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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

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1./2. Januarheft
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Junius, Wilhelm: Martin Luther's Grabmal in der Jenaer Stadtkirche: ein Beitrag zur Kenntnis unbekannter Luther-Bildnisse
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https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0150

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Wilhelm in der Jenaer Stadtkirche St. Michael zur Auf-
stellung gelangt. Jedenfalls haben Verhandlungen, die
bis jetzt aber nocli nicht von mir veröffentlicht worden
sind, zwischen dcn Söhnen des Kurfürsten Johann Fried-
rich und Kaiser Karl V. über die Herausgabe der Bronze-
platte stattgefunden, da Wittenberg dem Hause Johann
Friedrichs nach der unglücklichen Sclilacht von Mühl-
berg dauernd verloren blieb.

Die neu gegründete Universität Jena war als Hort
des Luthertnms an die Stelle der Wittenberger Hocli-
schule getreten. Wie ein äußeres Symbol hierfür wirkte
die Herausgabe der Grabplatte Luthers aus der Stätte
seiner einstigen Wirksamkeit und ihre Aufstellung in
Jena, der neuen Universitätsstadt.

Orabplatte Luthens in der Jenaer Stadt'kirche
Jörg Ziegler d. J., Erfurt 1548

Betrachten wir uns das Werk einrnai genauer;

In Lebensgröße steht der Reformator im falten-
reichen Predigergewande barhäuptig vor uns. Er hält
mit beiden Händen ein kleines, mit Schließen versehenes
Buch vor den Leib. Die Füße stecken in derben, sehr
breiten Schuhen, sogenannten „Kuhmäulern“, wie sie da-
mals um die Mitte des 16. Jahrhunderts Modc waren, als
alle Formen von der schmalen, schlanken Gotik sich in
die Breite zogen. Auch die ganze Gestalt ist durchaus
renaissancemäßig aufgefaßt, vermutlich geht sie wie die
Vischersche Grabplatte Friedrich des Weisen in Witten-
berg, auf einen Entwurf Lucas Cranachs3) zurück, oder
auf eine der zahlreichen Porträtfiguren Luthers, die in
Cranachs Werkstatt in Wittenberg entstanden. Das
Wappen Luthers: ein Kreuz auf einem Herzen, das auf
einem doppelten Kranze von Rosenblättern liegt, klingt
noch leise an die Gotik an, ist abcr in der Form des
Schildes durchaus renaissancemäßig. Die Inschrift end-
lich, die in Streifen sich um die Figur herumzieht, ist
klare Antiquaschrift, wie sie die Renaissance um die
Mitte des 16. Jahrhunderts anwandte.

Urn so unverständlicher ist es, daß bei der Restau-
rierung in dcn Jahren 1871-72 ein Gehäuse in gotischen
Formen gewählt worden ist, das durch seine Schwere
und seinen zwecklosen Reichtum die Formen des 16.
Jahrhunderts fast erdrückt. In dieser Beziehung hatte
die Zeit der ersten Aufstellung der Grabplatte, 1571-72,
viel besseres Verständnis bewiesen. Sie schuf einen
Rahmen um das Erzbild, der von zwei kräftigen Säulen
eingefaßt war. Oben darüber stieg ein dreieckiger Giebei
auf, mit Malerei geschmückt- Unten war das lateinische
Gedicht von Osius, das 1871 in neuer Schrift eingc-
schnitten werden mußte, gemalt und zwar auf einer von
Voluten eingeralnnten besonderen Tafel zu lesen. In
dieser charaktervollen Umrahmung ist das Grabmal auf
alten Abbildungen noch zu sehen, z. B. auf einern farbigen
Blatt im Jenaer Stadtmuseum, ebenso in der großen Wei-
marer Kurfürstenbibel und in Cristian Junckers „Ehren-
gedächtnis Lutheri“ vom Jahre 1706. Dieses frühere
Rahmengehäuse ist 1871 mit vernichtet worden, wie
alles, was man damals als „stylunecht“ in einer gotischen
Kirche empfand.

Ist die Grabplatte Luthers aucli kein hervorragendes
Kunstwerk, so hat doch das Antlitz etwas hervorragend
Packendes. Natürlich würde die Werkstatt Peter
Vischers in Nürnberg etwas Großzügigeres aus der
prachtvollen Aufgabe zu machen gewußt haben.

Der Frage, wo der Guß erfolgt ist, war man bisher
noch nicht nachgegangen. Aus dem Briefwechsel des iu
Gefangenschaft befindlichen Kurfürsten mit seinen
Söhnen ergibt sich nun, daß der Rotgießer Heinrich
Ziegler d. J. in Erfurt der Verfertiger ist. Er hat, wie die
noch erhaltene Zahlungsanweisung vom Jahre 1549 be-
sagt, siebzig Gulden „vor das gegossene Bilde Doctoris
Martini Luthers loblicher und seliger Gedechtnus Con-
trafei niit umgossener Schrift“ erhalten. Das war nicht

3) Vergl. Das Grabmal Friedrichs des Weisen (Kunstchronik
Nr. 32 vom 5. Mai 1922, S. 524).

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