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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

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1./2. Dezemberheft
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Peter, Kurt von: Munkacsy
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https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0121

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Regierung den „Arpad“. Den ersten Gedanken zu dem
Werke hatten ihm seiner Zeit Gespräche mit Maurus
Jokai gegeben. Der große Moment der vaterländischen
Historie zum „Millenium“ von Munkacsys Pinsel ver-
herrlicht! Ich sehe, sagte Jokai (1882) diesen zukünf-
tigen Munkacsy vor mir, ein großartiges Gemälde, das
einst die ganze Welt bewundern wird, ich werde es
vielleicht nicht mehr sehen. Aber ich sehe es jetzt vor
rnir. Arpad hält seinen Einzug durcli den Paß von
Vereczke; hinter ihm geht über den Siebnerspitzen der
Karpathen die Sonne auf und ihm entgegen konnnen
die verwandten Stämme der Poloczen, Szekler, Ja-
zygier . . es kommen aber auch die Slowaken, Russen,
Rumänen, um ihm zu huld'igen und ihre Bundesge-
nossenschaft anzubieten! Und seinen Entschluß, ein
Bild des „Einzuges der Ungarn“ zu malen, wie Arpad
bei Munkacsys Besitz vom Lande ergreift, hatte Mun-
kacsy bereits 1882 auf der Soiree bei Graf Tisza kund-
getan. Für dieses Werk, das in dem Sitzungssaale des
neuen Parlamentes eine würdige Stätte finden sollte,
machte Munkacsy nunmehr nicht nur besonders um-
fangreiche Vorarbeiten, Zeichnungen und Oelskizzen,
sondern er wünscht seine Intuition der vaterländischen
Historie auch durch eine Reise in Ungarn zu ergänzen,
wo er an Ort und Stelle Typen für die darzustellenden
Rassen vielerlei Ursprungs sucht; auf der P7ahrt, die ihn
von Budapest nach Czentes, Szolnok, Kolosvar (Klau-
senburg), nach Tisza Dob, Terebes, Miskolcz führt, wird
er allerorten mit Flaggen, Musik, Banketten empfangen.
Und er rnalt, nach Paris zurtickgekehrt, dies Kolossal-
Gemälde der „Landnahme“ der Ahnen 896, es sielit wie
ein Fries aus, mit dem Arpad auf weißem Hengst, in
weißem Gewand, mit federgeschmücktem Helm auf
dem stolzerhobenen Haupt, eine Art Szepter in der
Rechten haltend, auf die Gesandten der unterworfenen
Völkerschaften Ungarns blickend, die ihm zum Zeichen
der Huldigung mit tiefen Ehrfurchtsbezeugungen einen
Korb Erde, einen Krug Donauwasser und einen Arm
voll Heu darbringen. Hinter ihm erhebt sich zwischen
liohen Bäumen das geräumige Fürstenzelt, vor dessen
offenem Eingang die Großen des Arpad, bis an die

Zähne bewaffirete Reiter, Aufstellung genommen 'haben.
Rechts im Vordergrund kommt ein Krieger auf tän-
zelndem Roß. Um die Gesandten drängen sich Arpads
Krieger zu Fuß und zu Pferd, unter Begeisterungsrufen
die Krummsäbel oder Streitäxte schwingend. Der
„Arpad“, der die Riesengröße von sechs Meter Höhe
zu sechzehn Meter Breite hat, konnte noch in seiner
definitiven Fassung in der Galerie Georges Petit in
Paris bewundert werden, bevor er von dort direkt an
seinen Bestimmungsort Budapest ging. Noch einmal
wählt Munkacsy fiir e'in großes Gemälde ein Sujet in
der Art seiner frühen Werke, eine Streik-Szene, — in
der e'in auf dem Tische stehender Redner zu Arbeitern
spricht. Dann wendet er sich in rastlosem Mut an ein
anderes Kolossal-Gemälde, ein drittes Christusbild, das
Mittelstück seiner Trilogie, das „Ecce Homo“, an dem
er während des Jalires 1895 ununterbrochen arbeitet;
fiir die Juden dieser biblischen (selir figurenreichen)
Szene findet er Typen in einer Pariser Vorstadtsyna-
goge unter einer Scliar israelitischer Auswanderer. Die
anstrengende Arbeit des ,,,Ecce Homo“ bringt seine
Kräfte, die er in jährlichen Kuren in La Malou und in der
vorzüglichen Luft von Biarritz auffrischte, ganz her-
unter. Es tritt eine totale Erschöpfung ein. Dieses Werk
ist se'in letztes. Seine Skizzen, bezw. Pläne Napoleon I.
und Pius VII., das Gemälde aus dem Le'ben der Jungfrau
von Orleans, eine Szene aus der ungarischen Ge-
schichte konnte er nicht mehr ausführen. Der Besuch
der Miileniumsfeier in Pest 1896, bei der ihm
größte Huldigungen zuteil wurden, brachte seiner
Nervenüberreizung und Schlaflosigkeit keine Besse-
rung, eher eine Verschlechterung und die Krankheit,
der er im Jahre 1900 erliegen sollte, verhindert die Ver-
wirklichung seines Vorhabens als Direktor der König-
lichen Museen nach Budapest zu übersiedeln, wozu er
sich, so schwer es ihm fiel von Paris zu lassen, ent-
schlossen liatte, urn auf die Kunstentwicklung Ungarns
umnittelbarsten Einfluß nehmen zu können. — Seine
Gestalt hat etwas Gigantisches. — Und man denkt an
ihn wie an einen ungarischen Frühling.

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