liolten Werken auch die Sammlung Ostrouchow, die
nach dem Tode des berühmten Kunstfreundes aus
seinem Haus in das Museum iiberführt worden ist.
Der Gesamteindruck yerspricht überwältigend zu
werden. Die in Westeuropa gezeigte Wanderausstel-
lung gab nur einen Abglanz der ganzen Herrlichkeit.
Immer wieder muß man die I ätigkeit der russischen
Restauratoren bewundern. die mit einzigartiger Ge-
duld Schicht für Schicht die Werke von Übermalungen
und Schmutzkrusten gereinigt und der Welt eine un-
bekannte Kunst allerhöchsten Ranges damit zum Ge-
schenk gemaeht haben. Den Mittelpunkt der Ikonen-
abteilung des Russischen Museums in Leningrad bildet
die prachtvolle Sammlung Lichatschoff, die unmittel-
bar vor Kriegsausbruch in Staatsbesitz übergegangen
ist. Noch ist allerdings nicht zu beurteilen, wie die
künftige AufsteRung erfolgen wird. Yoilständig ein-
geriehtet ist der ethnographische Trakt des Russischen
Museums. Beim Durchwandern der Säle erhält man
einen gewaltigen Eindruck von den schöpferischen
Kräften, die sich auf dem unermeßlichen Boden des
Reiches entfaltet haben. Um die Großrussen, deren
Slawentum den Kern bildet, gruppieren sicli die weiß-
russischen, finnischen, mongolischen, türkischen Völ-
kerschaften mit ihrer Eigenart, die sich kunstgeogra-
phiscli ablesen läßt. Tracht und Gerät sprechen ebenso
als Dokument wie als Kunstwerk. Der kompromißlose
Materialismus des heutigen Regimes lelmt allerdings
grundsätzlich die ästhetischen Werte der alten volks-
tümlichen Kulturen ab. Deshalb wird angesichts der
historisch gewordenen Bauernkunst eine lieftige Pro-
paganda für die Technisierung des Dorfes betrieben.
Zwischen den köstlichen Holzschnitzereien, die von
ländlichen Häusern und Kirchen stammen, sind Dar-
stellungen des Sowjetdorfes der Zukunft angebracht:
Man sieht da rauchende Schlote und steinerne Massen-
siedelungen als Ausdrucksform der proletarischen
Kultur. Oder zwischen den altertümlichen Geräten
zur Feldbestellung die moderne Mascliine, vor allem,
den Traktor in seinen verschiedenen Yerwendungs-
möglichkeiten auf wirksamen Plakaten wiedergegeben.
Hier, wie überall in der Sowjetunion, spielt die Sta-
tistik eine gewaltige Rolle. Auf graphischcn Tafeln
wird immer und immer wieder der Fiinfjahresplan
und seine Reduzierung auf vier Jahre vorgeführt. Die
Ereude an Zahlen und schematischen geometrischen
Figuren ist charakteristisch für den Geist, der am
Werke ist. Gerade an solchen Erscheinungen läßt sich
der Kurs unzweideutig ablesen, den die bolschewi-
siisclie Kunstpolitik einschlägt. In der ethnographi-
schen Sammlung wird energisch die neue Antiästhetik
gepredigt, die allmählich allen Museen ihren Stempel
aufzudrücken berufen ist.
Die Eremitage bewahrt im ganzen noch die dekora-
tiv klassizistische Anordnung, die ihr Klenze gegeben
hat. Aber sie greift mit einem neuen brückenartigen
Gang ins Winterpalais xiUer. Vor einigen Jahren wurde
die byzantinische Abteilung aufgestellt, die Prof. Ma-
zulewitsch leitet. Die Anordnung ist vorbildlich. Jedes
Stück ist gut sichtbar, die historischen Zusammen-
hänge sind unaufdringlich gewahrt und die Bezeich-
nung der Objekte von höchster Zuverlässigkeit. (Unter
dem I itel „Byzantinische Antike“ hat Mazulewitsch
kürzlich die Ergebnisse seiner Forschungen deutsch
veröffentlicht.)
Noch im Werden begriffen ist die riesige Abteilung
der iranischen, kaukasischen und zentralasiatischen
Altertümer, deren Direktor Orbeli offenbar eine Syn-
these zwischen ästhetischer und soziologischer Auf-
stellung zu geben beabsichtigt. Auch hier werden in
miihevoller Detailarbeit allmählich festere Daten fiir
die Herkunft der Objekte erreicht. Yor allem die
sassanidischen und postsassanidischen Silberschalen,
die man im Gebiet von Perm (also im Osten Rußlands)
gefunden hat, stehen im Mittelpunkt des lnteresses.
Aber auch die von den unterworfenen Yölkern er-
borgte Kultur der Tataren konimt zum erstenmal deut-
lich ans Licht.
Der Eindruck, den der Besucher der Schatzkammer
mit den skythischen Goldarbeiten enthält, ist oft ge-
schildert worden. Das Problem der Nomadenkunst
kann nur von hier aus erfolgreich behandelt werden,
und eine Umwertung der Werte in der früheuropäi-
scher Kunst, die mit Strzygowski eingesetzt hat, er-
hält bei dem Anblick dieser Wunderdinge höchste
Aktualität. Yon den Gemälden, den Antiken und dem
neueren Kunstgewerbe soll hier nicht die Rede sein.
AIl das ist in seiner bestehenden Gestalt auch bei uns
gut genug bekannt.
Dagegen möge kurz auf das jüngst eröffnete, für die
Geschichte des russischen Druckes sehr wichtige
Buchmuseum in Moskau (das allerdings in seinen
Schauräumen vorläufig politische Themen behandelt)
und auf eine Ausstellung von Handschriften hinge-
wiesen sein, die in der öffentlichen Bibliothek in
Leningrad zu sehen war und neben den phantastisch
mit Tierornamentik ausgestatteten russischen Manu-
skripten wunderbare Stücke aus Westeuropa und
Byzanz enthielt. Einen großen Teil dieser Schätze hat
ein russischer Gesandtschaftsbeamter während der
Französischen Revolution im 18. jahrhundert aus
säkularisierten Klöstern erworben, darunter merowin-
gische, karolingische, irische Codices und besonders
schöne illuminierte Manuskripte der französischen
Gotik.
Der russische Musealbesitz ist überhaupt im wesent-
lichen aus der Sammlertätigkeit einzelner, weitschau-
ender Persönlichkeiten hervorgegangen; der Anteil von
staatlichen und kommunalen Körperschaften ist ge-
ring. Moskau verdankt sein unvergleichliches Museum
der modernen Kunst Westeuropas zwei Männern:
S. I. Stschukin und A. Morosom. Beide haben haupt-
sächlich moderne Franzosen erworben. Heute, wo ihr
ehemaliger Privatbesitz zu einem Museum vereinigt
ist, hat man eine sonst nirgends wiederkehrende Ge-
legenheit, die Geschichte der französischen Kunst von
Manet bis Picasso kennenzulernen. Im Mittelpunkt
steht Natisse mit einem gewaltigen Saal. Die kleineren
nach dem Tode des berühmten Kunstfreundes aus
seinem Haus in das Museum iiberführt worden ist.
Der Gesamteindruck yerspricht überwältigend zu
werden. Die in Westeuropa gezeigte Wanderausstel-
lung gab nur einen Abglanz der ganzen Herrlichkeit.
Immer wieder muß man die I ätigkeit der russischen
Restauratoren bewundern. die mit einzigartiger Ge-
duld Schicht für Schicht die Werke von Übermalungen
und Schmutzkrusten gereinigt und der Welt eine un-
bekannte Kunst allerhöchsten Ranges damit zum Ge-
schenk gemaeht haben. Den Mittelpunkt der Ikonen-
abteilung des Russischen Museums in Leningrad bildet
die prachtvolle Sammlung Lichatschoff, die unmittel-
bar vor Kriegsausbruch in Staatsbesitz übergegangen
ist. Noch ist allerdings nicht zu beurteilen, wie die
künftige AufsteRung erfolgen wird. Yoilständig ein-
geriehtet ist der ethnographische Trakt des Russischen
Museums. Beim Durchwandern der Säle erhält man
einen gewaltigen Eindruck von den schöpferischen
Kräften, die sich auf dem unermeßlichen Boden des
Reiches entfaltet haben. Um die Großrussen, deren
Slawentum den Kern bildet, gruppieren sicli die weiß-
russischen, finnischen, mongolischen, türkischen Völ-
kerschaften mit ihrer Eigenart, die sich kunstgeogra-
phiscli ablesen läßt. Tracht und Gerät sprechen ebenso
als Dokument wie als Kunstwerk. Der kompromißlose
Materialismus des heutigen Regimes lelmt allerdings
grundsätzlich die ästhetischen Werte der alten volks-
tümlichen Kulturen ab. Deshalb wird angesichts der
historisch gewordenen Bauernkunst eine lieftige Pro-
paganda für die Technisierung des Dorfes betrieben.
Zwischen den köstlichen Holzschnitzereien, die von
ländlichen Häusern und Kirchen stammen, sind Dar-
stellungen des Sowjetdorfes der Zukunft angebracht:
Man sieht da rauchende Schlote und steinerne Massen-
siedelungen als Ausdrucksform der proletarischen
Kultur. Oder zwischen den altertümlichen Geräten
zur Feldbestellung die moderne Mascliine, vor allem,
den Traktor in seinen verschiedenen Yerwendungs-
möglichkeiten auf wirksamen Plakaten wiedergegeben.
Hier, wie überall in der Sowjetunion, spielt die Sta-
tistik eine gewaltige Rolle. Auf graphischcn Tafeln
wird immer und immer wieder der Fiinfjahresplan
und seine Reduzierung auf vier Jahre vorgeführt. Die
Ereude an Zahlen und schematischen geometrischen
Figuren ist charakteristisch für den Geist, der am
Werke ist. Gerade an solchen Erscheinungen läßt sich
der Kurs unzweideutig ablesen, den die bolschewi-
siisclie Kunstpolitik einschlägt. In der ethnographi-
schen Sammlung wird energisch die neue Antiästhetik
gepredigt, die allmählich allen Museen ihren Stempel
aufzudrücken berufen ist.
Die Eremitage bewahrt im ganzen noch die dekora-
tiv klassizistische Anordnung, die ihr Klenze gegeben
hat. Aber sie greift mit einem neuen brückenartigen
Gang ins Winterpalais xiUer. Vor einigen Jahren wurde
die byzantinische Abteilung aufgestellt, die Prof. Ma-
zulewitsch leitet. Die Anordnung ist vorbildlich. Jedes
Stück ist gut sichtbar, die historischen Zusammen-
hänge sind unaufdringlich gewahrt und die Bezeich-
nung der Objekte von höchster Zuverlässigkeit. (Unter
dem I itel „Byzantinische Antike“ hat Mazulewitsch
kürzlich die Ergebnisse seiner Forschungen deutsch
veröffentlicht.)
Noch im Werden begriffen ist die riesige Abteilung
der iranischen, kaukasischen und zentralasiatischen
Altertümer, deren Direktor Orbeli offenbar eine Syn-
these zwischen ästhetischer und soziologischer Auf-
stellung zu geben beabsichtigt. Auch hier werden in
miihevoller Detailarbeit allmählich festere Daten fiir
die Herkunft der Objekte erreicht. Yor allem die
sassanidischen und postsassanidischen Silberschalen,
die man im Gebiet von Perm (also im Osten Rußlands)
gefunden hat, stehen im Mittelpunkt des lnteresses.
Aber auch die von den unterworfenen Yölkern er-
borgte Kultur der Tataren konimt zum erstenmal deut-
lich ans Licht.
Der Eindruck, den der Besucher der Schatzkammer
mit den skythischen Goldarbeiten enthält, ist oft ge-
schildert worden. Das Problem der Nomadenkunst
kann nur von hier aus erfolgreich behandelt werden,
und eine Umwertung der Werte in der früheuropäi-
scher Kunst, die mit Strzygowski eingesetzt hat, er-
hält bei dem Anblick dieser Wunderdinge höchste
Aktualität. Yon den Gemälden, den Antiken und dem
neueren Kunstgewerbe soll hier nicht die Rede sein.
AIl das ist in seiner bestehenden Gestalt auch bei uns
gut genug bekannt.
Dagegen möge kurz auf das jüngst eröffnete, für die
Geschichte des russischen Druckes sehr wichtige
Buchmuseum in Moskau (das allerdings in seinen
Schauräumen vorläufig politische Themen behandelt)
und auf eine Ausstellung von Handschriften hinge-
wiesen sein, die in der öffentlichen Bibliothek in
Leningrad zu sehen war und neben den phantastisch
mit Tierornamentik ausgestatteten russischen Manu-
skripten wunderbare Stücke aus Westeuropa und
Byzanz enthielt. Einen großen Teil dieser Schätze hat
ein russischer Gesandtschaftsbeamter während der
Französischen Revolution im 18. jahrhundert aus
säkularisierten Klöstern erworben, darunter merowin-
gische, karolingische, irische Codices und besonders
schöne illuminierte Manuskripte der französischen
Gotik.
Der russische Musealbesitz ist überhaupt im wesent-
lichen aus der Sammlertätigkeit einzelner, weitschau-
ender Persönlichkeiten hervorgegangen; der Anteil von
staatlichen und kommunalen Körperschaften ist ge-
ring. Moskau verdankt sein unvergleichliches Museum
der modernen Kunst Westeuropas zwei Männern:
S. I. Stschukin und A. Morosom. Beide haben haupt-
sächlich moderne Franzosen erworben. Heute, wo ihr
ehemaliger Privatbesitz zu einem Museum vereinigt
ist, hat man eine sonst nirgends wiederkehrende Ge-
legenheit, die Geschichte der französischen Kunst von
Manet bis Picasso kennenzulernen. Im Mittelpunkt
steht Natisse mit einem gewaltigen Saal. Die kleineren