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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,2.1902

DOI Heft:
Heft 22 (2. Augustheft 1902)
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Göhler, Georg: Giuseppe Martucci
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https://doi.org/10.11588/diglit.8191#0480

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Programme, und Dilettanten mit gutem Geschmack, einem guten Spieler am
Klavier und klingenden Streichinstrumenten sollten sich den Genuß nicht versagen,
den die Stücke geben können. Aber nicht durchspielen und unbefriedigt weg-
legen l „Ns8 ssvera rermn AauLiuin" heitzt es auch hier, nicht der Technik wcgen
die nur im Klaviersatze hier und da etwas verwegen wird, sondern wegen des
Gesamt-Tenors der Werke. Jn einem grotzen Konzert z. B. zwischen Sr>m-
phonien und Trillern gespielt, versagen sie völlig. Und doch smd sie das Beste
und Grötzte, was ich in dieser kleinen Mtteratur aus der neucn Zeit kenne.
vp. 67 Nr. I ist eine poetische Jmprovisation voll Wohllaut und Stille, Nr.
ein feines Genrebild voll Anmut und Grazie; Nr. 3 heitzt mit allem Recht
^.llegro xassiouato. Von den Stücken für Violoncello wird Nr. 2 wegen der
von uns Deutschen kaum zu erreichenden Klangschönheit seiner langgezogencn
Melodien allen Cellisten und den meisten Hörern das liebste wcrdcn. Aber
obwohl es wirklich zum Schwelgen im Ton herrlichste Gelegenheit gibt, ohne
daß sclbst „höher organisierte" Wesen durch Banalitäten beleidigt würdcn
möchte ich auch das grotze Allegro (Nr. s) den in Frage kommenden Musikern
und Liebhabern sehr empfehlen. Wie in allen den genannten Werken, so tritt
auch in den drei Klav ie r stücken op. 76 zu Tage, datz Martucci selbst sehr
gut Klavier spielen mutz. Darum werden auch diese Stücke, von denen ich
Nr. 2 und s den Preis geben möchte, nicht überall die Aufnahme finden können,
die sie verdienten. Sechs Lieder endlich, die als op. 68 erschienen sind, kommen
für uns fast nur als Beiträge zur Entwicklung des italienischen Liedes in
Betracht. Sie müssen mit dem italicnischen Texte, dcn fie sehr gut deklamieren,
schön klingen und könnten in ihrer Feinheit (vgl. Nr. s) vielen Deutschen als
Muster dienen, wie man auf grobe Effekte verzichtet.

Es bleiben noch die beiden umsangreichsten Werke Martuccis, sein
Klavier-Konzert in L-moll (ox. 66) und die Symphonie in v-inoll (ox. 75I
zu besprechen. Je mehr man in die Schönheiten dcs ersten eindringt, um so
tiefer wird das Bedauern darüber, daß dcr geschäftsmätzige Betrieb im Konzert-
leben unserer Tage für Werke dieser Art keinen Platz hat. Das Konzert gchört
zu jener kleinen Gattung moderner Klavierwerke, die das Orchester durchaus
als gleichwertigen Faktor dem Solo-Jnstrument gegenüber stellcn, zum Aus-
druck ihrcr Jdeen rein symphonische Technik verwcndcn und die Klangessckte,
die der virtuose Klaviersatz der Moderncn crlaubt, nur im Dicnste höherer
rein künstlerischer Absichten benutzen. Aber diesem vornchmen Wollcn verbindct
sich bei Martucci ein gleich bedeutendes Können, und die symphonische Anlage,
wie die Mitwirkung des Klaviers motivieren sich gleichsam selbst durch die Wahl
und die Verarbeitung des technischen Materials. So wird die inncre Not-
wcndigkeit erreicht, die jedes grotze Kunstwerk haben mutz. Der crste Satz ist
gleich grotz in der Führung der cinzelnen Melodien, wie in dcr Entwicklung
seiner Themen und der zum Teil grandiosen klanglichen Wirkung. Und nach
der Gefühlstiefe des reich koloristisch ausgezeichnetcn Larghcttos wirkt die
Frische des Schlutzsatzes, der mit sicherer Kunst bekannten Vorbildcrn nach-
gefühlt ist, ohne seine Selbständigkeit zu vcrlieren. Warum hört man aber
solch, ein Kunstwerk nie? Es erfordert allerdings enormen Fleitz und müßte
als Hauptwerk des Konzertabends gelten, in dessen Programm es stünde.
Das Orchester will wie in einer Symphonie studiert sein, und selbst bei dcn
vesten Kapellen wäre es unbedingt nötig, datz Orchester und Solist mehrmals
sehr gründlich mit einander probierten, wenn Licht und Schatten ganz den
Absichten dcs Komponisten gemätz verteilt sein sollen. Solange das Wcrk

2. Augustbeft 1902
 
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