Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,2.1902

DOI Heft:
Heft 19 (1. Juliheft 1902)
DOI Artikel:
Lose Blätter
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8191#0354

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
„Freilichl" crwidcrte sie, auf seinen Schcrz eingehcnd, „hab auch gleich
gedacht: die Helene Mahler muß da sein l Man sollt es freilich kaum glauben,
daß ein großes Mädchen, das lange Röcke trägt und wahrscheinlich jetzt „Sie"'
heißcn ivill, noch so ungattig herumpoltert; aber — die Helene kennt man jal"

„Aber — l aber — I"' stieß das Mädchen mit halber Stimme heraus,
tief beschämt, und wollte doch den Freund nicht lügenstrafen; ihre großen,
blauen Augen füllten sich mit Thränen und strahlten nur um so silbriger durch
ihr Blinzeln hindurch, indem sie bald ihn, bald die Frauen ansah. „Jch —
hätte so — gepoltert -I"

Heiner aber sagte schon eifrig dazwischen: „Frau Berner, es ist ja gar-
nicht wahr! Jch hab' ja bloß so gesagt zum Spatz l Jch hab' ja selbst den
Lärm gemachtl"

„Was du nicht sagst!" rief die Frau mit erstaunter Miene, „was du
nicht sagst! — Meinst du wirklich, du Hospe, ich thät dir glauben, das Mädel
könnt' mit seinen papierdünnen Sommerschühlein so einen Randal verführen?!
— Du mußt die Leute aufziehen wollen, wenn du selbst noch keinen Spaß
verstehst. Du bist mir ein Held! Hat daS Einjährige und ist noch zu dumm,
einen Scherz durchzuführen I — Wenn der da die Thränen so locker sitzen, latz
sie doch heulen! Die hat früher manchmal, wo sie es nötiger gehabt hätte,
nicht das Gesicht verzogen! — Mädel, du hast's, scheint mir, wie die Birnen
dies Jahr, die sind auch so wässerig. — Da habt ihr was auf euern Schmerz!"
sie gab dem Mädchen die Hände voll Birnen und sprach dann mit Heiners
Mutter weiter.

Helene und Heiner zogen kleinlaut und beschämt mit ihren Birnen zur
Thür hinaus. Auf dem Gang sagte sie: „Jele, bin ich dumm! Heiner, bist
du mir bös?"

„Auch noch!" lachte er, „dummes Volk sind wir ja, da hat sie schon
Recht, aber so bös meint sie es ja garnicht. Die ist nur immer so grob, da-
mit sie einem ungenicrt was schenken kann."

Runäsckau

ll-iteratur.

* Stiftungen für literarische
Zwecke.

Die Deutsche Dichter-Ge-
dächtnis-Stiftung, die wir den
Lesern schon im Anschluß an die Goethe-
Stiftungs-Agitation empfohlen habcn,
richtet jetzt eincn Aufruf an die Oeffent-
lichkeit. Sie will dem alten guten,
abcr nicht „dekorativcn" und also nicht
modischen Gedanken dienen, deutsche
Dichter wcniger „mit Mälern von
Stein und Erz" als durch Verbreitung
ihrer Werke im Volk zu ehren, und er-
strebt zu diesem Zwecke das Urheber-
recht gecigneter Dichtungen zu erwerben
und sie in billigen und guten gebun-
denen Ausgaben in den Handel zu

bringen. Was uns öffentlich und pri-
vatim darüber mitgeteilt worden ist,
wie man vorzugehen, was man her-
auszugeben gedenkt, das scheint uns
durchaus zweckentsprechend und gut.

I Dr. Ernst Schultze, der verdiente Leiter
der öffentlichen Bücherhalle in Ham-
burg, läßt an jeden, der sich meldet,

^ Aufruf und Satzungen versenden —

! wir empfehlen, davon Gebrauch zu
! machen.

Noch von zwei weiteren sehr er-
freulichen Stiftungen ist zu melden.

! So von einer neuen „Schillerstif-
tung" des tzerrn Franz Schütte in
Bremen, welche tooooo Mk. dazu be-
stimmt,Volksschülern unentgeltlich klas-
sische Theaterstücke vorzuführen. Dann
,. Iuliheft ,902

315
 
Annotationen