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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,2.1902

DOI Heft:
Heft 14 (2. Aprilheft 1902)
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Göhler, Georg: Allerhand Musikalien, [2]
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Lehmann, Alfred: Rembrandt
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https://doi.org/10.11588/diglit.8191#0083

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konzert von Haydn, Volkmann oder d'Albert — es kann noch ein paar gute
geben, vollständig kenne ich diese Literatur natürlich nicht — spielt? Wer
hat den Mut, den Vortrag der üblichen Schmachtschmarren mit Gliederver-
renkung einsach zu verbieten? Oder wo ist das Publikum, das den „Meister",
der ihm solche Turnübungen zu bieten wagt, einfach auspfeift? Es ist unmittel-
bar eine Beleidigung der Zuhörer wie der im Programm stehenden echten
Kunstwerke, wenn man solche unter der Ebene jedes besseren Varietss stehen-
den Produktionen zu bieten wagt. Bisher werden die geistig höherstehenden
unter den Künstlern auch aus Verlegenhcit zu jenen Gewüchsen ihre Zuflucht
genommen haben; deshalb ist's erfreulich, wenn die gute Literatur immer
reichhaltiger wird. Das Konzert d'Alberts, das zu dieser ebenso langen
wie notwendigen Abschweifung Anlatz gab, ist unter den neuen Versuchen, hier
zu helfen, wohl der gelungenste. Es ist gleichzeitig künstlerisch wertvoll,
interessant gearbeitet und dankbar für den Spieler. Also Alle werden Freude
daran haben. Mögen sich's die Konzertvereinsvorstände, die auf allgemeinen
Wunsch auch wieder einmal Herrn Cellovirtuosen A. oder Z. engagieren
möchten, gleich kontraktlich bei ihm bestellen, um ihr Publikum vor den sonst
unausbleiblichen Gefahren zu bcschützen. Georg GLbler.

Rembränät."

Ein starker, dickleibiger Band, ein Goliath unter den Durchschnitts-
genossen der Bücherei, schwer und wuchrig wie ein Kragstück und auch
in der Farbe seines Umschlags dem gelblichen Sandsteinquader ver-
wandt, in roten Lettern darauf der dämonische Name: Rembrandt.
Das äuhere Gleichgewicht ist gewahrt. Von einem Riesen will man
nicht im Duodez unterhalten sein. Und der Jnhalt des Buches? Schwer
und ernst, wie die dröhnenden Schritte Rembrandts durch die Hallen dcr
Zeit, tönen die Worte, die das gewaltige Thema einlüuten, begleiten
und von Abschnitt zu Abschnitt zu immer lebensvollerer Form gestalten.
Gleichmaß auch hier.

Es gibt Bücher, die als Vignette den Weisheitsvogel der Minerva
sühren sollten, Werke, von denen cins oder zwei hinreichen, die dem
ernsten Lesen des Gebildeten gewcihten Muhestunden eines ganzen Winters
auszufüllen, und dercn Anregungskraft jahrzehntelang vorhält, bis sie
dann ihren Zweck erfüllt haben, das heiht, bis ihre Lehre restlos vom
Berstand und Geist des Lesers aufgenommen worden ist. Dann können
sie als verbrauchte Kraftspeicher getrost beiseite stehen bleiben: sie haben
uns nichts mehr zu sagen. Andere gibt es, leichtere Ware, dic an dcr
Stirnseite den buntschillernden Schmetterling als Titelzier tragen sollten,
Bücher, die unserm Bedürfnis nach spiclender Belehrung und raschem
geistigen Stoffwechsel entgegenkommcn, uns mehr anregende als er-
nährende Kost bieten und die sogleich zum welken Leichnam werden,
wenn sie, wic die Eintagssliege. ihrer kümmerlichen Zeugungskraft ledig
sind. Neumanns Buch gehört der Minerva-Gruppe an: ernste Samm-
lung des so lcicht abschweifenden und irrlichtelierenden Geistes verlangt
es und Konzentration aller verfügbaren Vorstellungs- und Anschauungs-

* „Rembrandt" von Carl Neumann, auherordentlichem Professor an der
Universität Heidelberg. Verlag von W. Spemann, Berlin und Stuttgart. ^902.

2. Aprilheft 1902

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