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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,2.1902

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Heft 22 (2. Augustheft 1902)
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Kalkschmidt, Eugen: Freie Bücherhallen, [2]
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Göhler, Georg: Giuseppe Martucci
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https://doi.org/10.11588/diglit.8191#0477

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Bücherei mit schönen Beständen dieser Art sindet; desgleichen in Eng-
land. Und bei der Mnsikfreude, die in Deutschland herrscht, sind auch
Musikalien-Abteilungen nur eine Frage der Zeit.

Aus diesen wenigen Entwicklungszügen und Beispielen wird die
Richtigkeit der eingangs ausgestellten Behauptung: wir seien in diesen
wichtigen Kulturarbeiten znr geistigen Wohlfahrtspflege über Gebühr
zurück — mit ziemlicher Sicherheit zu belegen sein; Folgerungen er-
gebcn sich von selbst, wenn wir uns nur einig darüber sind, daß nichts
in der Welt Bestand und Entwicklung hat, wenn nicht durch die Kraft,
die Klarheit, die Ausdauer seines inneren Wesens. Bisher haben wir
immer noch die geistigen Angelegenheiten als unser natürliches und
vornehmstes Arbeitsfeld geachtet, und wenn wir endlich wieder in den
politischen Welthändeln nachdrllcklicher mitreden können, so haben wir
das nicht der gepanzerten Faust allein zu danken, sondcrn doch wohl
zuerst der Kraft und der Klarheit des Kopfes, die diese Faust regieren.
Die großen Kriege der Menschheit, die Kriege, aus denen neues Leben
quillt, werden in Zukunft noch ganz anders als bisher friedliche Kultur-
kämpfe sein, wo nicht der Zerstörende, sondern der Schaffende siegt.
Sorgen wir beizeiten, daß der natürliche Neichtum unseres Volkes, seine
Fruchtbarkeit an allgemeinen und großen Lebenswerten nicht dereinst
aus Mangel an Pflege versiege, denn auch der schwerste Boden sauert
am Ende, wenn die Pflugschar aussetzt. Die Philanthropen des Is8. Jahr-
hunderts gedachten alle Menschen durch die reine Vernunft glücklich
zu machen, wir begnügen uns mit sehr viel weniger, wir wollcn nur
die Mittel und Wege erleichtern, damit sich ein Jeglicher nach Maßgabe
der eigenen Fähigkeiten und Antriebe zu höheren Daseinsgefühlen,
besseren Lebenseinsichten durcharbeiten kann. So wenden wir uns
nicht mehr einzig an die Vernunft, sie mit fetten Kenntnissen gleichsani
zu spicken, sondern an den ganzen Menschen, der nach jenem veralteten
Rezept doch nur darbt gleichwie — um im Bilde zu blciben — jenes
arme Vogelvieh, dem man die Leber überfüttert. Zum Wisscn und Den-
ken gehört das Empfinden, und dessen sorgsame Pflege obliegt uns
darum so sehr, wcil ein mark- und gemütloses Scheinwesen kraftprah-
lend in unseren Tagen umgeht und von Uebervielen noch obendrein
als ein sichtbares Zeichen geistigen Gereiftseins staunend gepriesen
wird. Eine „Masse", d. h. geistig Minderwertigc wird es, wcnn wir die
Menschheit als Organismus auffassen, stets geben, so lang es ebcn
einc Menschheit gibt, abcr eine solchc Masse kann im Durchschnitt bcsser
oder schlechter sein. Die freien Bücherhallczr können gewaltig dazu
helfen, den Schein einer seichten Zivilisation, bis zu dem es unsere
Zeit gebracht hat, in das Wesen einer gehaltvollen Kultur zu vertiefcn.

Lugen Aalkschmidt.

Giuseppe jVlanlucci.

Die Aufsähe über Enrico Bossi (Kw. XIV, 22 u. 2qh haben mir be-
reits einmal Gelegenheit gegeben, von moderner italienischer Musik zu sprechen
und darauf hinzuweisen, welchen Aufschwung sie infolge der mächtigen Wirkung
der neudeutschen Kunst wieder zu nehmen beginnt. Es hat sich auch Wider-
spruch gegen meine Darstellung geregt. Besonders die deutschen Halbkompo-
nisten sehen es nicht gern, wenn auf den überfüllten Markt noch ausländische
Runstwart

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