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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,2.1902

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Heft 14 (2. Aprilheft 1902)
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Lehmann, Alfred: Rembrandt
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Erdmann, Karl Otto: Sprechsaal: noch einmal: "Tendenzpoesie"
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https://doi.org/10.11588/diglit.8191#0087

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sein Atelier von Schülern gut besucht, und bis zu seinem Tode waren
die Preise seiner Werke, vornehmlich die seiner Radierungen, in stetigem
Steigen begriffen. Daß er trotz alledem am Abende seines Lebens von
allen seinen Gönnern und Freunden so gut wie verlassen erscheint, dafür
ist neben seinen ehelichen Unregelmäßigkeiten der Grund hauptsächlich in
gewissen Geschäftspraktiken zu suchen, dic nicht für ganz kair gegolten
haben und ihn „stark kompromittierten, wenn nicht gesellschaftlich un-
möglich machten." (S. 59?.)

Aus der Fülle der Gesichte, die uns aus Neumanns Buch ent-
gegentreten, sei zum Schluß nur auf eins noch besonders hingewiesen,
das sich gegen die landläufige Ansicht von der Stellung der Renaissance-
kunstinnerhalb der allgemeinen Kunstentwickelung wendet: R embrandt s
Kunst und die des ganzen holländischen s7. Jahrhunderts
ist eine unmittelbare Fortsetzung des mittelalterlichen
Kunstempsindens, dessen gewaltiger Strom „eineWeile unbcachtet von
den Modegefühlen der oberen Schichten, unterirdisch geflossen war."
(S. 566.) Die sogenannte Renaissance war nach Neumann nichts an-
deres, als ein verhängnisvoller Einbruch in die Sonnenbahncn des un-
ergründlichen Geistes des Mittelalters und in dcn Qucll seiicer über-
sprudelnden Gestaltungskraft — ein grausamer Aderlaß, dem das leben-
dige Blut seiner spiritualistischen Seele entströmen mußte. Der Nieder-
deutsche Rembrandt und sein germanischer Wahlverwandter
Shakspere, das sind die wahren Erneuerer der Kunst.

Möge diese kühne These zum Nachdenken über diese Betrachtung
hinaus anregen! Alfred Lehmann.

^precksaäl.

hkock einrnal: „^enclen-poesie."

Jm (0. Hefte des Kunstwarts hat Bonus wieder cinmal die
Frage von der Verwerflichkeit der Tendenzpoesie oder, wie er allgemeiner
sagt, der „Tendenz in der Kunst" aufgeworfen. Er nimmt dabei mchr-
fach Bezug auf den Aufsatz, den ich vor einigen Jahren in mciner Essay-
sammlung „Alltägliches und Neues" veröffentlicht habe, und glaubt, ich
habe „richtige Beobachtungen unvorsichtig wiedergegeben und dann auch
unrichtig gedeutet."

Wie mir scheint, hat Bonus diejenigen meiner Ausführungen, gegen
die er sich wendet, mißverstanden. Jm übrigen halte ich seine Dar-
legungen, insbesondere seine Ehrenrettung und Vertcidigung der Tendenz-
kunst für durchaus zutreffend, aber freilich nur dann, wenn man unter
Tendenzkunst das versteht, was Bonus als selbstverständlich annimmt:
jede Kunst, die irgend eine — außerüsthetische — Tendenz versolgt.
Gewiß verbinden viele diesen Sinn mit dem Worte; häufiger aber ist,
meiner Mcinung nach, eine andere Bedeutung, die Bonus ganz außer
Acht läßt. Und hat man diese im Auge, dann werden seine polemischen
Ausführungen zu gutem Teile gegcnstandslos.

-k:

»Ob nicht," so schreibt Bonus, „sehr oft die Kritiker, wclche von
emem Kunstwerk sagen: es cnthält Tendenz und ist also keine Kunst,

2. Aprilheft 1902
 
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