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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,2.1902

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Heft 22 (2. Augustheft 1902)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8191#0498

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wie entfernt ich von der hypochondrischen Unbehaglichkeit bin, die so
viele Menschen mit ihrer Lage entzweyt, nnd daß nur die wichtigsten
Betrachtungen oder ganz sonderbare, mir unerwartete Fälle mich be-
wegen könnten meinen Posten zu verlaßen; und unverantwortlich wäre
cs auch gegen mich selbst, wenn ich zu einer Zeit, da die gepflanzten
Bäume zu wachsen ansangen und da man hoffcn kann beh der Acrndte
das Unkraut vom Waizen zu sondern, aus irgend einer Unbehaglich-
keit davon gienge und mich selbst um Schatten, Früchte und Aerndte
bringen wollte. Jndeß glauben Sie mir daß ein großcr Theil des
guten Muths, womit ich trage und würke aus dem Gedanken guillt,
daß alle dicse Aufopferungen freywillig sind und daß ich uur dürste
Postpferde anspannen laßen, um das nothdürftige und Angcnehme des
Lebens, mit einer unbedingten Ruhe, bey Jhnen wieder zu findcn.
Denn ohne diese Aussicht und wenn ich mich, in Stunden des Ver-
drußes, als Leibeignen und Tagelöhner um der Bedürfniße willen an-
fehen mützte, würde mir manches viel saurer werden.

*

An Charlotte v. Stein. (3s. März s782.)

Liebste Lotte daß doch der Mensch so viel sür sich thun kan und
so wenig für andre. Daß es doch ein fast nie befriedigter Wunsch ist
Menschen zu nuhen. Das meiste dessen ich persönlich fähig war hab
ich auf den Gipfel des Glücks gebracht, oder sehe vor mir es wird
werden. Für andre arbeit ich mich ab und erlange nichts, für mich mag
ich kaum einen Finger rühren und es wird mir alles auf einem Küsscn
überreicht.

*

An V. L. Plessing. (26. Juli s?82.)

So viel kann ich Sie versichern daß ich mitten im Glück in einem
anhaltenden Entsagen lebe, und täglich bey aller Mühe nnd Arbeit sehe
daß nicht mein Wille, sondern der Wille einer höheren Macht geschicht,
deren Gedancken nicht meine Gedancken sind.

-i-

An Charlotte v. Stein. (sv. August s782.)

Heute früh habe ich das Capitel im Wilhelm geendigt wovon ich
dir den Anfang dicktirte. Es machte mir eine gntc Stunde. Eigent-
lich bin ich zum Schriftsteller gebohren. Es gewährt mir cine reinere
Freude als iemals wenn ich etwas nach meinen Gedanckcn gut ge-
fchrieben habe. Lebe wohl. Erhalte mir die Seele meines Lebens,
Treibens und Schreibens.

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2. Augustheft
 
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