zu besitzen, hin und wieder siedelt sicl] jemand wirk-
lich dort an, aber nur er konnte auf die Idee verfallen,
in Yenedig zu bauen, das erstarrte Antlitz dieser Stadt
zu verändern. Der romantische Gedanke wurde nicht
verwirklicht, der Stumpf des Palastes steht, wird
stehen wie ein Denkmal für den phantasievollen
Kunstfreund und Symbol für sein Schicksal.
blerr von Nemes war 1866 in Ungarn zur Welt ge-
kommen und ist in Ungarn gestorben. Treue und An-
hänglichkeit hat er cler Heimat stets bewahrt und
mäzenatenhafte Beziehungen gepflegt zu Künstlern
seines Landes. Früh und oft kam er nacli Deutsch-
lancl, bewegte sich liier mit Sicherheit und siedelte
sich schließlich in München an. Diese Stadt sagte ihm
zu mit Luft und Licht, mit unfesten, unbürgerlichen
Gesellschaftsformen und dem traditionellen Respekt
vor der Kunst, ohne daß ihn die zweite Heimat von
nomadenhafter Unrast erlöste.
Ich liabe diesen Sammler gekannt, mich oft erfrischt
an seiner arglosen und kraftvollen Natur, stets ge-
staunt über sein unbeirrbares Urteil, das nicht aus
Buchwissen tröpfelte, sondern aus dem Blickerlebnis
hervorbrach. Ich glaube auch um die Richtung seines
Geschmacks zu wissen. Alles Weiträumige, stark und
gesund Gewachsene zog ihn an, das verschwenderisch
Strömende, die farbige Qualität und die schimmernde
J’extur, nicht so sehr das Konstruktive, Gemessene,
Geregelte und Geprägte.
Wenn Herr von Nemes durch seine hellen, groß-
artigen und unwohnlichen Miinchener Räume führte
und mit liebenswürdig naivem Stolz seine Schätze
zeigte, sparte er sich als die letzte Sensation den In-
halt zweier Schränke auf und verweilte am längsten
bei den Stoffen, den Samten und Brokaten, die er mit
schwungvollen Griffen den Schränken entriß und in
der Sonne funkeln ließ. Oline viel Worte zu machen,
mit Naturlauten iibertrug er seine Begeisterung auf
empfängliche Gäste. In dieseni Besitze fühlte er sich
als souveräner Ilerrscher, frei von der Sorge um Autor-
schaft, Meister.namen und Expertisen. Als Knabe, in
Ungarn, ehe daß er etwas von Tizian oder Greco er-
fahren hatte, griff er instinktiv nach schönfarbigen
Geweben. Yon diesem Schatze, den er stetig be-
reicherte, haben die Stürme des Lebens ihm nichts
entreißen können. In diesem engen Bezirke kam er
dazu, sein Ideal zu verwirklichen. Ein Stück alten
Samtes war fiir ihn absolute, von gedanklichen Be-
ziehungen gelöste Schönheit. Einen so veranlagfen
Kunstfreund f'esselten Bildwerke zuallererst mit der
Farbe, dem Spiele des Lichtes auf der Oberfläche.
Wenn unter den Skulpturen in seinem Nachlaß siid-
deutsche Holzfiguren aus dem 15. und 16. Jahrhundert
überwiegen, so haben die Gelegenheiten des Münch-
ner Kunsthandels ihm diese Dinge nahegebracht. An-
gezogep liaben ihn die Figuren und Gruppen mit der
alten Yergoldung und dem fragmentarischen Zustand,
in dem sie, dem ursprünglichen Zusammenhang ent-
rissen, seine Phantasie bewegten und anregten.
Indem ich den Katalog der Gemälde durchsehe,
staune ich iiber die universelle Vielseitigkeit, über
eine historisch gerichtete Objektivität, die diesem im-
pulsiven Fnthusiasten nicht anzustehen scheint.
Das italienische Trecento ist vertreten, das floren-
tinische Quattrocento — mit so kostbaren Tafeln wie
(lie Werke von I ra Angelico. Altdeutsche Bildnisse
felden niclit, dabei der Männerkopf von Dürer, ein
Gegenstand von äußerster Seltenheit, wie ein Porträt
von Lucas Cranach. Von den altniederländischen
Bildern zielit die Aufmerksamkeit auf sich die Be-
weinung Christi von jan Provost. Rubens, dessen ele-
mentare Lebenskraft dem Temperamente dieses
Sammlers gemäß war, ist mit einem stattlichen Werke
repräsentiert.
Die Holländer des 17. Jahrhunderts, die in den
meisten Privatsammlungen quantitativ überwiegen,
nehmen hier verhältnismäßig wenig Platz ein, da das
Besehauliche, Umfriedete und Bürgerliche Herrn von
Nemes nicht zu verführen vermochte. Immerhin fin-
den wir einen vortrefflichen „Pieter de Hoogh“ und
manches andere von den kleineren und mittleren Hol-
ländern. Yon den Großen, von Frans Hals und Rem-
brandt, etwas zu besitzen, ist diesem Sammler stets
Bedürfnis und beinahe Pflicht gewesen.
L ber das imposante Werk von Rembrandt, den „Fa-
bius Maximus“ hat man viel geschrieben, seitdem es
vor etwa 25 jahren in einem britischen Landhause
zum Vorschein gekommen ist. Das Beste hat Schmidt-
De gener gesagt. Dem Thema, der Aufgabe nach ein-
zigartig unter den erhaltenen Schöpfungen, überrascht
dieses Gemälde selbst den, der mit Rembrandts Kunst
in allen ihren Wandlungen und Yerzweigungen ver-
traut zu sein glaubt. Mit grandiosem Aufbau, mit
Fiille und Dichtigkeit, dem reif gewordenen Hell-
dunkel Pathos abgewinnend, hat der Meister das
Heroische der römischen Historie ausgedrückt.
Die Gemälde in diesem Kataloge sind mit wissen-
schaftlichem Ernste beschrieben uud „bestimmt“. Die
schwerste Arbeit fiel dem italienischen Gelehrten Lio-
nello Yenturi zu, der die Urteile, hin und wieder auch
die Meinungsverschiedenheiten, in bezug auf die ita-
lienischen Tafeln aufs sorgfältigste gebucht hat. Un-
gewohnte Malernamen werden laut neben bekannten,
mit deren Klang Rulun und allgemein verbreitete An-
schauung verbunden sind. Ehemals waren es wenige,
zumeist deutsche und italienische Autoritäten, die das
Material ordneten; der Kreis der in die Betrachtung
gezogenen Werke hat sich erweitert, die Zahl der
darüber urteilenden Gelehrten vergrößert, und das
spezialisierte Studium hat ungeahnte Erfolge erzielt.
Freilich ist auch etwas Verwirrung eingebrochen. Die
Wahrheit wird sicli ergeben aus dem Streite der
Kenuer, nicht aus einem Kampfe gegen die Kenner.
Der einsichtige Sammler wird den Kunstwert vor-
urteilslos messen und wägen — gerade in den I ällen,
in denen die Namen ihm wenig sagen oder unsicher
ausgesprochen werden.
Yenedig hat durch vier Jahrhunderte als ein unver-
gleichlich fruchtbarer Boden große Maler hervorge-
bracht. Die zeitweilig vom Orient her angewehte
lich dort an, aber nur er konnte auf die Idee verfallen,
in Yenedig zu bauen, das erstarrte Antlitz dieser Stadt
zu verändern. Der romantische Gedanke wurde nicht
verwirklicht, der Stumpf des Palastes steht, wird
stehen wie ein Denkmal für den phantasievollen
Kunstfreund und Symbol für sein Schicksal.
blerr von Nemes war 1866 in Ungarn zur Welt ge-
kommen und ist in Ungarn gestorben. Treue und An-
hänglichkeit hat er cler Heimat stets bewahrt und
mäzenatenhafte Beziehungen gepflegt zu Künstlern
seines Landes. Früh und oft kam er nacli Deutsch-
lancl, bewegte sich liier mit Sicherheit und siedelte
sich schließlich in München an. Diese Stadt sagte ihm
zu mit Luft und Licht, mit unfesten, unbürgerlichen
Gesellschaftsformen und dem traditionellen Respekt
vor der Kunst, ohne daß ihn die zweite Heimat von
nomadenhafter Unrast erlöste.
Ich liabe diesen Sammler gekannt, mich oft erfrischt
an seiner arglosen und kraftvollen Natur, stets ge-
staunt über sein unbeirrbares Urteil, das nicht aus
Buchwissen tröpfelte, sondern aus dem Blickerlebnis
hervorbrach. Ich glaube auch um die Richtung seines
Geschmacks zu wissen. Alles Weiträumige, stark und
gesund Gewachsene zog ihn an, das verschwenderisch
Strömende, die farbige Qualität und die schimmernde
J’extur, nicht so sehr das Konstruktive, Gemessene,
Geregelte und Geprägte.
Wenn Herr von Nemes durch seine hellen, groß-
artigen und unwohnlichen Miinchener Räume führte
und mit liebenswürdig naivem Stolz seine Schätze
zeigte, sparte er sich als die letzte Sensation den In-
halt zweier Schränke auf und verweilte am längsten
bei den Stoffen, den Samten und Brokaten, die er mit
schwungvollen Griffen den Schränken entriß und in
der Sonne funkeln ließ. Oline viel Worte zu machen,
mit Naturlauten iibertrug er seine Begeisterung auf
empfängliche Gäste. In dieseni Besitze fühlte er sich
als souveräner Ilerrscher, frei von der Sorge um Autor-
schaft, Meister.namen und Expertisen. Als Knabe, in
Ungarn, ehe daß er etwas von Tizian oder Greco er-
fahren hatte, griff er instinktiv nach schönfarbigen
Geweben. Yon diesem Schatze, den er stetig be-
reicherte, haben die Stürme des Lebens ihm nichts
entreißen können. In diesem engen Bezirke kam er
dazu, sein Ideal zu verwirklichen. Ein Stück alten
Samtes war fiir ihn absolute, von gedanklichen Be-
ziehungen gelöste Schönheit. Einen so veranlagfen
Kunstfreund f'esselten Bildwerke zuallererst mit der
Farbe, dem Spiele des Lichtes auf der Oberfläche.
Wenn unter den Skulpturen in seinem Nachlaß siid-
deutsche Holzfiguren aus dem 15. und 16. Jahrhundert
überwiegen, so haben die Gelegenheiten des Münch-
ner Kunsthandels ihm diese Dinge nahegebracht. An-
gezogep liaben ihn die Figuren und Gruppen mit der
alten Yergoldung und dem fragmentarischen Zustand,
in dem sie, dem ursprünglichen Zusammenhang ent-
rissen, seine Phantasie bewegten und anregten.
Indem ich den Katalog der Gemälde durchsehe,
staune ich iiber die universelle Vielseitigkeit, über
eine historisch gerichtete Objektivität, die diesem im-
pulsiven Fnthusiasten nicht anzustehen scheint.
Das italienische Trecento ist vertreten, das floren-
tinische Quattrocento — mit so kostbaren Tafeln wie
(lie Werke von I ra Angelico. Altdeutsche Bildnisse
felden niclit, dabei der Männerkopf von Dürer, ein
Gegenstand von äußerster Seltenheit, wie ein Porträt
von Lucas Cranach. Von den altniederländischen
Bildern zielit die Aufmerksamkeit auf sich die Be-
weinung Christi von jan Provost. Rubens, dessen ele-
mentare Lebenskraft dem Temperamente dieses
Sammlers gemäß war, ist mit einem stattlichen Werke
repräsentiert.
Die Holländer des 17. Jahrhunderts, die in den
meisten Privatsammlungen quantitativ überwiegen,
nehmen hier verhältnismäßig wenig Platz ein, da das
Besehauliche, Umfriedete und Bürgerliche Herrn von
Nemes nicht zu verführen vermochte. Immerhin fin-
den wir einen vortrefflichen „Pieter de Hoogh“ und
manches andere von den kleineren und mittleren Hol-
ländern. Yon den Großen, von Frans Hals und Rem-
brandt, etwas zu besitzen, ist diesem Sammler stets
Bedürfnis und beinahe Pflicht gewesen.
L ber das imposante Werk von Rembrandt, den „Fa-
bius Maximus“ hat man viel geschrieben, seitdem es
vor etwa 25 jahren in einem britischen Landhause
zum Vorschein gekommen ist. Das Beste hat Schmidt-
De gener gesagt. Dem Thema, der Aufgabe nach ein-
zigartig unter den erhaltenen Schöpfungen, überrascht
dieses Gemälde selbst den, der mit Rembrandts Kunst
in allen ihren Wandlungen und Yerzweigungen ver-
traut zu sein glaubt. Mit grandiosem Aufbau, mit
Fiille und Dichtigkeit, dem reif gewordenen Hell-
dunkel Pathos abgewinnend, hat der Meister das
Heroische der römischen Historie ausgedrückt.
Die Gemälde in diesem Kataloge sind mit wissen-
schaftlichem Ernste beschrieben uud „bestimmt“. Die
schwerste Arbeit fiel dem italienischen Gelehrten Lio-
nello Yenturi zu, der die Urteile, hin und wieder auch
die Meinungsverschiedenheiten, in bezug auf die ita-
lienischen Tafeln aufs sorgfältigste gebucht hat. Un-
gewohnte Malernamen werden laut neben bekannten,
mit deren Klang Rulun und allgemein verbreitete An-
schauung verbunden sind. Ehemals waren es wenige,
zumeist deutsche und italienische Autoritäten, die das
Material ordneten; der Kreis der in die Betrachtung
gezogenen Werke hat sich erweitert, die Zahl der
darüber urteilenden Gelehrten vergrößert, und das
spezialisierte Studium hat ungeahnte Erfolge erzielt.
Freilich ist auch etwas Verwirrung eingebrochen. Die
Wahrheit wird sicli ergeben aus dem Streite der
Kenuer, nicht aus einem Kampfe gegen die Kenner.
Der einsichtige Sammler wird den Kunstwert vor-
urteilslos messen und wägen — gerade in den I ällen,
in denen die Namen ihm wenig sagen oder unsicher
ausgesprochen werden.
Yenedig hat durch vier Jahrhunderte als ein unver-
gleichlich fruchtbarer Boden große Maler hervorge-
bracht. Die zeitweilig vom Orient her angewehte