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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

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1./2. Septemberheft
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Born, Wolfgang: Neues Wiener Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0034

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Entzücken unserer Zeitgenossen erregt haben, wären
unmöglich, wenn im alten Ohina Bussineß statt Konfu-
zius Trumpf gewesen wäre. Wien dankt seine führende
Rolle im Kunstgewerbe dem Widerstand, den es bisher
dem Amerikanismus gegenüber aufgebracht hat. Als
auf der großen Pariser Kunstgewerbeausstellung von
1925 Oesterreich unter Josef Hoffmanns Führung auf-
trat, war der Eindruck (trotz mancher Mängel) so ge-
waltig, daß von diesem Zeitpunkt an die Erneuerung
des französischen Kunstgewerbes datiert, und die Be-
wegung von da aus nach der neuen Welt übergriff.
Dabei ist das Gesunde am Wiener Kunstgewerbe eine
gewisse Anonymität, ein hohes Niveau, aus dem sich
wohi einzelne Führerpersönlichkeiten lösen, das aber
geschlossen und reich genug ist, um auch ohne die
Prominenten zu wirken.

Die meisten Kunstgewerbler sind, wie die Archi-
tekten, im „Oesterreichischen Werkbund“ zusammen-
geschlossen, dessen Verkaufsorganisation unter der
Leitung des Malers Laszlo Gabor steht. Dieser engeren
Gruppe gehören, um einige Namen zu nennen, der
Metallschmied Hagenauer, die Keramikerinnen Herta

Bucher und Susi Singer — die erste mehr dem Gefäß,
die zweite dem Figürlichen zugeneigt — Hilde Ascher-
Wagner (Textilien), Emmy Zweybrück (Spielzeug,
Stlckereien), Fritzi Nechansky und Mizzie Otten-Fried-
mann (Email), sowie Louis Resch (Teppiche) an. Der
Kreis der „Wiener Werkstätte“ wird nach wie vor von
Josef Hoffmann geführt. Dort sind die bekanntesten
Namen Vally Wieselthier und Gudrun Baudisch, deren
phäntasievolle Keramiken allzuviel unberufene Nach-
ahmer gefunden haben, Mathilde Flögl und Maria
Strauß-Likarz (uuerschöpflich in der Erfindung von
Stoffmustern), Felice Rix, eine Keramikerin, die sich
seit neuestem dem Email zugewandt hat, und Max
Snizck, der vorzügliche Leiter der Abteilung für
Damenkleider. Die Verhältnisse sind nicht starr. Man
ist auch nicht unbedingt auf Spezialisierung ein-
geschworen. Das Können ist oft von überraschender
Vielseitigkeit. Letzten Endes, bei aller Bewertung von
Programmen und Erkenntnis, entscheidet ja doch über-
all das Talent. Aus der Heüsichtigkeit der Intuition
formt es und führt. Wohin? Das weiß es nicht. Aber
was es hervorbringt, steht einmal später, kostbar und
iimhegt, im Museum.

Vally Wieselthier, Kopf. Originalkeramik

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