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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,2.1902

DOI issue:
Heft 22 (2. Augustheft 1902)
DOI article:
Schlaikjer, Erich: Die Kunst und die kleinen Städte
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https://doi.org/10.11588/diglit.8191#0462

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vie liunsl uncl clie kleinen 8lääte.

Jm (5. Hefte des Kunstwarts sprachen wir von einer drohenden
Theaterkrise, die einen verschärsten Kampf zwischen der Kunst und den
Machern zur Folge haben könnte. Wir erwähnten schließlich die Bürg-
schaft, die wir heute immerhin gegen eine Gewaltherrschaft des Minder-
wertigen besitzen, die literarische Presse und die Bühnen, die von eigenem
künstlerischen Willen beseelt sind. Wir hätten etwa noch die Bühnen-
vereine nennen können, die unterschiedlichen „freien" Bühnen, in die ein
frischerer Zug kommen würde, wenn wieder Kampfstimmung in der
Luft liegen sollte. Eine Bürgschaft hätten wir damals besonders
gerne genannt, wenn sie nicht vorläufig ein schöner Traum der Zukunft
wäre. Wir meinen die starke künstlerische Macht, die in den kleinen
Städten, in den deutschen Krähwinkeln liegen künntc, wenn wir uns
nur rccht kräftig bemühen wollten, sie zu erobern.

Die kleinen Städte mit ihrer traulichen Philisterbehaglichkeit werden
bei uns zu sehr unter dem Gesichtswinkel des Scherzes betrachtet.
Gegen den Scherz an sich haben wir selbstverständlich nichts, wir ent-
setzen uns gar nicht darüber, wenn die Honoratioren von Kuhschnappel
einmal ausgelacht werden. Ach nein, wer über all die Honoratioren-
verrücktheit der kleinen Städte nicht lachen kann, der kann sie auch nicht
srohen Sinns genießen. Nur sollten wir beim Scherz nicht stehen bleiben;
im Ernst gesprochen: wir sollten die kleinen Städte mit ganzem Ernst
behandeln. Denn in der That: Wir gehören zu dencn, die vor der
Jntelligenz der Großstädter keinen besonderen Respekt verspüren, die viel-
mehr in manchen Beziehungen (und nicht zuletzt in künstlerischer) die
Jntelligenz der wohlsituierten Bauern und Kleinstädter höher schätzen.
Es ist wahr, der Großstädter bekommt im Strom der Welt einen sreieren
Blick; er ist beispielsweise in der Menschenwertung nicht ganz so ab-
hängig von dcr Rangordnung der „Liedertafel" und des Kaffeekrünzchens
wie der durchschnittliche Kleinstädter. Er sieht um sich hcrum große
Unternehmungen entstehen und sieht andcre zusammenstürzen, ohne daß

Runstwart 2. Augustheft ^902

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