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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,2.1902

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Heft 19 (1. Juliheft 1902)
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Avenarius, Ferdinand: Kunstpolitik
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Weber, Leopold: Emil Strauß, ein neuer Erzähler
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https://doi.org/10.11588/diglit.8191#0323

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Jch kann die Versicherung geben, daß die bis jetzt beteiligten Männer
von der Wichtigkeit gerade dieser Forderung gründlich durchdrungen sind.
Selbstverständlich: auch der Dürerbund ist vorläusig nur ein Versuch,
vielleicht scheitert auch er an unserm nationalen Fluch, zu zersplittern
statt zusammenzufassen. Jch glaube es nicht, weil ich die Zeit für günstig
und unsre Organisation sür geeignet halte, zu sammeln und beieinander
zu halten. Wir dürfen mit Zuversicht versuchen. Aber lägen die
Verhältnisse auch viel schlimmer, versuchen müßten wir eben doch.
Denn so natürlich und gesund es ist, daß Gegner einander bekämpfen,
wo sie Gegner sind, so ungesund, so kindisch oder greisisch ist's, daß
Männer, die sich achten können, nicht nach der höheren Einheit streben,
die ihnen Ausschau, Schutz und Schuß gewühre im Kampfe gegen den
gemeinsamen Feind. Nach ein paar Jahren soll man sagen, ob der
Dürerbund Wasser in Siebe schöpft. Jch aber meine, mißlänge selbst
dieser erste Versuch, wenigstens für ein großes Geistesgebiet die von so
vielen ersehnte „Partci der Sachlichen" zu bilden, so würd' er doch eben
als solcher Versuch die Mühe wert sein, die wir drauf wenden wollen.

A.

Srnil eir> neuer Erräkler.

Emil Strauß ist in der weiteren Oeffentlichkeit bisher leider so gut
wie unbekannt geblieben, trotzdem bei S. Fischer in Berlin schon drei
Bände Erzählungen vonihm erschienen sind: „Menschenwege," „Der Engel-
wirt" und „Freund Hein." Jch halte es gar nicht für unwahrscheinlich,
daß ihm da, von äußeren Ursachen abgesehn, vor allem die seelische
Reife und innere Ausgeglichenheit fast all' seiner Werke hind erlich im
Wege gestanden haben. Wie viele haben denn Verstündnis für eine
Originalität,die ohne „Klunker dran" vor allem auf herber Wesenstüchtig-
keit beruht? Hat doch selbst Gottfried Keller in den Köpfen unsrer
„schwungvollsten" üsthetischen Matadore lange genug als „Philister"
gespukt! Dann aber scheint Strauß weder einer Clique noch überhaupt
einer bestimmten literarischen „Richtung" anzugehören. Wohl schildert
er zumeist Leute seines engeren süddeutschen Vaterlandes, auch weist sich
bei ihm das Typische seines Stammes, selbst wenn er Lebensfragen
ausgesprochener Höhenkunst behandelt, bis in die fcinsten Verzweigungen
des Allgemeinmenschlichen und Jndividuelleigentümlichen auf; aber ein
Heimatserzähler im gebräuchlichen, in spezifischem Sinne kann er des-
wegen doch noch nicht genannt werden, da ihm das Darstellen heimischer
Zustände und Leute stets Mittel zum Zweck bleibt, nie zur Haupt-
sache wird.

So gleich in seinem ersten Werk „Menschcnwege," wenn es auch
begreiflicherweise ethisch und üsthetisch hinter den späteren ein wenig
zurücksteht. Es enthält Schilderungen brasilianischer Natur und befaßt
sich im Wescntlichen mit süddeutschcn Auswanderern. Seinen eigentüm-
lichen Wert aber erhält es wenigstens für mich durch die Lebensbeichten,
die der Verfasser drin ablegen läßt. Da zeigt er jenen freien und doch
männlich kritischen Geist, der darum noch nicht den eignen entschieden
wertenden Standpunkt aufgibt, weil er weit und tief genug ist, auf
fremder Leute Art einzugehen und ihnen das Necht ihrer Persönlichkeit
Kunstwart

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