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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

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Juniheft
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Luz, W. A.: Die neue Kunst der Stuttgarter Sammlung Borst
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https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0314

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und gesellschaftlichen Rivalen in gleicher Richtung
tätig waren. Wenn man frülier Wert darauf gelegt
liatte, das zu zeigen, was man unter Aufwand von
großen Mitteln zusammengebracht liatte, so tritt heute
die Neigung auf, das Erworbene sicli und dem engeren
Freundeskreis vorzubehalten. So schätzbar eine solche
Maßnahme ist, wenn sie aus innerer Teilnahme am
Kunstwerk erfolgt, so bedauerlich bleibt der Aus-
sclduß der öffentlichkeit. Aus Gründen mannigfacher
Art scheint die Mehrzahl der europäischen Sammler
ihre Tätigkeit unter dem Aktenzeichen „Geheim und
streng vertraulich“ auszuüben.

Um so erstaunlicher ist es daher, daß in Deutsch-
land ein Privatmann den intimen Galerieanbau an
sein Haus dem Publikum zum Besuch öffnet. Hugo
Borst, Stuttgart, hat seine Sammlung von Werken der
zeitgenössischen Malerei in diesen Tagen quasi der
öffentlichkeit iibergeben. Man kann im Hause „Sonn-
halde“ zur festgesetzten Besuchsstunde eintreten wie
in eine öffentliche Gemäldesammlung. Man wird dort
den hochgewachsenen, breitschultrigen Hausherrn be-
grüßen und mit ihm durch die Räume gehen, die Pro-
fessor Ernst Wagner in kluger Ausnutzung des ab-
fallenden Geländes errichtet hat. Schönes, silberhelles
Tageslicht flutet durch die Oberlichtfenster herein und
erreicht die Bilder tatsächlich, wogegen es viele iiber-
liolie Räume in öffentlichen Sammlungen gibt, in
denen die Lichtstrahlen nur an den hellsten Sommer-
tagen zur Bodenschicht liinabgelangen können, wo die
Bilder aufgehängt sind. Man hat die Wände mit
pastellartigen Farben getönt, die so diskret sind, daß
sie nur zur Begleitung fiir das Kolorit der Kunstwerke
anklingen. Auch fiir künstliche Beleuchtung ist durch
umlaufende Lichtröhren und matte Glaslampen ge-
sorgt. Es herscht in den Sammlungssälen, die durch
eingefügte Stufen sowie durch Richtungsänderung
gegeneinander abgesetzt sind, eine wohlige Atmo-
sphäre der Klarheit und Orclnung. Es ist ganz selbst-
verständlich, daß die Bilder, die in Ausnutzung des
Raumes gelegentlich übereinander erscheinen und in
ihrer Gesamtheit ein ruhiges, in glcieher Breite den
Raum umlaufendes Band darstellen, gegeneinander
nach Eormat und Farbton auf das feinste ausgewogen
sind. lu der Hängung wird Bezug genommen auf die
wenigen Sitzmöbel und I ische, deren Achsen durch
größere Gemälde oder Skulpturen betont werden.
Jeder Prunk von Samtbespannungen und überreichen
Teppichgarnituren ist vermieden. Die Yerwendung
von Scheinwerfern, von denen die Kunstgegenstände
angestrahlt werden, schien dem Bauherrn uncl dcm
Architekten cine unerlaubte Maßnahme, da sie die
Bilcler zu Effektstücken gemacht hätten.

Hugo Borst und Frau Martha sagen es schlicht in
dem Vorwort des kleinen Kataloges, der zur Eröffnung

erschienen isi (Vorwort von Wolfgang Pleiderer). Sie
haben auf Grund ihres freundschaftlichen Verkehrs
mit Künstlern angefangen, Bilder zu kaufen. Vom
Kreis der Stuttgarter Sezession haben sie ihr fnter-
essengebiet ausgedehnt auf die Schweiz und schließ-
lich auch auf die französische Kunst, unter deren Ein-
fluß beide standen. Hierbei war maßgebend der Ge-
danke, daß dureh ein solches Verfahren auch Werke
von Künstlern nach Stuttgart kornmen sollten, die bis-

Paula Modersohn-Becker / Kind mit Katze

her nicht in der Staatlichen Gemäldegalerie vertreten
waren. Sie sollen nach dem Willen des Sammlers
jungen Künstlern die Kenntnis von großen Malern
vermitteln, zu deren Genuß sie erst naeh langen und
kostspieligen Reisen ins Ausland kommen könnten.

Hugo Borst und seine Gattin haben diese Sammlung
bewußt als Vorbild für andere Kunstfreunde ge-
schaffen. Sie wollten damit zeigen, daß man auch die
vielfach noch abgelehnten, ja häufig geschmähten
Werke der Lebenden sammeln kann. „Dazu möchten
wir möglichst viele anregen, ein Gleiches zu tun und
unsere hartringenden Ktinstler in ihrem Mlihen, un-
serer gegenwärtigen Zeit der Gärung mit ihren Mitteln
Ausdruck zu verleihen, dnrch Ankäufe zil fördern.“
 
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