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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,2.1902

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Heft 14 (2. Aprilheft 1902)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8191#0101

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Lin Leyuisin LstsrnLin lallt' ihr Mund,
Weibwasser sxrengten sie auf den Grund
Und slehten den 5egen hernicder.

Dcr 5egen, der schwebte wohl über die Welt,
Das Weihwasser rann übers Zlckerfeld, —

Doch sieh! was will das bedeuten?

Der Segen flog ängstlich im Rreis herum,

Das Wcihwasser wälzte sich um und um —

Sagt an, was soll das bedentcn?

Da sprach das Weihwafser: „Ich sehe, ich seb'
Auf Lrdcn kein plätzchen, wohin ich auch späb',
Das nie eine Thräne benctzt hat."

Und der Scgen, der sprach: „Ich suchc, ich such'
Linen Fleck, einen klcinen, den nicht der Flncb,
Den nicht der Mord schon besetzt hat."

Runasckau.

Literaiur.

* „Nationaler Standpunkt"
und Literatur.

Vor kurzem ist ein neues Buch von
Larl Busse erschienen, eine „Ge-
schichte der deutschen Dichtung im
i<). Jahrhundert." Es ist, wie alles
ivas Busse als Kritiker oder als Poet
schreibt: leicht flüssig und so tief, wie's
ein artiger Suppenteller zuläßt. Eine
Geschichte der deutschen Dichtung im
neunzehnten Jahrhundert auf süo Sei-
ten, in derMörike mit 14 Zeilen „cha-
rakterisiert" wird und Geibel mit etwa
dem Fünsfachen, in der Gottsried
KellerS Gedichte, die „Leutc von Seld-
wyla," der „grüne Heinrich" und was
llnsterbliches er sonst noch geschaffen
hat, zusammen mit 14 Zeilen be-
sprochen werdenl Das aber ist das
Ergebnis davon, datz Busse, wie er im
Vorwort erklärt, um die einzelnen
Dichter „auch näher charakteri-
sierenzu können,"mit kleinen Geistern
aufgeräumt hat! Unter den Lebenden
werden zwar Leute wie Hansjakob,
Spitteler, Weigand, Bölsche, Wille,
Sohnrey, Lienhard, Frenfsen keines
Wortes gewürdigt und ein Rosegger
und ein Schlaf werden nur bei der
Besprechung anderer so nebcnsächlich

gerade knapp genannt, nicht aber fchlen
Angaben über Bedeutung und Erden-
wallen Carl Busses. Die andern Be-
arbeiter des gleichen Gebiets, deren
Ergebnisse nachzuprüfen waren, kennt
der Verfasser nicht einmal, worauf er
nach dem Vorwort auch noch stolz zu sein
fcheint. Der Auswahl des Materials
entsprechen die Urteile. „Wie's trefft."
Zum Vertiefen in irgend ein Problem
kein Versuch und wohl nicht einmal
eine Versuchung, weil der zufriedene
Drüberhinredner zu leicht über die
! dünnften Decken schwebt, als daß fich
ihm die Tiefen als Fragen überhaupt
aufthäten.

Wir haben über Busse den Poeten
wie den Kritiker schon früher sehr deut-
lich gesprochen. Also brauchen wir das
heute nicht zu wiederholen. Sein
neues Buch ist nicht Gegenstand son-
dern nur Anlaß dieser Zeilen. Besser
gesagt: die Aufnahme, die dieses
Buch bei der Kritik nationaler Blätter
findet, ist der Anlaß dazu, denn hier
wird etwas berührt, was von grund-
sätzlicher Wichtigkeit ist. Trotz allcr
Mängel nämlich, so heißt es da unge-
sähr, dürfe man immerhin Busses Buch
empfehlen: wegcn seines „nationalen
Standpunktes." Das aber führt mich

2. Aprilheft 1902

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