clie anderen sitzen: „Es war selir behaglicli in der
warmen Rotonde. Bei einer Lasse Kaffee nnd einem
Hörnchen konnte man den ganzen Tag bleiben, Zei-
tungen aus aller Herren Länder lesen, Gescliicliten
lauschen, die von einem Ende des Saales bis zum an-
deren erzählt wurden, wo Kharis in der Pose eines
Ibes mit einem Turban saB, bis zum Fenster, das
einige Dänen in orangefarbigen, rosa und grauen Ilem-
den mit Beschl-ag belegt hatten. Um den Ofen lierum
drängten sicii die Russen, sclion in verscliiedene kleine
Gruppen geteilt, aber weniger durch politische Mei-
nungen oder durch ilire Herkunft getrennt, als daß
die einen nicht zwölf Sous hatten, um ihre Tasse
Kaffee bezahlen zu können uncl die anderen als Agen-
ten für irgendwelche Reklame, als Impresarien,
Schachspieler in den Akademien etwas verdienten
und sicli fiir mehr Iiielten. Die dritte Kategorie waren
die Juden, die vor sich hinträumten, aus deren fiebrig
glänzenden Augen Auflehnung und Hoffnung leuch-
teten.“ Oder Foujita wircl geschildert, wie er in seinem
sauberen und behaglichen Atelier, zu dem er eine
Remise umgestaltet liat, lebt, dann der Mexikaner
Zarraga, der in einer spanischen Mönchskutte arbeitet,
ganz Europa kennt und viel zum Ruhrn des Greco
getan lmt. Modrulleau diskutiert mit ihm, uncl er wird
von Zarraga gründlich iiber den Kubismus aufgeklärt:
„Der Kubismus mußte an sicli selbst zugrunde gehen.
Er ist tot, weil es keinen grofien Kubisten gegeben
hat. Mit den Theorien ist man in eine Sackgasse ge-
raten. Lotlie und Metzinger haben sich davongemacht,
Braque wußte nicht aus noch ein, Picasso ist eben
iiber die Mauer gesprungen. Übrigens sieh dir seine
sogenannten lcubistischen Malereien an. Flächen! So
eigensinnig Braque ist, bleibt er gleichmäßig und hat
unendliche Zartheiten in seinen Kühnheiten. Picasso?
Sein Ruhm ist selbstverständlich. Es gibt keinen Maler
imserer Generation, der ihm nicht etwas zu verdanken
hat. Ein boshafter Mensch hat gesagt, daß seine Wefke
an einen garnierten Hut erinnern, dessen Feliler man
durch eine Rosette, ein längeres oder kürzeres Band
zu bemänteln versuclit. Darum bleiben seine AVerke
docli Meisterwerke des Gleichgewichts, aber aus In-
tuition, aus Zufall.“ Und Modrulleau kommt wieder
auf seinen geliebten Raffael, doch Zarraga ist mehr
für Michelangelo und Delacroix. „SignoreJIi, Mic-hel-
angelo, oline die Raffael nicht gewesen wäre und
später Delacroix, Courbet, Chasseriau, Seurat. Ach,
Avas hätten die erreicht, wenn sie die ungeahnten
Möglichkeiten des Kubismus gekannt hätten!“
Also doch nur Kunsttheorie in Romanform gepreßt?
Nein, Michel Georges-Michel ist kltiger. Er schöpft ja
nicht das Dasein Modiglianis aus, das an sich schon
romanhaft ist, er gibt das Alilieu, in dem dieser selt-
same und begnadete Menscli Iel>te und wirkte, er
scliildert mit innerer Spannung Leben, Sehnsüchte,
Kämpfe und Elend der Kiinstler von Montparnasse.
Jacopo de Barbari
Bildnis des
Markgrafen Albert
von Brandenburg
1508
Ausstellung
Altvenezianischer
Malerei bei
Julius Böhler,
München
334
warmen Rotonde. Bei einer Lasse Kaffee nnd einem
Hörnchen konnte man den ganzen Tag bleiben, Zei-
tungen aus aller Herren Länder lesen, Gescliicliten
lauschen, die von einem Ende des Saales bis zum an-
deren erzählt wurden, wo Kharis in der Pose eines
Ibes mit einem Turban saB, bis zum Fenster, das
einige Dänen in orangefarbigen, rosa und grauen Ilem-
den mit Beschl-ag belegt hatten. Um den Ofen lierum
drängten sicii die Russen, sclion in verscliiedene kleine
Gruppen geteilt, aber weniger durch politische Mei-
nungen oder durch ilire Herkunft getrennt, als daß
die einen nicht zwölf Sous hatten, um ihre Tasse
Kaffee bezahlen zu können uncl die anderen als Agen-
ten für irgendwelche Reklame, als Impresarien,
Schachspieler in den Akademien etwas verdienten
und sicli fiir mehr Iiielten. Die dritte Kategorie waren
die Juden, die vor sich hinträumten, aus deren fiebrig
glänzenden Augen Auflehnung und Hoffnung leuch-
teten.“ Oder Foujita wircl geschildert, wie er in seinem
sauberen und behaglichen Atelier, zu dem er eine
Remise umgestaltet liat, lebt, dann der Mexikaner
Zarraga, der in einer spanischen Mönchskutte arbeitet,
ganz Europa kennt und viel zum Ruhrn des Greco
getan lmt. Modrulleau diskutiert mit ihm, uncl er wird
von Zarraga gründlich iiber den Kubismus aufgeklärt:
„Der Kubismus mußte an sicli selbst zugrunde gehen.
Er ist tot, weil es keinen grofien Kubisten gegeben
hat. Mit den Theorien ist man in eine Sackgasse ge-
raten. Lotlie und Metzinger haben sich davongemacht,
Braque wußte nicht aus noch ein, Picasso ist eben
iiber die Mauer gesprungen. Übrigens sieh dir seine
sogenannten lcubistischen Malereien an. Flächen! So
eigensinnig Braque ist, bleibt er gleichmäßig und hat
unendliche Zartheiten in seinen Kühnheiten. Picasso?
Sein Ruhm ist selbstverständlich. Es gibt keinen Maler
imserer Generation, der ihm nicht etwas zu verdanken
hat. Ein boshafter Mensch hat gesagt, daß seine Wefke
an einen garnierten Hut erinnern, dessen Feliler man
durch eine Rosette, ein längeres oder kürzeres Band
zu bemänteln versuclit. Darum bleiben seine AVerke
docli Meisterwerke des Gleichgewichts, aber aus In-
tuition, aus Zufall.“ Und Modrulleau kommt wieder
auf seinen geliebten Raffael, doch Zarraga ist mehr
für Michelangelo und Delacroix. „SignoreJIi, Mic-hel-
angelo, oline die Raffael nicht gewesen wäre und
später Delacroix, Courbet, Chasseriau, Seurat. Ach,
Avas hätten die erreicht, wenn sie die ungeahnten
Möglichkeiten des Kubismus gekannt hätten!“
Also doch nur Kunsttheorie in Romanform gepreßt?
Nein, Michel Georges-Michel ist kltiger. Er schöpft ja
nicht das Dasein Modiglianis aus, das an sich schon
romanhaft ist, er gibt das Alilieu, in dem dieser selt-
same und begnadete Menscli Iel>te und wirkte, er
scliildert mit innerer Spannung Leben, Sehnsüchte,
Kämpfe und Elend der Kiinstler von Montparnasse.
Jacopo de Barbari
Bildnis des
Markgrafen Albert
von Brandenburg
1508
Ausstellung
Altvenezianischer
Malerei bei
Julius Böhler,
München
334