einpassen! Daß die Aestheten, die Lob und Tadel ver-
teilen, die viel tieferen Nöte, die uns, gut oder schlecht
wie sie sei, viel fester an unsere eigene Kunst schmie-
den, mit ihrem geschmäcklicheren Regelkram übertönen
können, hängt mit der Materialisierung des modernen
Sammeiwesens zusammen. Die Pariser ist die Welt-
kunst, weil sie den Weltmarkt hinter sich hat ; weil dort
eine großartige Organisation die stärkste Sicherheit
gegen Preisstürze bietet und jeder japanische Snob und
argentinische Großkäufer mit garantiert, daß wir unsere
in Kunst angelegten Gelder nicht verlieren werden. Im
Auf und Ab einer in scharfen Widersprüchen sich voll-
ziehenden Kulturentwicklung, wie es die deutsche ihrem
Wesen nach nun einmal ist, könnte wie jede Ueber-
schätzung auch jede Unterschätzung möglich sein; fran-
zösische oder doch wenigstens französelnde Kunst bie-
tet fiir die Anlage unvergleichlich größere Sicherheit.
Die Verquickung materieller und ideellcr Interessen, die
die Erforschung alter Kunst heute im Kern bedroht,
zwingt auch unsere lebende Kunst in ein Heloten-
verhältnis zur französischen, das dem Romanismus nor-
discher Künstler im 16. und 17. Jahrhundert in der Wir-
kung vergleichbar ist.
Wie damals die machtvoll aus ihrem natiirlichen
Boden erwachsene Kunst Italiens Muster und Vorbild
fiir alle sein sollte, so soll nun alles Heil in möglichster
Annäherung an das liegen, was in Paris gut, aber eben
nur für Paris gut ist. Ja, jener Klassizismus früherer
Jahrhunderte war kulturell noch viel fruchtbarer als
sein heutiges Widerspiel; denn da ein Teil geistigen nor-
dischen Wesens nun doch einmal — schon durch
Christentum und humanistische Erziehung — im Süden
wurzelt, so konnte jene Wahlheimat allen Segen echter
Heimat entfalten, konnten Elsheimer, Rubens oder
Poussin aus jenem Untertauchen ins Internationale die
Kraft zur Entfaltung tiefster nationaler Begabung
schöpfen. Während der Wettlauf nach der Fata mor-
gana der Ecole de Paris bisher nur in die Sümpfe eines
charakterlosen Allerweltsstils geführt hat.
Daß aus diesen Worten jemand eine Aufreizung
gegen die französische Kunst finden könnte, der die
deutsche dieser wie der vorigen Generation soviel an
fruchtbarer Anregung abgewonnen hat und abgewinnen
kann, glaube ich kaum; ich predige nicht für die Miß-
achtung der französischen Kunst, selbst wo sie seicht
ist, sondern gegen die Mißachtung der deutschen,
auch wo sie tief ist. Right or wrong, sie ist die unsere:
und wenn unser Gefühl dafür erstorben ist, könnte es
die richtige Empfindung der anderen wieder zum Leben
erwecken. Wo deutsche Kunst im Ausland in ihrem
Besten auftritt, erregt sie die heftigste Abneigung; der
Pavillon in Venedig, der, eins ins andere gerechnet,
das Eigentümlichste umfaßte, was Deutschland heute zu
geben hat, ist größtenteils Gegenstand rüdester Ableh-
nung geworden. Der Fremde fühlt instinktiv in dieser
Kunst ein Bekenntnis, das dem seinen zuwiderläuft;
wir aber stoßen sie ins Provinzielle, um eine fremde
Schule, die heute im Grund nichts mehr ist als eine
lokale, willig als unbedingt vorbildlich anzuerkennen.
Ad. von Menzel Hofball in Rheinsberg
Sammlung Max Böhm, Berlin. Versteigernng 28. Januar 1931 bei Rudolph Lepke, Berlin
103
teilen, die viel tieferen Nöte, die uns, gut oder schlecht
wie sie sei, viel fester an unsere eigene Kunst schmie-
den, mit ihrem geschmäcklicheren Regelkram übertönen
können, hängt mit der Materialisierung des modernen
Sammeiwesens zusammen. Die Pariser ist die Welt-
kunst, weil sie den Weltmarkt hinter sich hat ; weil dort
eine großartige Organisation die stärkste Sicherheit
gegen Preisstürze bietet und jeder japanische Snob und
argentinische Großkäufer mit garantiert, daß wir unsere
in Kunst angelegten Gelder nicht verlieren werden. Im
Auf und Ab einer in scharfen Widersprüchen sich voll-
ziehenden Kulturentwicklung, wie es die deutsche ihrem
Wesen nach nun einmal ist, könnte wie jede Ueber-
schätzung auch jede Unterschätzung möglich sein; fran-
zösische oder doch wenigstens französelnde Kunst bie-
tet fiir die Anlage unvergleichlich größere Sicherheit.
Die Verquickung materieller und ideellcr Interessen, die
die Erforschung alter Kunst heute im Kern bedroht,
zwingt auch unsere lebende Kunst in ein Heloten-
verhältnis zur französischen, das dem Romanismus nor-
discher Künstler im 16. und 17. Jahrhundert in der Wir-
kung vergleichbar ist.
Wie damals die machtvoll aus ihrem natiirlichen
Boden erwachsene Kunst Italiens Muster und Vorbild
fiir alle sein sollte, so soll nun alles Heil in möglichster
Annäherung an das liegen, was in Paris gut, aber eben
nur für Paris gut ist. Ja, jener Klassizismus früherer
Jahrhunderte war kulturell noch viel fruchtbarer als
sein heutiges Widerspiel; denn da ein Teil geistigen nor-
dischen Wesens nun doch einmal — schon durch
Christentum und humanistische Erziehung — im Süden
wurzelt, so konnte jene Wahlheimat allen Segen echter
Heimat entfalten, konnten Elsheimer, Rubens oder
Poussin aus jenem Untertauchen ins Internationale die
Kraft zur Entfaltung tiefster nationaler Begabung
schöpfen. Während der Wettlauf nach der Fata mor-
gana der Ecole de Paris bisher nur in die Sümpfe eines
charakterlosen Allerweltsstils geführt hat.
Daß aus diesen Worten jemand eine Aufreizung
gegen die französische Kunst finden könnte, der die
deutsche dieser wie der vorigen Generation soviel an
fruchtbarer Anregung abgewonnen hat und abgewinnen
kann, glaube ich kaum; ich predige nicht für die Miß-
achtung der französischen Kunst, selbst wo sie seicht
ist, sondern gegen die Mißachtung der deutschen,
auch wo sie tief ist. Right or wrong, sie ist die unsere:
und wenn unser Gefühl dafür erstorben ist, könnte es
die richtige Empfindung der anderen wieder zum Leben
erwecken. Wo deutsche Kunst im Ausland in ihrem
Besten auftritt, erregt sie die heftigste Abneigung; der
Pavillon in Venedig, der, eins ins andere gerechnet,
das Eigentümlichste umfaßte, was Deutschland heute zu
geben hat, ist größtenteils Gegenstand rüdester Ableh-
nung geworden. Der Fremde fühlt instinktiv in dieser
Kunst ein Bekenntnis, das dem seinen zuwiderläuft;
wir aber stoßen sie ins Provinzielle, um eine fremde
Schule, die heute im Grund nichts mehr ist als eine
lokale, willig als unbedingt vorbildlich anzuerkennen.
Ad. von Menzel Hofball in Rheinsberg
Sammlung Max Böhm, Berlin. Versteigernng 28. Januar 1931 bei Rudolph Lepke, Berlin
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