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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,2.1902

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Heft 18 (2. Juniheft 1902)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8191#0312

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keit erzieht, sich mit der Sprache klar
auszudrücken. Das braucht ein jeder
Mensch, das Dichten ist Sache des
Künstlers.

Ueber die Wege zu jenem Ziele
freilich gingen die Meinungen auch
auseinander. Das eben genannte Buch
scheint mir auf dem richtigen zu sein.
Wie der Titel besagt, soll es nicht zum !
systematischcn Zeichnen in der Schule
anleiten, sondern es ist ein Lehrbuch
für die Mutter, für die Erzieherin selbst.
„Zeichnen wir was/ sagt jedes intel-
ligente Kind zur Mutter. Könnte sie
eS, zeichncte sie dem Klcinen etwas, so
würde das Kind das nachzumachen
versuchen, es würde sich so zunächst
die Form des gezeichneten Gegenstan-
deS geläufig machen und auf diese Weise
zu einem Vergleich mit der Natur
ganz ungezwungen von selbst gelangen.
Aber dic Mutter kann's ja nicht. Das
Buch des Fräuleins von Busse zeigt
nun, wie da zu helfen wäre. Es ent-
hält eine grotze Menge der einfachsten
zeichnerischen Definitionen für alle mvg-
lichen Dinge, deren Form und Unter-
scheidung sich das Kind zu eigen machen
soll. Da ist die Grundform Blatt,
Pflanze, Frucht, Baum, aus denen sich
die Gattungen, hier die Mohrrüben,
dort der Hafer, die Tanne, die Pappel
entwickeln. Es gibt drin Würfel,
Schränke, Häuser, Töpfe, Lampen, Gieh-
kannen, Scheren, Brunnen u.s.f. Aus
dem Tppus Vogel oder Kralle wird
dann der Futz des Falken, des Spech-
tes, der ganze Hahn, das ganze Vogel-
nest mit Eiern; wir finden Pferde,
Schase, Hunde u. s. w. Diese einfachstcn
zahlreichen Dinge sind nicht gesucht
kindisch gezeichnet, sondern nur so cin-
fach und übersichtlich wie möglich, ge-
nau so, wie wir's beim Unterricht in
der deutschen Sprache auch als erstes
verlangen sollten.

Jch will nicht sagen, daß man's
nicht noch besser machen könnte, ich
gestehe sogar, es ist einiges in dem
Buch, was ich anders wünschte. Aber
Aunstwart

mir ist zur Zeit für den besonderen
Zweck nichts besseres bekannt, und ich
begrüße das Ganze als ein erfreuliches
Zeichen, datz wir auch auf diesem Ge-
biete vorwärts kommen.

Paul Schultze-Uaumburg.

Verrnikcktes.

* „Modern" und „pikant."

Die Gleichschätzung dieser beiden
Begriffe exemplifiziert Kurt Aram in
der „Frankfurter Zeitung" an einem
^ schlagenden Falle, der von der Firma
Rich. Ecksteins Nachf. (H. Krüger) in
! Berlin kommt. Diese vortreffliche Buch-
handlung bringt nämlich cine Roman-
bibliothek in den Handel, die auf diese
Verwechselung spekuliert. Jhre neueste
Leistung freilich ist noch in anderer
Weise merkwürdig. „Der Prophot"
heißt nach dem Titelblatte das Buch,
„Roman von Gabriel d'Annunzio.
Frei bearbeitet von Arthur Brehmer.
Jllustriert von E.Nosenstand." Schlägt
man weiter um, so liest man cinen Wid-
mungs-Bombast an d'Annunzio, liest
man die letzte Seite, so findet man
angezeigt: „Band H. Brehmer Arth.:
Der Sohn Gottes/ Also: „Herr Arth.
Brehmer hat sich durch eino Novelle
d'Annunzios inspirieren lassen zu scincm
ersten Kapitcl, das wesentlich d'Annun-
zios Arbcit ist. Der nachfolgende sog.
Roman aber ist ausschließlich Herrn
Arthur Brchmers Eigentum, Herr H.
Krüger aber weiß, daß d'Annunzios
Name im Augenblick zieht, deshalb
schreibt er statt: Arthur Brehmer, der
Sohn Gottes, aufs Titelblatt: Gabriele
d'Annunzio, der Prophet." Das ist
eigcnartig, nicht wahr? Aber nicht viel
eigenartiger, als daß jedes Buch, das
ein nacktcs Frauenzimmer auf dem
Titelblatt zeigt, sich im großen Publi-
kum dadurch alS „modern" legitimiert.

Kurt Aram kommt nicht auf den
pspchologischen Grund dicscr Bcgriffs-
verwirrung zu sprcchcn, dieser Grund
aber ist nicht unintercssant. Denn wo-
her stammt sie als daher, daß die

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