DOI Heft:
Heft 13 (1. Aprilheft 1902)
DOI Artikel:Bonus, Arthur: Tolstoi
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.8191#0014
iZ. ^sakrg. Ersles ^prilkekl iyor. stzekl iZ.
^olstoj.
Wird Tolstoj von dem Lager noch einmal aufstehen, auf das man
ihn gelegt hat? Jedenfalls scheint es, als müßten wir jetzt seine
Gestalt als die eines Vollendeten betrachten, der nichts wesentliches
mehr zur Erläuterung seiner Person hinzufügen wird, eines Mannes,
dessen Lebenswerk abgeschlossen ist und abgewogen werden kann. Die
geistige Kraft, in die er sich und sein Leben verwandelt hat, wird —
nach allen Analogien zu urteilen — mit seinem Tode an Durch-
schlagkraft noch gewinnen. Und wenn seine Bücher wie Steinwürfe
waren, so wird sein Lebenswerk dann zusammengepreßt in ein ein-
heitliches Geschoß und mit dieser Gewalt geschleudcrt, die dem Tode
eignet, von diesem Feuer beflügelt, das der Bannfluch seiner Kirche
entzündet hat, ganz anders auf unsere Kultur aufschlagen als bisher.
Es ist merkwürdig, wie von selbst seinem Hingang gegenüber alle
Einzelfragcn und Einzelprobleme zurücktreten und sein Verhältnis zur
Gesamtkultur in den Vordergrund tritt. Als ob kleinere Maßstäbe
unerlaubt wären.
Wie steht Tolstoj zu unserer Kultur? Wie es scheint, gut. Er
ist ein erklärter Günstling der Modernsten. Sein Bild bringt jedes
moderne Blatt. Hinten und vorn. Eines bringt ihn, wie er mit dem
Kreuz, das er trägt, durch die russische Kirche bricht, und drum herum
bringt es Anzeigcn von hochinteressanter Hcrrenlektüre, pikant illu-
striert. — Durch die Kirche wird er nicht brechcn können!
Denn man muß ihn unschädlich machen, das ist die Hauptsache
jetzt. Er hat ein ganzes Buch gegen die moderne Kunst geschrieben,
ein wuchtiges, verhängnisvolles Buch. Er hat die Popen der Kirche,
die ihn gebannt hat, nicht fanatischer der Volkswut und der Verachtung
der Ehrlichen preisgegeben als die Schriftsteller, Dichter, Künstler.
Er hat sie, ihr Lcben, ihre Zicle moralisch vernichtet. Aber wir
sind klüger als seine Kirche, obwohl wir soviel von der Berschlagenheit
Kunstwart Aprilheft zyo2
^olstoj.
Wird Tolstoj von dem Lager noch einmal aufstehen, auf das man
ihn gelegt hat? Jedenfalls scheint es, als müßten wir jetzt seine
Gestalt als die eines Vollendeten betrachten, der nichts wesentliches
mehr zur Erläuterung seiner Person hinzufügen wird, eines Mannes,
dessen Lebenswerk abgeschlossen ist und abgewogen werden kann. Die
geistige Kraft, in die er sich und sein Leben verwandelt hat, wird —
nach allen Analogien zu urteilen — mit seinem Tode an Durch-
schlagkraft noch gewinnen. Und wenn seine Bücher wie Steinwürfe
waren, so wird sein Lebenswerk dann zusammengepreßt in ein ein-
heitliches Geschoß und mit dieser Gewalt geschleudcrt, die dem Tode
eignet, von diesem Feuer beflügelt, das der Bannfluch seiner Kirche
entzündet hat, ganz anders auf unsere Kultur aufschlagen als bisher.
Es ist merkwürdig, wie von selbst seinem Hingang gegenüber alle
Einzelfragcn und Einzelprobleme zurücktreten und sein Verhältnis zur
Gesamtkultur in den Vordergrund tritt. Als ob kleinere Maßstäbe
unerlaubt wären.
Wie steht Tolstoj zu unserer Kultur? Wie es scheint, gut. Er
ist ein erklärter Günstling der Modernsten. Sein Bild bringt jedes
moderne Blatt. Hinten und vorn. Eines bringt ihn, wie er mit dem
Kreuz, das er trägt, durch die russische Kirche bricht, und drum herum
bringt es Anzeigcn von hochinteressanter Hcrrenlektüre, pikant illu-
striert. — Durch die Kirche wird er nicht brechcn können!
Denn man muß ihn unschädlich machen, das ist die Hauptsache
jetzt. Er hat ein ganzes Buch gegen die moderne Kunst geschrieben,
ein wuchtiges, verhängnisvolles Buch. Er hat die Popen der Kirche,
die ihn gebannt hat, nicht fanatischer der Volkswut und der Verachtung
der Ehrlichen preisgegeben als die Schriftsteller, Dichter, Künstler.
Er hat sie, ihr Lcben, ihre Zicle moralisch vernichtet. Aber wir
sind klüger als seine Kirche, obwohl wir soviel von der Berschlagenheit
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