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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,2.1902

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Heft 16 (2. Maiheft 1902)
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Gregori, Ferdinand: Liebhabertheater
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Pudor, Heinrich: Konzertprogramme
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https://doi.org/10.11588/diglit.8191#0167

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anstatt der faden Gassenhauer ein musikalisch-feines Scherzlied aus, be-
obachtet die Lächerlichkeiten eurer Nebenmenschen und formt eine kleine
Satire draus, in der ihr Wahrheit und Dichtung nach Herzenslust durch-
einander werfen dürst, oder lest zu zweit, recht anspruchslos die Bücher
in der Hand, Mörikes „Gesang zu Zweien in der Nacht" langsam, süß
und innig in kleinem Kreise vor — ihr werdet von Herzen lachen und
weinen machen; und das wird euch nun bei allen gelingen, was früher
nur bei denen gelang, die naiv genug waren, zu glauben, was ihr
aus der Bühne selbst nicht glaubtet. Fcrdinand Gregori.

KonLeriprogramrne.*

Die Musik ist die moderne Kunst. Sie steht im Mittelpunkte des
modernen Kulturlebens. Das zeigt sich nicht nur an der ungeheuren
Anzahl stattfindender Konzerte und an der Nusbreitung des Musik-
dilettantismus, sondern auch darin, daß immcr mehr Nniversitäten
Lehrstühle für Musikwissenschaft einrichten, und daß die Musikkritik und
Musiküsthetik heute einen so wichtigen Platz in der Literatur einnimmt,
daß jeder Literat eine genaue Bekanntschaft mit der Musikliteratur und
mit der Art des musikalischen Schaffens und Nachschaffens haben muß.
Ja, es ist nicht zu leugnen, daß die Musik heute alle schüngeistigen
Gebietc beeinflußt. Wir haben auf der einen Seite eine tiefgehende
wissenschaftliche Theoretisierung und auf der anderen Seite eine uoch
nicht dagewesenc Volkstümlichkeit der Kunst-Musik. Schopenhauer hier
und Wagner dort haben viel dazu beigetragen. Aber abgesehen davon
ist die Natur des modernen Menschen als außerordentlich erregbaren
Nervenwesens dem Musikkultus sehr günstig, und so erklärt sich leicht,
daß die Mrisik einen großen Einsluß auf die Bildung, Entwicklung und
Verfeinerung der Volksmasscn und ihrer Jnstinkte und Triebc ausübt.
Damit ist gesagt, daß es von der höchsten Bedcutung sein muß, was
dem Volre in der Unzahl von Konzerten, zu denen es wallfahrtet,
geboten wird. Mit anderen Worten: die Programm-Frage ist eine
sehr wichtige geworden.

Welcher Grundsatz soll bei der Programmaufstellung maßgebend
sein? Um diese Frage zu beantworten, muß man sich klar darüber
scin, welchem Zweck die Konzerte dienen sollen. Wir kvnnen dabei
abschen davon, daß dcr Eine ein Konzert gibt, um seinen Geldbeutel
zu füllen, der Andere, um sich einen Namen zu machen oder seiner
Eitelkeit zu schmeicheln. Vielmehr kommt es hier darauf an, ob das
Publikum zerstreut und amüsiert oder aber ob sein Gcschmack erzogen,
gebildet oder verfeinert werden soll. Nehmen wir das Letztere an, so
ergibt sich als der erste Grundsatz, daß der Konzertgebcr strebcn mutz,
dem Publikum so gute Musik wie möglich zu bieten. Frcilich hört man
den Einwand so häufig: „Das Publikum versteht es nicht." Aber
ebenso häufig liegt dic Schuld an dem Künstler, der das betreffende

* Wir halten die Frage der Konzertprogramme, die zuerst Gvhler in der
Aufsatzfolge Kw. XIII, z—8 ervrtert hat, für so wichtig, daß wir sie gern mit
allen Kräften vor dem „Einschlafen" behüten möchten. DeShalb bringcn wir
Pudors zusammenfassende Betrachtung gern auch noch an dieser Stelle.

Aunstwart
 
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