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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

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1./2. Septemberheft
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Holzhausen, Walter: Email mit Goldauflage in Berlin und Meißen nach 1700
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https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0018

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die Verwendung in Heuglins Werkstatt noch nicht not-
wendig Augsburger Herstellung zu sein. Hs ist darauf
aufmerksam zu machen, daß die von ihn verarbeiteten
Platten sämtlich „gefaßte“ Beschlagteile sind, die
ebensogut zur Montierung damals in Augs'burg ein-
geführt sein können.

Auf der weißen Emailfläche entfalteii viele der lose
verteilten Figuren inmitten des farbigen, oft flüchtigen
Dekors eine Cxrazie in jener klassischen Haltung, die
speziell französischer P’astik am Ausgang des 17. Jahr-
hunderts eigen war. Sie sind mit äußcrstem Gefühl für
reliefmäßige Zweidimensionalität modelliert und ver-
raten eine meisterliche Hand für ihre ursprüngliche Ent-
stehung. Als Allegorien zunächst „vielsagend“, erhalten
sie durch das Zueinander zu anderen Figuren bestimm-
tere Bedeutung. Dazwischen sind kleine gemalte Land-
schaften und Figuren eingestreut. In dimensionsloser
Unwirklichkeit, die Blumenranken und Gehänge füllend
durchschwingen, existieren alle Formen nur in gedank-
lichen Beziehungen zueinander. Es ist die ornamentale
Bilderschrift des deutschen Vor-RokokoH).

Abb. F. Wachs zur Faltz-Medailie. Kaiser Friedr.-Museum, Berlin

Die Allegorien in Goldrelief auf den Emailarbeiten
haben als Ganzes repräsentativen Charakter. Sie ver-
sinnbildlichen sozusagen ein Programm höchster staat-
licher, politischer, wirtschaftlicher Bedeutung. Bei den
Stücken der Garnituren erstrecken sie sich auf eine im
Vordergrunde stehende Selbstkrönung und die Ueber-
gabe einer Krone, auf „löwenmutige“ Kriegsbereit-
schaft und friedlichen Wandel der Gewerbetreibenden,
auf die Pflege der Wissenschaft, dieweil Mars und
Minerva einen Friedenspakt eingehen und ein gelager-
ter Flußgott Ewigkeitsdauer verkörpert.

Der Vergleich mit der Kunst k’leinen Formates, die
denselben Anschauungen eines klar zum Ausdruck ge-
brachten Regierungsprogrammes diente, führt auf das
Werk des Berliner Medailleurs Raymand Faltz. In der
Tat sind eine Anzahl der auf den Emailarheiten vorhan-
denen Goldreliefs genaue Abdrücke seiner Medaillen, zu
denen z. T. noch die Wachsmodelle im Kaiser
Friedrich-Museum vorhanden sind3 4).

3) Vergl. W. Holzhauseni: „Die Entwicklung des deutschen
Ornamentstichs im Zeitalter des Barockis“ in Mitteilungen der Ges.
f. vervielf. Kunst, Wien 1923, und „Die Neuerwerbungen des Griinen
Gewölbes“ im „Kunstwanderer“, Fe-bruar 1926.

4) Vöge: Die deutschen Bildwerke etc. Dort Abb. Mars und

Minerva, Borussia sich krönend, Borussia am Meere. Wachsreliefs

Die miteinander identischen Reliefs der einzelnen
Gegenstände ergeben sich aus den Abbildungen. Die
sich selbst krönende Gestalt (Abb. 3) ist die Borussia
der Medaille auf die Krönung des Kurfürsten
Friedrichs III. zum König. Die Medaille trägt die Um-
schrift SUUM CUIQUE 1701 (Abb. A). Herkules mit
den Aepfeln der Hesperiden (Abb. 3) ist dem Revers
der Preismünze der Berliner Akademie (ohne Jahres-
zahl) entnommen (Abb. B). Die Thronende mit dem
Knaben auf dem Schoß (auf der Wiener Dose, Abb. im
„Kunstwanderer“ Februar 1926) ist die Kurfürstin
Sophie Charlotte von der Schaumünze des Jahres 1693.
Der Flußgott „Vater Rhein“ (Abb. 2) stammt von der
Schaumünze auf die Siege am Rhein 1689 (Abb. C). Die
Gruppe der Göttin im Triumphwagen (Abb. 2), von
Hymen begrüßt, geht auf die Medaille J. Boskams zur
Hochzeit des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, späteren
Königs Friedrich Wilhelm I. mit Sophie Dorothca, Toch-
ter Georgs I. von Großbritannien (1706) zurück
(Abb. D).5) Die Verwendung der einzelnen Teile dieser
Gruppe auf dem Email zeigt durch den Unterschied zur
Anordnung auf der Medaille die ganze Unbekümmert-
lreit und technische Routine des Verfahrens. Das Vor-
bild von Mars und Minerva (Abb. 2) findet sich auf dem
Revers der Schaumünze zur Gründung der Universität
Halle 1694 (Abb. E). Sie schließen ihren Bund über
einem Altar, der auf dem Email weggelassen ist.

Die beiden Garnituren in München und Wien sind
wohl die beiden einzigen, die in dieser Vollständigkeit
erhalten sind. Sie stellen als Leistung die beste Quali-
tät in dieser Art der Galanteriewaren dar. Um sie
gruppiert sich noch eine Anzahl anderer Stücke, die
z. T. früher als sie entstanden sein können. Sie stehen
in derselben Beziehung zum Medaillenwerk des
Raymond Faltz.

Die Dose im Hamburger Museum6), bezeichnet
„Fromery a berlin kupffer“, zeigt die Borussia (am
Meeresufer) mit sinnendem Blick (nach England). Auf
dem Email hat sie einen Zweig in die Hand bekommen
und, zur Allerweltsgrazie geworden, allen politischen
Charakter verloren. Ihr unmittelbares Vorbild ist die
Rückseite von Faltz’ Schaumünze auf die Unter-
stützung Wilhelms von Oranien bei der Erwerbung der
englischen Krone 1688.

Eine Dose im Märkischen Museum in Berlin er-
scheint wieder mit dem Flußgott. Eine andere dort
(Abb. 4) trägt die Kriegsgöttin mit dem Löwen wie auf
der Wiencr und Miinchener Garnitur und auf der Dose
im Grünen Gewölbe. Eine dritte (Abb. 5) in demselben
Museum hat die ganze Szene von der Schaumünze auf

1703 (Abb. F) mit dem Nachlaß Faltz’ zur Kunstkammer gekommen,
den der Ktinstler dem Könige dankbar vermachte. Naclnnessungen
haben ergeben, daß es sich bei den Goldreliefs um direkte Ab-
güsse handelt.

Zum Aufsuchen dieser Med.: Menadier, Schaumiinzen des Hau-
ses Hohenzollern.

°) Diese Med. von Boskaim: Hymen begrüßt die als Venus
im Schwanengespann herabfahrende Prinzessin.

ß) Abb. bei IM. Sauerlandt, Miszellen 1, „Kunstwanderer“,
April 1926.

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