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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,2.1902

DOI Heft:
Heft 17 (1. Juniheft 1902)
DOI Artikel:
Göhler, Georg: Robert Hermann
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Schultze-Naumburg, Paul: Kulturarbeiten, [16]: ländliche Arbeiterhäuser
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https://doi.org/10.11588/diglit.8191#0224

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jüngsten grötzeren Werke, einem Klavierquartett (ax. q) erhalten, in dem Selt-
famkeiten jedcr Art etwas ganz Alltägliches sind. Jch bezweifle nicht, dah durch
den Klang der drei Streichinstrumente, die sehr kühn und frei geführt sind, manches
klar merden wird, was beim bloßen Lescn und Durchspielen der Partitur
rätselhast bleibt. Aber trotzdem werden alle diese Subtilitäten nicht über den
Mangel an Geschlossenyeit hinweghelfen. Oder sollen's etwa Phantasiestücke in
Callots Manier scin? Ja, warum macht sich dann der Komponist nicht einmal
an irgcnd einen Vorwurf, bei dem Worte seincr salonfeindlichen Musik den
Sinn geben? Sollten sich nicht in der ülteren oder neueren Literatur phan-
tastische Texte finden, für die sich eine Musik, die glcich der Hermannschen mit
dcr vierten Dimension rechnct, gut eignete? Neben dem Eingehcn aber auf
Stoffe, die seincn Launen liegen, arbeite der Liomponist an der Vervollkomm-
nung der Fühigkeit, motioisch zu arbeiten, organisch zu entwickeln und in großen
Linien zu bauen. Schrieb' er doch in Gottes Namen endlich einmal einen
verminderten Septakkord, lief' er nicht immer auf den Stclzcn mnsikalischer
Vorhalte, lernt' er das poetische Wesen und dic Bercchtigung moderner, nicht
architektonischer, sondern psychologischer Musik begreifen und machte so von
seinen Gaben den Gebrauch, der ihm und den Menschen am heilsamstcn sein wird!

Am ehesten dürften wir das hoffen, wenn er zunächst im Anschluß an
wirklich gute Texte mit reichem Stimmungsgehalt unter Berücksichtigung der
Gesetze der sprachlichsn Deklamation arbeiten und dann auch in Instrumental-
werken, zunächst kleiner Form, dem poctischen Gehalt sein Recht geben wollte.
Seine Begabung weist ihn auf lyrische und phantastische Stimmungsbilder hin;
vielleicht könnte er auch dcn scharsen, bissigen Ton der modernen Ueberbrettlkunst
kühnerer Gattung trcffen — die's ja noch kaum gibt.

Also heraus aus dem Engen! Die Freunde der Kunst aber mögen zu-
nächst einmal die Eigenart Robert Hermanns kcnnen lernen und den bisher
erschienenen Wcrken wenigstens mit der Anerkennung begegnen, die in jedcm
Fallc ihre Selbständigkeit verdient I Gcorg Göhlcr.

Kultuparbüiren.

Ländlicke Arbeiterhäuser.

Wenn man das Wort „Arbeiterhüuser" hört, denkt man nnwill-
kürlich an traurige Gcgenden, in denen rohe Ziegelbauten cinförmig
lange öde Straßenzüge einfassen. Physiognomielos zichen sie sich mit
ihrcn slachen Dächeru und ihren gleichförmigen, kasernenartigcn Fenstcrn
die Straßenflucht entlang. Es ist kein Ort der Freudc; nicmand wird
seinc Spaziergänge zur besonderen Erholung durch diese Arbeitcrkoloniccn
lenken.^ Der gute Mensch fühlt keine Geringschätzung für diese Stüttcn
und ihre Bewohner, sondern Mitleid für alle Jndividuen, denen ein so
armes Loos zugesallen ist. Aber er wird sich meist in den Glauben
crgeben, daß crst dann ein freundlicheres Bild diesen Arbciterheimen
erblühen werde, wenn die Mittel der gesamtcn Menschheit so gewachsen
sind, daß sie ausreichen auch für die letzten. Vor der Hand sci es aber
als Schicksal hinzunehmen, denn die Völker verfttgten cbcn noch nicht

^ Freilich, es gibt heute auch schon andere. Seltene Ausnahmen, welche
in der That die Regel bestätigen, sind z. B. zwei Kolonieen von Krupp bci Essen.

Auiistwart

IYS
 
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