fiir einen ganz kleinen Kreis: für Pierre Gay, den ehe-
maligen Schutzmann, die Vise, Kneipwirtin von der
„Belle Gabrielie“, den verstorbenen Libaude, ehemali-
gen Polizeikommissär und symbolistischen Dichter,
Zamaron von der Präfektur, den vom Bilder'bazillus be-
sessenen Pere Soulie, aber auch fiir Emil Bernard,
Zuioaga, Elie Faure, Octave Mirbeau, den Baron Robert
de Rothschild. „Liebhaber“, im eigentlichen Sinne des
Wortes, verliebt iu seine Maierei, mit der die „Kenner“
— sogar die Kenner in Paris — noch nichts anzufangen
'wußten. Von „Kunst der Zeit“ hatte man ein so straff
wenigere noch den Mut haben. Pariser Veduten, Post-
kartensujets zu malen, während das ganze Cafe du
Döme auf Matisse oder Picasso schwört, dazu gehört
— der Mut des Besessenen oder des Einfältigen.
Wenn ich mir vorstelle, ich hätte einmal Gelegen-
lieit, mich etwa mit Thomas Mann iibcr Literatur und
die heutigen Mögiichkeiten zu unterhalten, so bin ich
gewiß, Einsichten zu hören, die profund, äußerst klug
iiiid weitblickend einen aufklären, worum es eigentiich
geht, was geschieht und zu geschehen hätte. Als ich
bei Utrillo war, ist es zu solcher Unterhaltung nic'ht ge-
Utrillo, Aquädukt. Mit Genehmigung der Galerie Alfred Flechtheim, Berlin
durchorganisiertes BegriffsgebLde, daß man nichts, aber
auch rein gar nichts mit einem Ma'er anzufangen wußte,
der sich’s plötztich einfallen ließ, Montmartreansichten
mit der ganzen Idyllik ei'ner fast sentimentalen Verliebt-
heit zu geben. Es war fast wie bei Henri Rousseau,
dem verträumten Zollwächter, der zu ungeschickt war
zu malen, was man neben Matisse und Picasso zu sehen
wünschte, der scheinbar nicht wußte, was „Malerei“ ist,
und auf die Eeinwand brachte, wes das Herz voh war.
Aucli Utrillo ist so ein ungeschickter Malmensch.
Er weiß von gar nichts. Vor allen Dingen nicht, mit
was der Metiermaler aufzuwarten hat. Maclien wir uns
doch nichts vor, es gibt ja da auch einc Konvention,
gegen die zu verstoßen nur wenige das Talent, viel
kommen, konnte es gar nicht dazu kommen. Was sollte
er für Ansichten über Malerci entwickeln? Er weiß
nich'ts davon. Er malt seine Bilder und Bildchen, so
wie es ihm Spaß macht und weil’s ihm so Spaß macht.
Malt sein Quartier am Montmartre, die Sacre Coeur, die
Moulin de la Galette, den Lapin agile (jenes erste der
Kabaretts, iu dem Aristide Bruan seine Chansons sang),
den kleinen Place du 'Fertre, Monmartre- und Pariser
Straßen mit den weißgrauen Häusermauern, den griinen
Eensterläden, den bunten Ladenschildern oder irgcnd-
eine dieser Kathedralen und Kirchen mit verwittertem
Gemäuer vor einem emailleblauen Himmel. Daß man
sowas auch anders machen, auch auf andere Weise
malen könnte, versteht er wohl gar nicht. Es macht
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maligen Schutzmann, die Vise, Kneipwirtin von der
„Belle Gabrielie“, den verstorbenen Libaude, ehemali-
gen Polizeikommissär und symbolistischen Dichter,
Zamaron von der Präfektur, den vom Bilder'bazillus be-
sessenen Pere Soulie, aber auch fiir Emil Bernard,
Zuioaga, Elie Faure, Octave Mirbeau, den Baron Robert
de Rothschild. „Liebhaber“, im eigentlichen Sinne des
Wortes, verliebt iu seine Maierei, mit der die „Kenner“
— sogar die Kenner in Paris — noch nichts anzufangen
'wußten. Von „Kunst der Zeit“ hatte man ein so straff
wenigere noch den Mut haben. Pariser Veduten, Post-
kartensujets zu malen, während das ganze Cafe du
Döme auf Matisse oder Picasso schwört, dazu gehört
— der Mut des Besessenen oder des Einfältigen.
Wenn ich mir vorstelle, ich hätte einmal Gelegen-
lieit, mich etwa mit Thomas Mann iibcr Literatur und
die heutigen Mögiichkeiten zu unterhalten, so bin ich
gewiß, Einsichten zu hören, die profund, äußerst klug
iiiid weitblickend einen aufklären, worum es eigentiich
geht, was geschieht und zu geschehen hätte. Als ich
bei Utrillo war, ist es zu solcher Unterhaltung nic'ht ge-
Utrillo, Aquädukt. Mit Genehmigung der Galerie Alfred Flechtheim, Berlin
durchorganisiertes BegriffsgebLde, daß man nichts, aber
auch rein gar nichts mit einem Ma'er anzufangen wußte,
der sich’s plötztich einfallen ließ, Montmartreansichten
mit der ganzen Idyllik ei'ner fast sentimentalen Verliebt-
heit zu geben. Es war fast wie bei Henri Rousseau,
dem verträumten Zollwächter, der zu ungeschickt war
zu malen, was man neben Matisse und Picasso zu sehen
wünschte, der scheinbar nicht wußte, was „Malerei“ ist,
und auf die Eeinwand brachte, wes das Herz voh war.
Aucli Utrillo ist so ein ungeschickter Malmensch.
Er weiß von gar nichts. Vor allen Dingen nicht, mit
was der Metiermaler aufzuwarten hat. Maclien wir uns
doch nichts vor, es gibt ja da auch einc Konvention,
gegen die zu verstoßen nur wenige das Talent, viel
kommen, konnte es gar nicht dazu kommen. Was sollte
er für Ansichten über Malerci entwickeln? Er weiß
nich'ts davon. Er malt seine Bilder und Bildchen, so
wie es ihm Spaß macht und weil’s ihm so Spaß macht.
Malt sein Quartier am Montmartre, die Sacre Coeur, die
Moulin de la Galette, den Lapin agile (jenes erste der
Kabaretts, iu dem Aristide Bruan seine Chansons sang),
den kleinen Place du 'Fertre, Monmartre- und Pariser
Straßen mit den weißgrauen Häusermauern, den griinen
Eensterläden, den bunten Ladenschildern oder irgcnd-
eine dieser Kathedralen und Kirchen mit verwittertem
Gemäuer vor einem emailleblauen Himmel. Daß man
sowas auch anders machen, auch auf andere Weise
malen könnte, versteht er wohl gar nicht. Es macht
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