der ganz versunken einen Abguß des Diskuswerfers
zeiclinet, geliört zu den erfreuiichen Symptomen einer
unmittelbaren Wirkung musealer Erziehung. In jedem
Museum liegen Bücher auf, in die das Publikum
Wiinsche und Betrachtungen schreibt. Gelegentliche
Einblicke zeigten neben unpersönlichen Manifesta-
tionen stramm materialistischer Gesinnung („dem
Museum fehlt es an Beziehung zum heutigen Leben“)
viel naive Begeisterung und ehrliche Hingabe an die
Sache. Endlich sei das von dem Wölfflinschüler Prof.
Sidorow liebevoll geleitete graphische Kabinett ge-
nannt, das soeben mit der Wiener Albertina einen
Austausch moderner russischer Graphik gegen öster-
größte Aufmerksamkeit. Mit anerkennenswerter Um-
sicht hat man in den beiden Hauptstädten eine lücken-
lose Entwickelungsreihe der russischen Kunst bis zur
Gegenwart zusammengetragen. Eben ist man dabei.
dem Raummangel der Tretjakoff-Galerie durch Ein-
beziehung einer ausgeräumten Kirche in den Museums-
i>czi rk abzuhelfen. Hier wird die russische Malerei der
Nachkriegszeit untergebracht. — An thematischen
Ausstellungen zeigt die Tretjakoff-Galerie soeben
einen Überblick iiber die malerische Gestaltung der
Revolutionsereignisse, dessen künstlerisch reaktionäre
und trostlos akademische Haltung eine überraschende
innere Teilnahmlosigkeit am Gegenstand verrät.
Das Mandilion-Fresko
aus dem Ende des
12. Jahrliunderts.
In der Kirche von
Nereditza
bei Nowgorod.
reichische vollzogen hat. Diese Unternehmung ist um
so wichiiger, weil Rußland gegenwärtig iiber ganz
ausgezeichnete Graphiker verfügt. Vor allem erlebt
der Holzschnitt eine ausgesprochene Bliite. Namen wie
Kraftschenko, Pawlinow und vor allem Faworski wird
man sich merken müssen. Aber auch das russische
Biedermeier ist eine Fundgrube fiir Ereunde der
Graphik. Yor hundert Jahren gab es in Rußland eine
Schule von erstrangigen Lithographen, die gewisser-
raaßen die salonfähigen Erben der köstlichen Yolks-
bilderbogen des 17. und 18. Jahrhunderts waren.
Wir wissen überhaupt noch viel zu wenig von der
russischen Kunst des 19. Jahrhunderts. Wer die Tret-
jakoff-Galerie in Moskau und das „Russische Mu-
seum“ in Leningracl besucht, lernt einen Künstlerkreis
kennen, der, gelegentlich an Waldmüller oder Krüger
erinnernd, das russische Leben der Vergangenheit mit
aller denkbaren Tntimität und Lebendigkeit festgehal-
ten hat. Fedotoff als Meister zierlicher Anekdoten,
Rrjulloff als mondäner Gesellschaftsschilderer und voi;
allem der spröde und feine Wenezianoff — eine Art
russischer Caspar David Friedrich — verdienen unsere
Besser sind die Arbeiten einzelner junger Leute, die,
wic Pimenoff, im Anschluß an die neue Sachlichkeit
das technisierte Lebensideal des neuen Rußland zu
gestalten versuchen. Das russische Museum in Lenin-
grad enthält augenblicklich zwei Ausstellungen: die
eine behandelt den Krieg in der Kunst vom kommu-
nistischen Standpunkt aus, die zweite, sehr interes-
sante, die Arbeit der sogenannten Palech-Künstler.
Palech ist ein Dorf bei Moskau, das bis in die jüngste
Vergangenheit eine Schule volkstlimlicher Ikonen-
maler beherbergte. Diese Kiinstler sind auf Initiative
hauptstädtischer Kreise dazu tibergegangen, Holzkäst-
chen mit Miniaturen zu schmücken. Die archaisierende
Anmut ihres Stiles geht unmittelbar auf die Ikonen
der Stroganoffepoche (16. bis 17. Jahrhundert) zurück.
Der Entwicklungsprozeß vom Heiligenbild zum Kunst-
gewerbe wird an der Hand von instruktiven Beispielen
und Erläuterungen deutlich gemacht.
Die Ikonensäle der Museen von Moskau und Lenin-
grad sind gegenwärtig in Neuordnung begriffen und
fiir das Publikum gesperrt. Die Tretjakoff-Galerie be-
sitzt nun neben den aus Kirchen und Klöstern ge-
zeiclinet, geliört zu den erfreuiichen Symptomen einer
unmittelbaren Wirkung musealer Erziehung. In jedem
Museum liegen Bücher auf, in die das Publikum
Wiinsche und Betrachtungen schreibt. Gelegentliche
Einblicke zeigten neben unpersönlichen Manifesta-
tionen stramm materialistischer Gesinnung („dem
Museum fehlt es an Beziehung zum heutigen Leben“)
viel naive Begeisterung und ehrliche Hingabe an die
Sache. Endlich sei das von dem Wölfflinschüler Prof.
Sidorow liebevoll geleitete graphische Kabinett ge-
nannt, das soeben mit der Wiener Albertina einen
Austausch moderner russischer Graphik gegen öster-
größte Aufmerksamkeit. Mit anerkennenswerter Um-
sicht hat man in den beiden Hauptstädten eine lücken-
lose Entwickelungsreihe der russischen Kunst bis zur
Gegenwart zusammengetragen. Eben ist man dabei.
dem Raummangel der Tretjakoff-Galerie durch Ein-
beziehung einer ausgeräumten Kirche in den Museums-
i>czi rk abzuhelfen. Hier wird die russische Malerei der
Nachkriegszeit untergebracht. — An thematischen
Ausstellungen zeigt die Tretjakoff-Galerie soeben
einen Überblick iiber die malerische Gestaltung der
Revolutionsereignisse, dessen künstlerisch reaktionäre
und trostlos akademische Haltung eine überraschende
innere Teilnahmlosigkeit am Gegenstand verrät.
Das Mandilion-Fresko
aus dem Ende des
12. Jahrliunderts.
In der Kirche von
Nereditza
bei Nowgorod.
reichische vollzogen hat. Diese Unternehmung ist um
so wichiiger, weil Rußland gegenwärtig iiber ganz
ausgezeichnete Graphiker verfügt. Vor allem erlebt
der Holzschnitt eine ausgesprochene Bliite. Namen wie
Kraftschenko, Pawlinow und vor allem Faworski wird
man sich merken müssen. Aber auch das russische
Biedermeier ist eine Fundgrube fiir Ereunde der
Graphik. Yor hundert Jahren gab es in Rußland eine
Schule von erstrangigen Lithographen, die gewisser-
raaßen die salonfähigen Erben der köstlichen Yolks-
bilderbogen des 17. und 18. Jahrhunderts waren.
Wir wissen überhaupt noch viel zu wenig von der
russischen Kunst des 19. Jahrhunderts. Wer die Tret-
jakoff-Galerie in Moskau und das „Russische Mu-
seum“ in Leningracl besucht, lernt einen Künstlerkreis
kennen, der, gelegentlich an Waldmüller oder Krüger
erinnernd, das russische Leben der Vergangenheit mit
aller denkbaren Tntimität und Lebendigkeit festgehal-
ten hat. Fedotoff als Meister zierlicher Anekdoten,
Rrjulloff als mondäner Gesellschaftsschilderer und voi;
allem der spröde und feine Wenezianoff — eine Art
russischer Caspar David Friedrich — verdienen unsere
Besser sind die Arbeiten einzelner junger Leute, die,
wic Pimenoff, im Anschluß an die neue Sachlichkeit
das technisierte Lebensideal des neuen Rußland zu
gestalten versuchen. Das russische Museum in Lenin-
grad enthält augenblicklich zwei Ausstellungen: die
eine behandelt den Krieg in der Kunst vom kommu-
nistischen Standpunkt aus, die zweite, sehr interes-
sante, die Arbeit der sogenannten Palech-Künstler.
Palech ist ein Dorf bei Moskau, das bis in die jüngste
Vergangenheit eine Schule volkstlimlicher Ikonen-
maler beherbergte. Diese Kiinstler sind auf Initiative
hauptstädtischer Kreise dazu tibergegangen, Holzkäst-
chen mit Miniaturen zu schmücken. Die archaisierende
Anmut ihres Stiles geht unmittelbar auf die Ikonen
der Stroganoffepoche (16. bis 17. Jahrhundert) zurück.
Der Entwicklungsprozeß vom Heiligenbild zum Kunst-
gewerbe wird an der Hand von instruktiven Beispielen
und Erläuterungen deutlich gemacht.
Die Ikonensäle der Museen von Moskau und Lenin-
grad sind gegenwärtig in Neuordnung begriffen und
fiir das Publikum gesperrt. Die Tretjakoff-Galerie be-
sitzt nun neben den aus Kirchen und Klöstern ge-