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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,2.1902

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Heft 19 (1. Juliheft 1902)
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Unsre Noten und Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.8191#0362

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Ansre ^oien unci Viläer.

Unsere Notenbeilage bringt einige Klavierstücke von Johann Seba-
stian Bach, die einem Werke entlehnt sind, das nicht wie das „Wohltempe-
rierte Klavier" oder die „Französischen Suiten" schon auf dem Klavier jedes
Spielers zu finden ist. Die „Englischen Suiten," der ersten Leipziger Zcit dcs
Meisters entstammend, führen diesen Namen, weil sie auf Bestellung eincS
Engländers komponiert sind. Schon bei den alten deutschen Kunstpfeifern war es
Sitte gewesen, cine Anzahl von Tänzen zu einer nach dem Prinzip der Ab-
wechslung geordneten Kette zu vereinigen. Als diese Form später in die
Klaviermusik Eingang fand, wurde sie besonders von den Franzosen gepflegt
und verfeinert. Sie gaben ihr auch den Namen „Suite." Was die Reihen-
folge anlangt, so hatte sich die Gepflogenheit herausgebildet, auf die gemütliche
Allemande die belebtere Courante folgen zu lassen, worauf die würdevolle
Sarabande deu Mittelpunkt und die leicht dahingaukelnde Gigue den Abschlutz
bildete. Dazwischen (oft auch an Stelle der Gigue) schob man zuweilen noch
andere Tanztypen (Gavotte, Menuett, Bourree, Chaconnc u. s. w.) ein oder lietz
dem Ganzen eine Ouvertüre vorangehen. Wir geben, da eine innere Einheit
nicht vorliegt, einige dieser Miniaturen aus verschiedenen Suiten. Das
erste Stück zeichnet sich durch eine prächtige Frische des Themas aus, das
zweite ist ein breiter, seelenvoller Gesang. Das dritte besteht eigentlich aus
zwei, allerdings aufeinanderfolgenden Stücken, die hier nur dicht aneinander-
gerückt sind, weil es der Wirkung sehr zu statten kommt und die reizende
Musette in S einen noch köstlicheren Eindruck macht, wenn sie durch die vor-
ausgehende, an sich nicht viel bedeutendc Gavotte vorbereitet worden ist. Alle
drei dieser Tanzstücke erfordern eine subtile Ausarbeitung dcs Vortrags und
müssen sehr sauber und ja nicht übereilt gcspielt werden.

Von unsern Bildern zeigt das erste, „Zur ästhetischen Kultur" über-
schriebene unsern Lesern ein liebliches Beispiel von dem, was seine Ueberschrift
besagt. Ein kräftiges altes Thor, nicht wahr, dieses Speyrer Thor zu Frankenthal
in der Pfalz? Jn seiner derben Kraft steht es so charaktcrvoll da, dah man
denkt, jeder müsse scine Wucht als den Ausdruck inneren Lebens empfinden.
Und siehe, auch die hohe Behörde cmpfand so, sie dachte: hier mutz was Bc-
sonderes geschehn. Krönen wir das Thor! Und sie ging hin und setzte darauf
— ein Gerüst von Telegraphen- oder Telephonstangen. Das sitzt nun da oben,
schwachbeinig zwar, doch schön, dem Greise gleich während der Leipziger
Wasserflut. Und es hat seinen Zweck, dcnn jedem, der des Wegs aus der
Fremdc dahcr kommt, sagt es: du irrst dich dennoch, wenn du glaubst, hier
sei Schilda, hier ist Frankenthal in der Pfalz-

So eifrig wir Deutschen uns in den letzten Jahrzehntcn mit russischer
Literatur befatzt haben, der neueren bildenden Kunst RutzlandS sind wir im all-
gemeinen bis jetzt weniger nah getreten, als in unserm eigenen Jntercsse liegt.
Vor allen andern meinen wir da einmal auf Rspin hinweisen zu müssen.
Wohl sein rcifstes Werk ist das Kosakenbild, das wir unsern Lesern dicsmal
bringen: die Saporoger, die hinter dcn Stromschncllcn des Dniepr wohncn-
den Kosaken, geben Antwort auf eine Botschaft des Sultans. Das „Historien-
bild" ist zwar grade gegenwärtig bei allen „zeitgemätzen" Leuten sehr in Ver-
ruf, aber eine solche Vcrrufserklärung hat eine ästhetische Berechtigung doch
nur dann, wenn das Historicnbild mehr ein Wissen seines Schöpfers mitteilt,

t- Iulibeft tS02
 
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