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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 10.1896-1897

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Heft 7
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Der Städtebau heut und ehedem
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Rundschau
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schcmbar gerader Liuien, die durch gcuaue Messuugeu
als regelmäßig wiederkehreude inühsame Arbeit keuut-
lich gemordeu siud. Das bloße Auge erkeuut sie
uicht, aber es empsiudet sie uud zwar als eiue
sreie organische Belebuug des Starreu: sie siud Be-
weise sür höchste küustlerische Feiusühligkeit derer, die da
bauteu. Diese Leute, d i e Leute zugleich, dereu Foreu
uus uoch aus deu Rekoustruktioueu so herrlich erscheiucu
- sie hätteu ihre uuregelmäßige Bauart gauz ohue Ver-
staud geübt? Uud das Mittelalter, das immer uoch
ähulicher ihueu baute, als uus, uud die Reuais-
sauee, die .bewußt iu ihrem Siuue zu baueu strebtc,
sie hätteu uur durch Zusall all das Malerischc er-
reicht, das uus uoch in deu Resteu eutzückt? Es
lohute sich doch, dem uäher nachzusorscheu. llud seit
maus gethan, hat mau huuderte von Bcispieleu aus-
gefuudeu, die klar beweiseu: uicht blödes Tappeu
uud auch uicht uur „historische Eutwickluug" leiteteu
uusre Alteu uebeu dem Bedürsuis bei ihrem Baueu,
soudcru auch eiue gutc küustlerische Ucberlieferuug und
helläugiges llmherschaueu, was da uud was dort wohl
das Rechte sei.

Solleu ivir uuu deu Alteu ablerueu, ivas sie
kouuteu, uud es uachmachcu? Lerncn solleu wir vou

ihueu, ohue weiteres uachmacheu sollen wir nicht.
Deuu uusere Bedürsuisse siud ja iu sehr vielem andere
gewordeu. Die festeu Maueru uud Türme sind ge-
sprengt, uud wo uoch Festuugen stehen, müsseu sie
sich gar sehr auders einrichteu, als die von einst.
Der Marktplatz ist uirgeuds mehr, was er war; mnu
trisft sich uicht dort mehr, mau thuts in Bier- uud
Kaffeehäuseru, Konzertsälen, Theateru, uud seit das
Wasser uicht mehr am Marktbrünnleiu bloß, souderu
uebeu dem Herde sprudelt, klatscht man start am
Eimer beim dampfendeu Trauke Mokkas. Es ließen
sich uoch eiue Meuge von Punkteu bezeichuen, wo das
Bedürsuis sich grüudlich veräudert hat. Bor allem
aber siud zwei große, große Diuge ganz etwas ande-
res, als sie ehedem wareu: Verkehr und Hygieue.

So thöricht aber ist keiuer der Leute, die, wie
vor alleu Camillo Sitte uud Karl Heurici, zum
Kampf gegeu uuser heutiges Gebau unter die
Fahucu ruseu, daß er mit dieseu Beränderuugeu nicht
rechuete. Ju eiuem bald solgeudeu zweiten Aufsatz
wolleu wir sie die Frage beautworteu lasseu: Wie
sollten wir Straßeu uud Plätze bauen, wie könueu
wir's, daß sie schöu uud behaglich werdeu ohue au
Zweckmäßigkeit eiu Titelcheu zu verliereu?

NUNd

Dicdtunci.

* Scböue Literatur.

? ie Poggeux uh ls. Romau vou Theodor Foutaue.
sBerliu, F. Foutaue L Co-, Mk. 2.—.)

Es ließe sich sehr darüber streiteu, ob dieses kleiue
Buch die Bezeichuuug „Romau" zu Rechr rrägt, aber au
küustlerischer Feiuarbeit ist es zum Eutzückeu reich. Weder
vou Komposition uoch auch vou Haudluug ist uiel dariu,
selbst eiue „Geschichtc" briugts eigeutlich gar uicht: ivir
guckeu durchs Schlüsselloch der Famitie der Poggeu vou
Poggenpuhl zu, wie sie ein paar Wocheu verbringt, und
lernen dabei diese braven armen Leute voin Adel, die
Witwe, die Töchter, den Sohn, den Onkel und die Tante
kennen — das ist alles! Ach, es ist ja so viel, deun
ivir lernen sie eben wirklich kennen, kennen, daß wir
nach den wenigen Seiten schließlich meinen, wir müßten
doch eigentlich schon Zahre lang mit ihnen verkehrt habeu.

Denn diese Schilderungen sind mit einer dichterischen
Krast gegeben — — ich will es gestehen: mir hat in dieser
Beziehung Fontane kaum jemals so imponiert, wie hier,
und das will etwas heißen. Selbst die Portierssamilie,
die uns nur mit einem Momentbild gezeigt wird, selbst
die gebildete Jüdin Flora Bartenstein, die wir nur mit
je zwei Worten gelegentlich erwähneu hören, sie leiben und
lcben vor uns — von der lieben alten Mutter, dem präch-
tigeu Snkel General, den verschiedenartigen drei Töchtern
und zwei Söhnen ganz zu schweigeu. Ein Dcnkmal des
ihm so ans Herz gewachsenen preußischen Adels hat Fon-

s cl) A u.

tane hier errichtet, wie es in der Welt von Tinte und
Feder kein schöneres gibt. Das Kunstmittel aber, das der
alte Meister zu einer Vollkommenheit ausgebildet hat, daß
jeder audere allerhöchsteus Geselle schciut nebeu ihm, das
ist der Dialog. An manchen Stellen wird mau ganz un-
willkürlich zum Schauspieler uud liest laut, so entzückt
eineu diese vollkommene Anschaulichkeit der Gespräche,
diese ebenso anmutige wie tiesblickende Charakterisierkunst
durch Rede uud GegeNrede, dieses Behagen und diese
Munterkeit. A.

Gedichte von Emanuel Geibel. Aus dem Nachlaß.
lStuttgart, Z. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachsolger.)

Man kann durchaus nicht erklären, daß dieser Band aus
dem Nachlaß hauptsächlich „Abfall" brüchte; er enthält
im Gegenteil zum weitaus größeren Teile Gedichte, die
vor zwanzig Jahren die gesamte Kritik als reise und schwere
Aehren angenommen hätte, und die noch heute sehr viele
Leser ersreucn werdeu. Mit llurecht? Das möchte ich auch
uicht sagen; ein Mann, dem das Herz so warm für
alles schlug, was er einmal als Zdcal erkannte, kein sehr
bsdeutender, aber ein vornehmer und guter Mensch wie
Geibel, dem die Worte immer ehrlich waren, verdient
geknnnt, geachtct und geliebt zu werden. Aber d as gesteh
ich unumwuudcn: weun ich Geibel je sür einen starken
Künstler gehalten habe, so verstehe ich das nur mehr
durch eiu Dutzeud seiner Gedichte, das die Höhe seiues iu
ernster Selbsterziehung gesteigerten Schaffens bedeutet, in
diesem Bande aber erweist es uichts. Merkwürdig ins-
besoudere, wie ost mau hier au M endelss 0 hn erinnert
 
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