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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,2.1902

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Heft 24 (2. Septemberheft 1902)
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Friedrichs, ...: Schulgesang fürs Leben
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Lichtwark, Alfred: Festrede: gehalten in Nürnberg bei der Jubelfeier des Germanischen Nationalmuseums
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https://doi.org/10.11588/diglit.8191#0586

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Meine Schülerinneu hattcn den Jahrmarkt dcr Nachbarstadt besucht
und dort einen der seltcn gewordenen Savoyardenknaben mit seinem
Murmeltier und seinem Dudelsack gesehen. Wir sangen „Marmotte"
von Beethoven. Die Kinder fingen zu lachcn an. Auf meine Frage
nach der Ursache der Lustigkeit sagten sie: „Das Klavicr klingt gerade
wir der Dudelsack auf dem Jahrmarkt." Wer das nicht hört, dem muß
dicse Begleitung unseres Größten einfach schrecklich scin. — Will man
die Aufmerksamkeit der Kinder auf die Schönheiten und den Sinn der
Begleitung lcnken, so muß man sie natürlich so leise singen lassen, daß
sich die Bcgleitung deutlich abhebt. Ein Mensch aber, der so zu hören
gelcrnt hat, hört auch in Orchester- und andern Konzerten mehr als
ein zunächst angenchmes Gebrause, das mit der Zeit langweilig wird.
So betricben, erzieht der Schulgesang zum Kunstgenuß.

Was soll dcr Schulgesang leisten? Er soll unsern Kindern einen
Liederschatz fürs Leben ins Leben mitgeben. Er soll den Volkslieder-
schatz um die Lieder unserer Meister bereichern und soll endlich zum
Musikgenusse erziehen. Friedrichs.

feslreäe

gehalten in Nürnberg bei dcr Iubelfeier de- Germanischen
Nationalmuseums.

Es ist eine liebenswürdige und bedeutsame Sitte, einer wissenschaftlichen
Anstalt zu ihrem Jubelfest eine neue Entdeckung aus ihrem Forschungsgebiet
als Festgabe darzubringen und an der Hand des lebendigen Beispiels der
Aufgaben zu gedenken, die der Sonderthätigkeit im Getriebe dcr gesamten
nationalen Kulturarbeit zusällt.

Jm Namen — wenn auch nicht im Auftrage — einer langen Neihe nord-
deutscher Forscher wird mir die Ehre zu Teil, die ersten Nachrichten über
Meister Bertram, den ältesten deutschen Maler und Bildhauer, der nach Namen,
Leben und Werken in vollcr Persönlichkeit vor uns stcht, heute als ein Weihe-
geschenk hier niederzulegen.

-i-

*

Aus dem Archiv oder im Museum findet der Gelehrte eine unbekannte That-
sache. Er löst sie aus der Masse, in der sie eingebettet liegt, und ordnet sie ein in
das ungeheure VorratshauS der Wissenschaft, rvo sie dem Laien als toter Stoff
nur an anderer Stelle aufs Neue dem Verstaubcn ausgesetzt scheint. Aber,
was dort aufgehäuft liegt, hat in Wirklichkeit keinen Augenblick Ruhe. Jn den
weiten Hallen des Thatsachenspeichcrs, dessen Ausdehnung kein Einzelner zu
überschauen vermag, ist das Volk unermüdlicher Forscher Tag und Nacht an
der Arbeit. Nicht das geringfügigste Bruchstück wird eingereiht, ohne daß sofort
der gesamte Vorrat von verwandten Stoffen durchgeprüft wird. Und in einer
Schicksalsstunde wirkt dann wohl ein scheinbar belangloser Fund auf den
zusammenhanglosen Stoff wie der erschütternde Stoß, der eine gesättigte
Flüssigkeit in den festen Körper des Krystalls verwandclt.

So ist es mit der langsam angesammelten Materie ergangen, die sich,
als die Zeit erfüllt war, zu dem festumrissencn Charakterbilde Meister Bertrams
zusammengesügt hat.

Wie so oft in der norddeutschen Kunstgeschichte hatte auch bei Meister
Bertram die Urkundenforschung zuerst ihren Stoff bcreit. Aus dcn Nachrichten,

2. Sevtemberbeft ry»2

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