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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

DOI Heft:
Juli-Augustheft
DOI Artikel:
Riess, Margot: Maria Slavona: 1865-1931
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0341

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uncl man muß die Besitzer, die dafür erst wenig Ver-
ständnis zeigen, schön bitten, ihn für einige Stuiiden
als Blumenvase zur Verfiigung zu stellen, und es wird
eins ihrer prangendsten Stilleben daraus: ciu Feld-
blumenstraufi, in dem die Töne von hauchzartem Lila
bis zu feurigem Rot anfsteigen, einander suchend, sicli
verbindend und voneinander lösend wie Klänge eines
reich differenzierten Orchesters. Oder man bringt ihr
eine Handvoll Pilze aus dem Wald, und es wird ein
schon durch die Seltenheit des Motivs interessantes
Stilleben gemalt: wie Juwelen leuchtend liegen die
eigenwillig geformten Dinge auf blaueni Grund. LJnd
bei solcli einer Gelegenheit gibt ihr Mann, der grofie
Kunstkenner, Sammler und frühere Redakteur einer
führenden französischen Zeitschrift, der etwas vom
praktisclien Leben weiß, ihr den Rat, sie solle etwa
eine ganze Reihe solcher Bilder malen, das Publikum
wolle nun einmal irgendeiu Spezialistentum selin, sich
schon durch das ungewohnte Motiv interessieren las-
sen. Aber bei so etwas versagt sie: der lebendige An-
lafi, das eimnalige grofie Sichfreuen iiber ein solehes
„Fest fiir die Augen" ist doch schon vorbei, nnd olme
dies geht es eben bei ihr nicht.

Problematischer wurde solch ein edles Nichtanders-
können noch auf dem Gebiete des Porträts: da fällt
uns mitunter bei aller letzten Feinheit der eigent-
lichen „peinture ‘ ein merkwtirdig starrer Zug auf, der
zu dem cpiellend Lebendigen ihrer Formgebung nicht
recht passen will. Immer finden wir aber auch in sol-
chen Fällen die Lösung im Menschlichen: selbst wenn
sie sich anfangs fiir ein Modell interessiert hatte,
konnte es ihr begegnen, dafi sie — irritiert durch einen
ihrem Feingefühl irgendwie unsympatischen Zug —
während der Arbeit den inneren Kontakt mit ihrem
Gegeniiber verlor. Den aber brauchte sie, die liell-
hörig sich auf die zartesten seelischen Schwingungen
verstand, nicht anders wie der Magnetiscur dem Me-
dium gegenüber. Ftihlte sie diesen geheimen Kontakt
zerrissen, so war auch ihre künstlerische Maclit über
das Objekt dahin. Daher hat sie, die sich iu ihrer
Wahlheimat Paris inmitten der geistigen Aristokratie
Ivuropas auch wiederum mit gröfiter Selbstverständ-
lichkeit bewegte, aucb nie diese Situation in einem
ftir sie praktischen Sinne auswerten können. Eine
Reihe von Prominentenporträts von ihrer Hand —
Männer wie Ibsen, Holger Drachmann, Hermann
Bang, Eugene Carriere, Camille Pissarro und zahl-
reic-he Pariser „Kunstgewaltige“ wie Geffroy, H. Ro-
nart gehörten zu ihrem Kreis — hätte ihre Kunst mit
einem Schlage weithin sichtbar machen können. Aber
auch hier wollte es nur gehen, wenn der impulsive
Anlafi da war, und einem Porträt, wie der ein wenig
steif dastehenden Schauspielerin Maria Mayer, fiihlt
man bei allem grofien Können an. dafi die Malerin es
sich gleichsam abgerungen liat. Denn sie war fern von
allem berechneten Spezialistentum und aller Syste-
matik und wollte schliefilich nichts als ihr lebendiges
persönlichstes Leben immer wieder in ihre Kunst
einströmen lassen. Dieses ihr eigenstes nalies Leben

aber war — wenigstens soweit es sich unmittelbar
in reine unliterarische Malerei umsetzen liefi: Kinder,
ein paar andere Menschen, clie ihr sehr nahe standen,
Blumen und immer wieder Blumen, spielende Tiere,
eng umfriedete silbergraue Gärten, versonnene Stadt-
Avinkel und weite freie Landschaften. Aber dieser
scheinbar bescheidene Daseinskreis wurde weit und
schwellend grofi von intensiv gelebtem Leben, und es
isi bezeichnend für ihre Art, dafi sie ihre Angehörigen
einen Tag vor ihrem Tode noch bat, sie sollten ihr

Maria Slavona / Alte Frau
Federzeichnung mit Bister, Paris 1894

doch mehr von draufien erzählen, sie an allem teil-
nehmen, das Leben zu ihr herein lassen. Wie diese
Lebenswärme sich, als die letzte Krankheit schon an
ihr nagte, in verzehrendes Lebensfieber umsetzte, kann
man mit erschütternder Deutlichkeit an ihren Bildern
ablesen, von denen eins dcr letztcn, ein Herbstblumen-
straufi, in seinem fast schmerzhaften Brennen und
Leuchten von nie stillbarem Durst nach Leben und
Schönheit erzählt.

Erstaunlich fertig, fast altmeisterlich, wirken einige
Porträts des ganz jungen Mädehens, die sie noch in
ihrer Lübecker Heimat gemalt und gezeichnet hat, in
 
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