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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,2.1902

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Heft 13 (1. Aprilheft 1902)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8191#0052

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kLurxäsckau

lAteratur.

» Nun istauch Hermann Allmers

dahingegangcn, einundachtzig Jahre
alt,und um einen der liebenswürdigsten
unter den Alten stnd wir wiederum
ärmer. Freilich, eben seine Liebens-
würdigkeit, vor allem seine Freund-
willigkeit haben wohl viel dazu bei-
getragen, datz er schlietzlich ein Viel-
genannter ward. Sein wirkliches
Wesen entsprach nicht ganz dem Bilde,
das unter den Zeitgenossen von ihm
lebt; er war geistig nicht der knorrige
Friesenrecke, als den man ihn sich nach
Bildern und Vüsten vorstellen mochte,
noch wurzelt er geistig so fest in der
Marsch hinter dem Damme von
Rechtenfleth, wie er's mit den Mauern
seines Hauses that. Am längsten
leben wird doch wohl sein „Marschen-
buch," das Früheste, das er, immerhin
schon ein Dreihiger, schrieb,Heimat aus
genauester Vertrautheir in Liebe ge-
schildert. Später lhar der Wiud vom
Süden her seiner nordischen Ernte nicht
gut. Denn Allmers war im Grunde
eine weiche, anpassungsbereite und
vielleicht zu begeistcrungsfähige Natur.
Wcr sich den Jdealen seiner Zeit so
willig hingab, wie sollte der mit dem
Trotz der Urkrast das Eigene in
sich entwickeln? Wer so weit dem
Akademikertum der Zeit entgegenkam,
welches das Kennzeichnende hinter
das Schöne stellte, wie hätte der das
Deutsche in seiner Kunst recht aus
der Tiefe herausarbeiten können? Von
seinen Dichtungen ist keine eigentlich
stark. Aber alle sind erfreulich, weil
sie alle aufrichtige Zeugnisse einer
feinen, gutherzigen, treuen Persönlich-
keit stnd. Wäre Allmers Jugend in
unsereZeitderHeimatkunst-Begeisterung
gefallen, wie anders hätte er sich ent-
wickeln können!

* „Freunde und Gefährten."
Akeisterdichtungen auf einzclnen Blät-
tern. Herausgegeben von John

Henry Mackay. Einzelne Blätter
je s Pfg-, 25 Blätter t Mk., too in
Mappe s M., too in to Mappen 20 Mk.
Berlin, Schuster L Löffler.

Für die „literarische Erziehung,"
die wir neben der künstlerischen so
dringend brauchen, bietet diese Samm-
lung nur mittelbar eine Förderung. Hie-
für kommt es ja nicht darauf an, niulta
zu bieten, sondern inultum, nicht einen
grotzen Haufcn, in dem der Ungcübte
ratlos umher irren muh, sondern eine
kleine aber so sorgfältige Auswahl,
datz der aufnehmende Geist sich in jedes
Stück mit der Gewihheit eingraben
darf: hier findest du einen Schatz.
Und wenn Mackay viel zu vieles
bringt, so bringt er doch nicht einmal
alles Gute. Er hat cine ganze Anzahl
von Versen aufgenommen, an denen
denn doch recht wenig liegt, aber trotz-
dem und trotz der zehn Mappen Um-
fang eine Menge von echten Gedichten
übersehen, die nicht fehlen dürften.
Wer auf Bildung des ästhetischen Ver-
ständnisses hinzielt, wird schon den
Grundsatz Mackays sehr überraschend
finden, dah der „dichterische Wert durch
die lange Gunst weiterer Volkskreise
über den eigenen hinaus" ersetzt wer-
I den, dah man also bei allgemein be-
liebten Gedichten ein Auge zudrücken
und sie dann auch aufnehmen könne,
wenn sie eigentlich nichts taugen. Aber
selbst diese Nachgiebigkeit an das Be-
liebte erklärt die schlechte Auswahl
noch nicht. Mcine Jugendgedichte z. B.

; kennt in weiteren Kreisen kein Mensch,

^ und doch bringt Mackay von ihnen
zwei sehr mähige in derselben Mappe,
die von Mörike — von Mörikel —
^ ein einziges bringt, ein einziges in
diescr Mappc „Natur," die Mörikes
^ wundervolle Naturdichtung geradezu
hätte beherrschen müssen. Das
ist doch das mindeste, was wir ver-
^ langen dürften, dah cine Sammlung
von tausend Gedichten wenigstens die
t. Avrilheft 1902
 
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