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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,2.1902

DOI Heft:
Heft 18 (2. Juniheft 1902)
DOI Artikel:
Schultze-Naumburg, Paul: Kulturarbeiten, [17]: ländliche Arbeiterhäuser
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https://doi.org/10.11588/diglit.8191#0275

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Rullurai'beileri.

Ländliche Arbeiterhäuser. (Schluß.)

Abb. 55 und Abb. 5H zeigen ein Bauernhaus von der ersten
Hälfte des fy. Jahrhunderts und ein Arbeiter- oder Bcamtcnhaus eines
Gutes. Bedürsnisse und äußere Verhältnisse der Bewohner liegen in
beiden Fällen nahezu gleich. Jedenfalls gibt es keine Verschiedenheiten,
die irgend einen Einfluß auf die äußere oder innere Gestaltung des
Hauses habcn müßten, mit Ausnahmc natürlich von Thorbogen und
Schcunc, die das Arbeiterhaus, da cs keine cigene Landwirtschaft besitzt,
nicht braucht. Bctrackitet man init ganz unbefangenen Augen beide
Bilder, so wird man von dem erstercn den angenehmsten Eindruck mit-
nehmcn. Das Haus hat entgcgcn dem sonst in der Gegend üblichen
Ttzpus wenig Fenstcr. Sehr häufig sieht man diese so angcordnct, daß
zwei oder gar drei dicht neben einander gesetzt sind. Diese Konstruktion
ist schr cinfach und cntspricht dem Fachwerk, da die senkrechten Holz-
sticle die natürlichen Pfeiler und Trennungen der Fenster bilden. Welch
bchaglichcs Jnnenbild und welche angenehme Beleuchtung dabei entsteht,
werde ich unscrn Lescrn demnächst im Bilde vorführen. Wollte man
deshalb die Tradition unseres Bauernhauses wciterführen, es wäre ein
Leichtes, diese Verschiebungen und Veränderungen daran vorzunehmen.

Betrachtet man das andere Bild, so wird man keinerlei freund-
lichc Gedanken davon mitnehmen. Der ungeputzte rohe Ziegelbau trägt
die Züge der nachlässigen Arbeit, die man nicht emmal ganz fertig
macht, sondern die man hastig und ohne Liebe und Freude in Benutzung
nimmt. Gewiß, man kann auch Rohziegclbauten gut behandeln, es
ist aber ein Unterschied zwischen einem Bau, der als Rohziegelbau
gedacht ist, und einem, den man unverputzt gelassen hat. Jn
einem solchen Hause ist nur ein Vegetiercn, kein Leben möglich.
Macht diesen grundlegenden Unterschied nun etwa die angelegte
Vausumme aus? Wenn man gcnau nachrechnet, wird man finden, daß
das obcre Haus bei gleicher Größe genau so viel, ja wahrscheinlich
weniger kostet, weil es aus Fachwerk vom ersten Stock an gebaut ist.
Die Raumgestaltung in dcm obcren Hause ist eine freundlichc und bc-
hagliche, während die Zimmer des unteren Hauses erbärmlich üde und
nüchtern sind. Wasscrleitung und Kanalisation könnten in beiden Häusern
aleichermaßen angelegt werden: diese Frage hat mit der Frage des
Bautypus nichts zu schasfcn. Und was das Saubrrhalten dcr Wohnung
anbetrifft, so hängt das am meisten doch wohl von dem Sinn der Be-
wohner ab. Frage man sich doch cinmal chrlich: welchcs Haus regt
mehr zur Sauberkeit, zu Erhaltung einer schmucken Erscheinung an, das
auf Abb. 55 oder 5H? Muß nicht im untersten Bewußtsein eines jeden
das Gefühl aufdämmern, daß mit solchem Hause doch nie ein freund-
lichcr Anblick zu erreichen sein wird, daß das stets einen Sträflingsblick
behalten wird?

Man vergleiche die beiden Dachgestaltungen. Das flache Dach mit der
VersenkungderDachbalken indcr typischenAnwendungwieauf5^gehört auch
mit zu jencn kurzgedachten .Bcreicherungen" unserer Bausormen, welche die
neuere Zeit gebracht hat. Jn allen Bauschulen wird sie gelehrt und unter
dem Stichwort vom sparsamen Bauen weilergegeben, ohne daß die damit

2. Iuniheft ,yor
 
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