der Gegenstand von geringer
künstlerischer Llöhe zwar eine breitere Käuferschicht finden,
diese jedoch wird, dem häufigen Vorkommen ähnlicher Ware
entsprechend, nur zu geringer Bewertung gewillt sein. Und da-
durch ist auch der Kunsthandel wie jeder andere Kaufmanns-
stand der michtigsten Wirtschaftsregel unterworfen: der Regel
von Angebot und Nachfrage. Die Seltenheit des Angebotes und
Stärke der Nachfrage bewirken außerordentliche Wertschätzun-
gen, während Warenüberfluß und verringerte Kauflust auch in
unserem Handelszweig geringere Preisbewertung bewirken
m iissen.

Von welcher Seite wir auch die Preisbildung des Kunstmarktes
betrachten, selbst bei vermeintlichen Ausnahmen, werden wir
stets das Gesetz Angebot und Nachfrage als obersten Wertrichter
f'inden. Jene vermeintlichen Ausnahmen sind im allgemeinen
I' älle, in welchen nicht ausschließlich die Qualität die Begelir-
lichkeit des Kunstwerkes bestimmt. Bei TJnikas, besonders auf
dem Gebiete der Graphik und Numismatik, ist zum Beispiel die
Qualitätshöhe ebensomenig ausschlaggebend wie etwa bei
historischen Kunstmerken oder bei solchen von reinem Lokal-
interesse, wie englischem Silber oder den erst. seit jiingster Zeit
stark beachteten Americanae. Umgekehrt werden früher bcliebte
Sammelgebiete manchmal verlassen, und hier spielt der Kunst-
lmndel auf das ihm sonst so fremde Gebiet der Mode, das heißt
des wechselnden Geschmackes, iiber. Man denke nur an die
einstige Beliebthcit von Werken der Barbizonschule oder an die
Erzeugnisse der deutschen und französischen Porzellanmaufak-
turen. All diese vermeintlichen Ausnahmen sind aber nichts
anderes als eben wieder ein Anmachsen oder Nachlassen der
Nachfrage, und diese ist bestimmt durch die Kauflust und
Kaufkraft des Liebhabers. Ein Zusammentreffen von Kauf-
begehren und Kaufkraft mit geringem Angebot muß zu selir
lioher Wertschätzung führen, ebenso wie ein Zusammentreffen
von Kaufunlust und drängendem Angebot mesentliche Preis-
stürze zur Eolge hat, eine Tatsache, welclre wir gerade in letzter
Zeit erfahren mußten.“

Londoner Kunstschau

Sothebys versteigerten Möbel aus verschiedenem Besitz. Amor
zahlte U 200 RM. für einen Arbeitstisch, Ludwig XII.; Mallct
15 600 für einen Adam-Biicherschrank. Fiir einen zweiten Shake-
speare-Folianten vom Jahre 1652 und einen vierten vom Jahre
1685 gab Lumisden 9200 und 5700 RM. Ein dreiseitiger Brief des
zur Zeit in Amerika sehr begehrten Dichter Burns mit Urschrift
einer kurzen Ode wurde von Brown und Stevens erworben
(18 400 RM.).

Nachklänge der Persischen Kunst-Ausstellung gab cs, als ver-
schiedene Privatsammlungen, die sich mit diesem Lande be-
schäftigten, aufgelöst wurden. Frere bot 15 000 RM. für eine
sassanische Schiissel aus Edelmetall. Ein marmorner Mihrab aus
dem 12. Jahrhundert ging an Tindall (6600 RM.). Die franzö-
sische illustrierte Handschrift der Werke Livys, einst dem
„Grand Batard de Bourgogne“, ein Sohn Philip des Guten von
Burgund, gehörig, auf Vellin irn 15. Jahrhundert geschrieben,
wurde von Gilhofer und Ranchburg, Wien, für 88 000 RM. unter

allgemeiner Aufregung erstanden, da ein Manuskript von diesem
bibliophilen Reiz selten auf den Markt kommt. Hart erwarb eine
rare deutsche Ausgabe des „Armen Mannes Bibel“, eines Block-
Imches aus dem 15. Jahrhundert (20 000RM.). Ein Trierer Psalter
der Rheinprovinzen mit vier Miniaturen versehen vom 15. Jahr-
hundert fiel Fournier zu (10 800 RM.). Quariteh erwarb ein
Florentiner Stundenbuch aus dem 15. Jahrhundert (12 400).
Cameron zahlte bei Putticke 7000 RM. für einen kleinen Tisch,
LudwigXV., von Boudin gearbeitet. Ein Mahagoni-Schreibtisch
ging auf 4200 RM., Pickeriny. Ein Grützentellcr mit Deckel,
JakobusII, 1686 gestempelt, brachte 9000 RM. ein.

Hurcomb stellte eine äußerst seltcne Sammlung von Horn-
büchern und Jugendschriften vor 500 Jahren zum Verkauf. Es
wurden 100 000 RM. dafiir geboten, aber nicht angenommen.

Sabin hat von der Sowjet-Regierung van Dycks Porträt des
Antoine Trieste, Bischofs von Ghent, erworben, das nunmehr
bei der Firma in London ausgestellt ist.
 
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