Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

DOI Heft:
1./2. Januarheft
DOI Artikel:
Aus dem nordischen Kunstleben / Londoner Kunstschau / Kunstausstellungen / Kunstauktionen / Vom kunsthandel / Aus der Kunstwelt / Zur Deutung von Botticellis "La Derelitta" / Deutsche Werkkunst in New York / Die Dürer-Stiftung / Josef Hoffmann / Maurice Mikowski / Karl von Gontard / Negerplastik / Verkäuferschulung / Neue Kunstbücher
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0167

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
üinander, sein franizösisch geschnlter Klassizismus, der sich in
einem klaren Grundriß und in Reinigung der antiken Säulen-
ordnung darstellt, und seine unverwüstlich barocke Phantasie,
der die Architektur im wesentlichen ein Mittel reicher, innerlich
bedeutungsvoller Repräsentation ist, nicht Ausdruck gebundener
I3edürfniisse. Nocli unvermittelter 'spricht sich dieser barocke
Charakter seiner Kunst in don ganz köstlichen Kolonnaden aus,
die er für die Leipziger Straße (Spittelkolonnaden) und die König-
straße baute. Die Königskolonnaden sind von oiner kunstblinden
Gegenwart in den Kleistpark gestellt, sie sind wenigstens konser-
viert; die Spittelkolonnaden hat man d-urch lialbierung sinnlos
zerstört.

Der Abend seines Le'bens (er starb am 23. September 1791)
war nicht unfreundlich. Friedricli Wilhelm II. übertrug ihm den
Bau des Marmorpalais bei Potsdam und die Einrichtung der
Königskammern im Berliner Schloß. Aber se-ine Zeit w-ar vor-
iiber. Die strengeren Klassizisten, Gentz und Langhans, iiber-
flügelten ihn, und schon erschienen am Horizont die Männer der
neuen Zeit: Gilly und Schinkel.

P a u 1 F. S c h m 1 d t.

JSegerplaffih-

Don Annina RofentbaL

Bei der Versteigerung der Sammlung Hloucha (Internatio-
nales Kunst- und Auktions-Haus, Berlin) wurde zum ersten Mal
in Deutschland eine geschlossene Sammlung von Bildwerken aus
Afrika und Ozeanlen mitversteigert. In der Auktiori selbst, die
selir aufgeregt verlief, zeigte es sich, daß in Fachkreisen die Kunst
der Naturvölker sehr geschätzt wird. Bei der Vorbesichtigung
aber ließ sich bemerken, daß ein großer Teil des Publikums die-
sen Kunstwerken noch so verständnislos gegentibersteht wie vor
20 Jahren, ehe die Kunstwissenschaft begann, sich mit dem bis
dahin vernachläßigten Gebiet zu beschäftigen.

Diie Schwierigkeiten, die das unmittelbare Verständnis der
primitiven Kunst hindern, liegen hauptsächlich in der fremdartigen
und darum befremdenden Gestaltung des Menschen. Ein Teil
dieser Wirkutig ist schon dadurch zu erklären, daß eine uns fremde
Rasse dargestellt ist, deren Gesicihts- und Bewcgungsausdruck uns
grotesk erscheint. Abgesehen davon bestehen aber auch wirk-
liche Mißverhältnisse in der Darsteflung, z. B. ist oft der Kopf
sehr groß im Verihältnis zu den Beinen, oder irgetidwelche Teile
des Körpers, die dem Künstler gerade wesentlich erschienen, wer-
den in besonderem Maßstab ausgefi'thrt.

Dieses scheinbar Unzulängliche war die Ursache der allge-
meinen Mißachtung der primitiven Kunst im 19. Jahrhundert. Erst
die Kunstwissenschaft der letzten 20 Jahre lehrte eine neue Be-
trachtungsweise. Sie wies in den Bildwerken die ästhetischen
Gesetze nacli: die Einheit des Raums, die innere Geschlossenheit
und — alls eine Besonderheit der primitiven Kunst — das Gesetz
der Frontalität.

Auch das Vorurteil, daß die primitive Kunst handwerklich
unentwickelt und im Ausdruck einförmig sei, geriet durch die Ent-
deckung mannigfaltiger Kulturkreise ins Wanken. In Westafrika
wurde in Benin eine Jahrhunderte alte, hochentwickelte Bronze-
kunst aufgefunden, die sich vornehmlich, wie tiberhaupt der ganze
westafrikanische Kulturkreis, durch einen starken und lebhaften
Sinn ftir plastische Gestaltung auszeichnet. Hierdurch untersohei-
det sie sich von der nüchternen Kunst Ostafrikas und der mehr
malerischen, ornamentreichen und rauimauflösenden Formengebung
der ozeanischen Inselwelt.

Um aber die Kunst des Primitiven nicht nur formal, sondern
aucli inhaltlich bewerten zu können, ist es notwendig, sich klar
zu machen, daß man nicht mit unseren Voraussetzungen die
Geisteswelt des Primitiven verstehen kann. Unsere Logik wiirde
z. B. fordern, daß das Bildwerk eine „richtige“ Wiedergabe des
Dargestellten zeige; den Primitiven aber interessiert nicht die
Reproduktion als solche, sondern die Wiedergabe der Wirkung,
die auf ihn und seine Stammesgenossen von dem dargestellten
Objekt ausgeht. Das Bildwerk bleibt mystisch mit dem Objekt

verbunden, eine Bindung (Participation uach Leyy-'Bruhl), wie sie
z. B. zwischen dem Primitiven und dem Totemtier des Stammes
besteht.

Es würde hier zu weit ftiliren, genauer auf das Denken des
Primitiven einzugehen. Diese Ausfüihrungen begnügen sich darauf
hinzuweisen, daß diie Kunst des Primitiven eine in sich geschlossene
Einheit darstellt, die ihren eigeneu Wert besitzt neben der euro-
päischen Kunst und der Kunst anderer Weltteile. Der Wesens-
zug dieser Kunst ist, wic Vatter es ausdrückt, ein den Menschen
und das All zu einer tief empfundenen Einheit umschließendes
Weltgefühl.*)

Ueckäufct’ßbutung.

Die Württembergische Arbeit&gemeinschaft des Deutschen
Werkbundes ist an die Ministeriial-Abteilung für die Fachschulen
Württembergs mit dem Vorschlag herangetreten, ständige Facli-
kurse zur Schuhmg der Verkaufskräfte des Einzelhandels ein-
zurichten. Wir alle wissen, welche Macht der Verkäufer besitzt,
wie entscheidend für die Wahl des Käufers sein Verhalten, seine
Verkaufsteclmik und die Vermitthmg seiner Fachkenntnisse in
Eorm guter Ratschläge an den Kunden sind. Wir ibegriißen daher
diesen Vorschlag und wünsdhen nur, daß die Idee in die Tat um-
gesetzt wiird. Nachstehend veröffentlichen wir einen kurzen Aus-
zug aus der Eingabe des Deutschen Werkbundes:

„Die vorzusehenden Kurse solleu entsprechend der Speziali-
sierung einzelner Verkaufszweige naeh Materialien gruppiert wer-
den. Also z. B. Glas, Keramik, Metah, Holz, Textilien,
Leder usw.

Allerdings kommen iin praktischen Betrieb vielfach Ueber-
schneidungen vor, wie z. B. in Warenhäusern oder in Verkaufs-
gescihäften für Haushaltartikel u. a„ wo Gegenstände der verschie-
densten Materialien zum Verkauf stehen. Die Verkaufskräfte
solcher Geschäfte werden aber normalerweise immer nur in der
Abteilung verwendet, in der sie während ihrer Lehrzeit tätig
waren und entsprecher.de, rein praktische Verkaufserfahrungen
sammeln konnten.

Der Lehrgang iür jede einzelne der obengenannten Gruopen
v'ird zweckmäßig in nachstehender Reihenfolge vorgenommen:

1. M a t e r i a 1 k u n d e. Gewinnung des Rohstoffes; Erklä-
rung seiner spezifischen Eigenschaften und Verwer.dungsmögliich-
keiten.

2. T e c h n i k. Zweckvolle Verarbeitung des Materials; ei.e
zur Verarbeitung notwendigen Werkzeuge und Maschinen.

3. G e s t a 11 u n g. Dieses Thema ist am schwlerigsten zu
behandeln, da hier die Frage des persönlichen Geschmacks herein-
zuspielen beginnt und dainit die Gefahr unsachlicher und ganz
unfruchtbarer Auseinandersetzungen. Es empfiehlt sich ideshalb,
Vortrag und Anschauungsmaterial zunächst auf die Darstellung
der zweckmäßigen Form zu beschränken und die Mögliclhkeiten
reicherer Gestaltung nur an Hand weniger sehr instruktiver und
einwandfreier Modelle zu streifeu.

4. 0 b e r f 1 ä c h e n b e h a n d 1 u n g , Bemusterung.
Auch hier beschränkt man sich am besten auf einfache Beispiele
und Muster, die möglichst rein aus der Technik und de-m Ge-
brauchszweck entwickelt werden, ohne sich viel auf exzeptionelle
künstlerische Leist-ungen einzulassen. In diesetn Zusammenhang
ist auf Wert und Unwert des „Modischen“ näher einzugehen.

5. F a r b e. Fiir dieses Gebiet liegen als Grundlage die aus-
gezeichneten Untersuchungen von Professor Dr. Hölzel vor, die
jedoch einer besonderen Bearbeitung ftir die vorliegenden Zwecke
bedürifen.

Die Kurse haben sich vorwiegend auf sorgfältig aus-gesuchtes
Anschauungsmaterial und theoretisch einwandfreie textlic-he Unter-

*) Die wichtigste Literatur zur Negerplastik sind die Werke
von v. Luschan, Einstein, v. Sydow und Vatter. Unentbehrlich
zur Kenntnis des Geistes der Primitiven ist das Buch von Levy-
Bruhl: „Das Detiken der Naturvölker“.

155
 
Annotationen