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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,2.1902

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Heft 23 (1. Septemberheft 1902)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8191#0554

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^iteratur.

Runctsckau

* Die Blechschmiede. Von
Arno Holz. (Leipzig, Jnsel-Verlag,
3,50 Mk.)

Was der Theoretiker einer revo-
lutionären Lyrik ohne Reim hier in
kunterbnntem Gewimmel sehn läßt, ist
ein Parodiethoater mit einigen unserer
literarischen Geistcr und geistigen Nich-
tungen. Die Szene spielt sich >50 große
Seiten lang mit äutzerst gelenken Ver-
sen in der „Zirbeldrüse des Dichters"
ab. Rundherum eine Unmasse Hirn-
sand. Apollonius Golgatha, eine Mi-
schung aus Stefan George und Richard
Dehmel, steht im Glockenrock auf dem
Postament inmitten. Eine modern
mondäne Walpurgisnacht wird ge-
feiert; Qualm und Stank wirbelt auf,
denn die Musen sind laut Prolog heute
zum Stallknechtsdienst degradiert. Die
Handlung entwickelt sich nun ungefähr
so, daß die Spieler, in Kategorieen,
Gruppen und Personen charakteristisch
abgeteilt, nach einanderihreMeinungen
und Absichten zum besten geben müssen,
so selbstparodistisch, wie es dem Ver-
fasser eben gelingen wollte. Um aber
dem Leser seine, nämlich Holzens Mei-
nung zu alledem noch fatzlicher, er-
frischend gröber darzuthun, mischt sich
als kritisch ordncnder Geist der „Herr
Mitte Dreißig" gern von oben herab
in die Situation hinein.

EinpaarProben. „Mathias Weber,
Reformdichter" u.s. w. singt:

Welle, Welle, Welle, du,

Kobold auf der Wasserflut,
wirst du meine Heimat streichen
0, so biet ihr meinen Grutz,
weil ich doch in weiter Ferne
von der Heimat weilen mutzl
.Der Gefeierte" singt:

Datz mein Geist sich nie verliere,
ruf ich dieses Eine nur:

Heil, Germania, triumphiere,
Flügeladjutantin der Naturl
Ein andermal ruft Apollonius Gol-
gatha:

Kunstwart

Auch das, auch das ist Poesiel
Jn solchen Nächten ahnt sich das Genie.
Mein Hirn, ein Sternenkrater, speit:
Jch und die Ewigkeit!

Als am Schluß alles auf den Dichter
einschimpft, meint der „Herr Mitte
Dreitzig":

Erst thut sich das und blökt expretz
nach einem „Aristophanes."

Und trittst du ihm dann auf denZeh —
0 jeh!

Ein Aristophanes wäre uns auch
schon recht, und die Wirkung einer
guten Satire ist ja bekanntlich immer
so, datz niemals das liebe eigene, stets
das dürftige srcmde Jch akkurat ins
Herz gctroffen scheint. Wäre Holzens
Satire nur wirklich gut, treffend, an-
schaulich überall, wir wollten gern
lachen, auch mit Bewußtsein über uns
selbst. Aber diese Reife sehlt denn doch,
trotz aller breit eingestreuten Ueber-
legenheit des Dichters. Er hat sich
die Arbeit zu leicht gemacht, leichter,
als er's sciner Begabung nach hätte
thun dürfen, dcnn die hat satirischen
Fluß, ja sogar Ucberflutz. Abcr der
flndet keine Form und ödet darum
manche Strecke. Wer litcrarische Füh-
lung hat und Sinn für burschikosen
Geist, wer auch sonst nicht zimperlich
ist, der wird den Band immerhin mit
Heiterkeit durchblättern. L. K.
fllusik.

" Hugo Brückler.

Die „besondere Frömmigkeit," welche
die Deutschen nach Goethes Aus-
spruch für früh abgeschiedene, Gutes
verheißende Talente hegcn, ist dcm
t8?z im Alter von 26 Jahren vcr-
storbenen tzugo Brücklcr nur kurze
Zcit zuteil geworden. Das Strohfeuer,
das Gura bald nach Brücklers Tode
als Sänger der „Trompeterlieder" ent-
fachte, brannte rasch nieder, denn die
Konservativen zogen sich zurück, als sie
crfuhren, datz Brückler eifriger Wag-
nerianer gewcsen sei, den Fortschrilt-

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