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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

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1./2. Dezemberheft
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Aus dem nordischen Kunstleben / Kunstausstellungen / Kunstauktionen / Alte Graphik auf dem Markt / Aus der Kunstwelt / Neue Kunstbücher / Die Umgestaltung des Museums der Bildenden Künste zu Leipzig
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https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0126

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„Testament des Eudamidas“ und der „Junge bei dcr Aepfelfrau“
von Metsu. Das will sagen: der dänisclic Staat kann diese Werke
fiir den freilicli sehr bescheidenen Vorzugspreis von insgesamt
150 000 Kronen erwerben, dic jedocli erst von der Volksvertretung
bcwilligt werden müssen. Selbst wenn dies (wie zu erwarten steht)
geschieht, so hat doch der dänische Kunstbesitz von der Auktion
empfindliche Einbußen zu befiirchten; es braucht da nur an die
Teniers und die Greuze der Sammlung erinnert zu werden. Man
hält es nicht fiir unwahrscheinlich, daß die Versteigerung die
Summe von 1 Million erreicht, besonders da Amerika sich fiir die
Aloltkesche Sammlung voraussichtlich interessieren diirfte.

Im Stockholmer Antiquitätenhandel ist ein seltencs Stiick auf-
gefunden worden: eine Temperantiaschiissel von Kaspar Ender-
lein. Diese reich ornamentierten Zinnschiisseln, die iliren Namen
nach der Figur des Mittelgrundes liaben, gehen auf eiu wohl gegen
1600 von dem Lothringer Erangois Briot ausgefiihrtes Werk zuriick,
nacli dem Enderlein seine Exemplare modelliert hat. Nur vier
solcher Temperantiaschiisseln waren bisher bekannt; sie befinden
sich im Berliner und im Dresdener Kunstgewerbemuseum, in Ber-
liner Privatbesitz und im Nationalmuseum zu Stockholm. Das neu
aufgefundene, mit Enderleins Signatur versehene Stiick, das sicli
seit dem 17. Jahrhundert im ununterbrochenen Besitze derselben
Eamilie befunden hat, stinnnt bis auf Einzelheiten ganz mit dem
Stockholmer Exemplar iiberein. Es ist von der Stockholmer Börse
eincm Bankier zu seinem 50. Geburtstag verehrt worden.

Bei Bauarbeiten in der Marienkirche zu Bergen in Norwegen
ist man auf interessante Wandmalereien gestoßen,
die bei uns um so mehr interessieren werden, als dies Gotteshaus
ja als die Kirche der deutschen Hanseaten errichtet und gebraucht
wurde (Reste des deutschen Gottesdienstes liaben sich noch tief
bis ins 19. Jahrhundert erhalten). Auf Grund einer vorläufigen
Untersuchung ist Koren Wiberg, der bekannte hervorragende
Kenner der Kultur uud Kunst von Alt-Bergen, zu dem Ergebnis
gelangt, daß die neu gefuudenen Malereien, die ornamentale und
figtirliche Motive behändeln, um 1248 anzusetzen und wahrschein-
licli nacli dem Kirchenbrande dieses Jalires ausgeführt seiu dtirften.
Sie zeigen eine sichere Hand und vorzügliche J'eclmik. In späterer
Zeit sind sie zugedeckt worden; die Kirclie scheint dann vorzugs-
weise ornamental geschmiickt worden zu sein, und itn 19. Jahr-
hundert wurden alle malerischen Reste mit Ttinche iiberschmiert.
Die vollständige Ereilegung der neu gefundenen Malereien ist im
Werke.

Der 900. Jahrestag der Schlacht bei Stiklertad und des Todes
Olavs des Heiligen, den Norwegen in diesem Sommer begangen
hat, hat Anlaß zu einer Monumentalmalerei gegeben, durch die die
ansehnliche Reihe der Leistungen der modernen norwegischen
Kunst auf diesem Gebiete um eine neue bereichert wird. Alf

R o 1 f s e n , der sicli durch die Dekoration der Börse zu Bergen
als Monumentaler ausgewiesen hat, hat die kleine Kirche zu Stikle-
stad mit Wandgemälden ausgeschmtickt, die die Geschichte und
Legende Olavs in engem Anschlusse an die Sagaberichte zum
Motive haben. An der Nordwand ist der Abend vor der Schlacht
dargestellt; an der Altarwand thront Christus rnit Schwert und
Lilie in den Händen tiber dein Schlachtgettimmel; dic Südwand
zeigt Szenen aus Olavs legendarischer Apothcose. Dic Anordnung
läßt erkennen, daß Rolfsen hier seine Fresken um einen Mittclpunkt
fest zu gruppieren bestrebt war; sie bezcugen, daß sein Monu-
mentalstil seit den Bergenser Bildern weiter gereift ist.

Das Ereignis im Osloer Kunstleben bildete die Doppelaus-
stellung C h r i s t i a n und Por K r o h g. üewiß ist es etwas un-
gewöhnliches, daß eine Familie in zwei Generationen Künstler her-
vorbringt, die sich einen Platz in der ersten Reilie erobern, aber
wenn manche Kritiker sicli bemtiht liaben, auch künstlerisch eine
Traditionslinie von Vater zu Sohn zu ziehen, so ersclieint das
docli als ein Versucli mit untauglichen Mitteln. Denn die beiden
gehören sclion verschiedenen Welten an. Vater Christian, dessen
Werk die Ausstellung ausgezeichnet veranschaulichte, war ein
Mann von kraftvoller Vitalität, seinem Bekenntnisse nach Natu-
ralist, seinem Talente nach vor allem ein selir feinfühliger Kolorist;
der bekannte starke soziale Einschlag in seinem Werke sicliert
diesem eine nicht zu iibersehende Verbundenheit mit dem Leben
seiner Zeit. Solni Per aber, der übrigens kurz zuvor mit einer
Ausstellung in Stockholm einen großen Erfolg errungen hat, ist ein
Artist. Als Maler verfügt er iiber eine Viotuorität, die sozusagen
alles kann und darum nicht ungefährlich ist; er spielt mit seinem
Talente, gibt sich bald jungenhaft übermiitig, bald naiv, blufft aucli
zuweilen; heut glückt ihm ein Volltreffer, morgen verhaut er sich;
er ist zuweilen geistvoll, zuweilen geistreichelnd. Vielleicht fehlt
ihm zu einem wirklich großen Künstler nichts als ein gewisser
geistiges Sclnvergewicht, ein innerer Halt oder vielleicht noch
richtiger: ein sicherer Gehalt. Per Krohgs Ausstellungen sind
manchmal mit Zwischenfällen verbunden; der in Oslo war selir
amiisant. Er hat ein pompöses Bildnis des früheren norwegischen
Gesandten in Paris Wedel-Jasloberg gemalt, das man als eine geist-
reiche Parodie des Porträtstiles des Barocks bezeichnen kann. Bei
der Vorbesichtigung fiel dies Werk allgemein auf, aber der Ge-
sandte forderte alsbald seine Entfcrnung aus der Ausstellung.
Krohg malte darauf kurz entschlossen dem Kopfe einen Bart an
und zeigte es als Bildnis eines „Generals Castro“, dann aber zog
er das Bild selbst aus der Ausstellung zurück; iibrigens ist in-
zwischen der Bart auch wieder verschwunden und der exotische
General hat sicli in den norwegischen Diplomaten zurückver-
wandelt. Dies heitere Intermezzo hat der nordischen Presse und
dem Publikum viel Vergnügen bereitet — und eine bessere Reklame
kann sich ja kein Maler wtinschen.

KunfiaustfeUungcn.

Mitte Novernber eröffnete die Berliner Sezcssion
ilire Herbstausstellung. Von der älteren Generation der Mitglieder
■ sei zuerst Lesser U r y genannt, der auch diesmal ein Selbst-
porträt bringt, ebenso spriihend vor Vitalität wie das der Früh-
jahrsausstellung. Das Bild, in allen Abstufungen zwischen Schwarz
und Weiß gehalten, fesselt durcli den geistvollen Kopf der aus dem
Dunkel des Hintergrundes leuchtet. Dieses Werk des Berliner
Meisters hängt übrigens in der Secession als Leihgabe der Kunst-
sammlung der Jüdischen Gemeinde Berlin). Dann folgen die
schönen südfranzösischen Landschaften von Ericli K 1 o s s o w s k i,
von dem wir vor einiger Zeit eine Kollektivausstellung bei Hartberg
sahen, in ihrer gepflegten Malweise. S p i r o zeigt neben dem
ausgezeichneten Porträt von Staatsminister a. D. Becker zwei
delikate Landschaften, gleichfalls aus Siidfrankreich, das eine wich-
tige Rolle in der modernen Landschaftsmalerei spielt. Während

Klossowski die warme Buntheit seiner Vegetation wiedergibt, malt
Spiro mit Vorliebe die rosa, graugriinen und sandfarbenen Töne
der Straßen und Mauern in heller Sonne. Sehr stimmungsvoll ist
das „Morgengrauen“ von Pechstein, strakfarbig blau und
griin im aufdämmernden Licht. Unter den Landschaften der Aus-
stellung fielen ferner der in die fast farblose Helle der Luft hinein-
gezeichnete „Hafendamm“ von S c h ü 1 e i n , die Parklandschaft
von M e n k e s , die Hafenbilder W a s k e s in dem für ihn cha-
rakteristischen Violett auf. Interessant sind die „Drei Figuren
am Meer“ von Karl H o f e r. Breite Schattenkonturen modellieren
aus dem Grund von Himmel und Strand die drei menschlichen
Gestalten, die durch ihre Ueberschneidungen zugleich raumbildend
wirken. Der Realismus Rudolf Levys, ein wenig kühl, hat ein
sehr lebensvolles Herrenporträt geschaffen. Das Können von D i x
wird man bald iiber seinem Schwelgen im Gräßlichen vergessen.

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