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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,2.1902

DOI Heft:
Heft 15 (1. Maiheft 1902)
DOI Artikel:
Schlaikjer, Erich: Droht uns eine Krise?
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https://doi.org/10.11588/diglit.8191#0117

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,Z. Iakrg. Srsles j^laikefl ,902. Hefl,5.

vrokt eme Krise?

Eine Reihe von Anzeichen deutet darauf, daß die literarische Lage
gewissen Veränderungen unterworfen wird. Segensreichc Strömungen,
die nie sehr stark waren, werden wieder einmal noch schwächer; andere
Strömungen, die in unheilvoller Zeit verwüstend einherbrausten, ge-
winnen wieder an Kraft und beginnen drohend zu wcrden, wie wenig
das zunächst auch auffallen mag. Möglich, daß die folgenden Zeilen
mir den Vorwurf der Schwarzseherei eintragen; möglich auch, daß sie
wirklich zu pessimistisch gehalten sind und möglich endlich, daß ich mich
überhaupt irre, daß meine Darstellung also nicht nur in der Farbe, son-
dern überhaupt im Wesen falsch ist. Es soll mir gar nicht darauf an-
kommen, aä absnränm geführt zu werden; in gewissem Sinne wünsche
ich es sogar sehnlichst, weil es für mich hieße, einen bedingten Pessi-
mismus gegen einen bedingten Optimismus einzutauschen. Jch glaube,
um es kurz zu sagen: daß die künstlerische Händlerschaft vor einer
günstigen Konjunktur steht, und glaube ferner, daß sie diese mit allen
Mitteln des gewissenlosen Geschäfts ausnützen wird. Es Lesteht die
dringende Gefahr, daß die kalte Mache, die leere Routine, die
bloße Geldmacherei wenigstens eine episodische „Blüte" erleben
wird. Wie lang oder wie kurz diese Episode nun auch werden
möge, Schaden wird sie unter allen Nmständen bringen und sie
kann zum mindesten verhängnisvoll werden, sofern im Lager
der Kunst nicht rechtzeitig gerüstet wird. Vor allem müssen wir uns
klar machen, daß wir's mit Gegnern zu thun haben, die in ihrer be-
sonderen Art furchtbar sind — furchtbar durch ihren geilen Willen
zum Lcben, sei es auch zu eincm Leben in Ehrlosigkcit, furchtbar durch
die Gemeinschaft ihrer geschäftlichen Jnteressen, die einer festen Organi-
sation gleichkommt, und furchtbar endlich durch die „kompakte Majorität,"
durch die blöde Menge, deren niedrigen Trieben sie skrupellos schmeicheln.
Man erlasse mir auf einige Augenblicke, meine erste Auffassung der Lage
zu begründen — es soll nachgeholt werden. Jn dem Bemühen, die

Runstwart z. Maiheft 1902

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