Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,2.1902

DOI Heft:
Heft 21 (1. Augustheft 1902)
DOI Artikel:
Kalkschmidt, Eugen: Freie Bücherhallen, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8191#0416

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Quellen der Theorie zu erschließen, die er sich nur wünschen kanu. Wie
steht es denn damit bei uns?*

Wenden wir uns zu kurzem Rückblick ins Vergangene. Die allge-
meine freie Volksschule ist der Jdee uach in den Tageu der Neformation
gegründet worden. Damals, als die unterrichteten Laien ausstanden
und die altgläubige Geistlichkeit wohl hie und da vor versammelter
Gemeinde des Jrrtums, der Unkenntnis des Evangeliums überwiesen,
mußte wohl jeder wünschen, in diesen Dingen auf der eigenen Augen
Zeugnis trauen zu können. So sprach es denn Luther j52ls aus: „An
die Ratsherren aller Städte deutschcn Lands, daß sie christliche Schulen
aufrichten und halten sollen", allerdings vorwiegend gelehrte Schulen,
aber daneben auch überall Knaben- und Mädchenschulen mit mindestens
ein bis zwei Stunden täglichen Unterrichts; und schließlich wünscht er,
daß man „Fleiß und Kost nicht spare, gute Librareien oder Bücherhäuser,
sonderlich in den großen Städten, die solichs wohl vermügen, zu ver-
schaffen."

Die Städte, die Fürsten thaten, wie Luther gemahnt; einge-
zogenes Klostergut wurde zu Hospital- und Schulzwecken verwendet,
auch einige Büchereien richtete man ein. Die Obrigkeit bislang fast
ausschließlich aus Schutz und Schirm nach außen bedacht, sah sich
mit einem Male ganz neuen Aufgaben gegenüber. Sie wurde ihnen
gerecht, so gut es im damaligen aufreibenden Wechsel der Tage gehen
wollte. Nicht nur Schreib-, auch Lateinschulen wurden für die Stadt-
jugend aufgethan, und auf die Dörfer kam ein Quentlein Latein, alles
zum besseren Verständnis, zur größeren Ehre des Christenglaubcns.
Freilich, noch war kein durchgeführtes System, kcin Zwang in all dem
Treiben, und es deuchte manchem wohl ungewöhnlich, wenn die kur-
sächsische Schulordnung von j580 vcrlangte, daß die Dorfküster Schule
zu halten hatten über die und die bestimmten Dinge, und nicht mehr
so freiweg nach Belieben und Vermögen. Jm Großen und Ganzen
aber blieb es dabei, daß, wer nichts lernen wollte, aufwuchs wie das
Blümlein auf der Haiden, wer aber einen geistigen Trieb in sich hatte,
der suchte alsbald vom Küster und Schulmeister weg und an den
städtischen Magister zu gelangen, und schließlich zur Universität.

Merkwürdig genug, daß die Jdee der allgemernen Eildung, die
doch eine gewisse Ordnung und Sicherheit der äußeren Lebensverhält-
nisse voraussetzt, gerade zu einer Zeit nachhaltig in die Erscheinung
trat, als es in Deutschland recht wüst herging. Wieder wars ein
sächsischer Fürst, der sich ihrer annahm. Herzog Ernst der Fromme
von Coburg-Gotha, der „Bet-Ernst" bestimmte, H6^2, daß alle Landes-
kinder vom vollendeten fünften bis zum zwölsten Jahre Sommers und
Winters die Schule zu besuchen hätten. Damit war die erste staatliche

* Für das Thatsächliche in folgender Darstellung sind benutzt worden:
Ernst Schultze, Freie öffentliche Bibliothekcn. Arend Buchholz, Festschrift
der Stadt Berlin zum fünfzigjührigen Bestehen der Volksbibliotheken. Heinrich
Stephani, System der öffentlichen Erziehung. Emil Reike, Lehrer und
Unterrichtswesen in der deutschen Vergangcnheit. Die Volksbibliothek,
Monatsschrift. Jahrg. ^399, tZoo, tyot Blätter für Volksbibliotheken und
Lesehallen. Ganz besonders sei auf das treffliche Werk von Schultze verwiesen,
das die amerikanischen und englischen Vcrhältnisse in seltener Vollständigkeit
berücksichtigt.

Runstwart

370
 
Annotationen