Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,2.1902

DOI Heft:
Heft 23 (1. Septemberheft 1902)
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.8191#0559

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
sind die vielen Jahre künstlerischen
Schaffens auch dahin. — Jeder der
Zuschauer hat etwas zu thun, niemand
darf Zuschauer sein, Klinger arbeiret
überall selbst mit, bis sich endlich der
Gießer vor den einen Osen auf die
Mauer stellt. Die Lenkstange hat er
in die Hand genommen und schnell das
in der vorderen Ofenwand befindliche
Gußloch aufgeschlagen. Alle beben!
Langsam, vorsichtig neigt sich der Ofen
vorwärts, während die Arbeiter die
Mulde untcn genau vorschieben und
dann wegspringen. Und nun sließt
dieser weiche, weiße Lichtstrom in die
Mulde, platscht gefährlich zischend auf
— Meteoren gleich springen glühende
Metallstücke in die Luft und sinken
dunkel zur Erde. Die lichie Bronze
aber fließt Lber die Mulde in das
Sammelbecken. Schnell werden Holz-
kohlen darauf geworfen. Das reinigt
und schützt zugleich vor schnellem Er-
kalten. Jmmer tiefer muß die Lenk-
stange herabgezogen werden, sie steht
sast an der Mulde. Wie glühende
Tropfsteingebilde hängen die letzten
Merallsträhne aus dem Ofenausguß.
Nun wird das Gußloch am zweiten
Ofen aufgeschlagen, d. h. der schlie-
ßende Stein entfernt, und wieder stürzt
das glühende Metall prasselnd in die
Mulde, über die es in das Sammel-
beckcn rinnt. Es sind wunderherrliche
und entsetzliche Momente. Der Gießer
stöhnt auf, wenn Metall aus der Mulde
springt. Denn alles ist nötig, sonst
reicht es nicht. Und jede kleine Ver-
zögerung bedeutet Mißglücken. Ehe
man es denkt, ist das Metall aus dem
dritten Ofen in das Becken geflossen.
Die glühende Bronze schwimmt im
Bassin. Der Gießer und ein anderer
fassen am Kolben, sie ziehen ihn mit
größter Kraftanstrcngung in dic Höhe

-es gelingt nicht! Noch zwei

andere müssen helfend beispringen.
Der Druck der ganzen, flüssigen Metall-
masse lastet am Kolben. Endlich wird
es möglich, ihn herauszuziehen —

die Leute sinken fast um. Und durch
die freigemachte Gußöffnung stürzr die
Bronze hinab. Alles wartet, allcs
ist totenstill. — Noch immer kein Laut?
Da! ein Knall, und die Watte der Lufl-
abzüge fliegt pfropfenartig in die Höhc.
Dies ist das sichere Zeichen, daß der
Guß gelang. Man sah nach der Zeit
— 2 Uhr morgens!"

* »Kunsterziehung"auchin
die höheren Schulen!

Es darf daran erinnert werden,
daß die Jdee des Kunsterziehungs-
tages im Grunde auf eine ähnliche
Absicht des Vereins zurückzuführen ist,
den die wohl soooo deutschen Volks-
schullehrer bilden. So kam's, daß
man in Dresden programmgemäß fast
nur die Volksschule ins Auge faßte.
Die Erzieher der breiten Volksmassen
wollen in mannigfacher Weise die
Kunst mitwirken lassen bei ihrem Be-
mühen, des Kindes Anschauungsver-
mögen zu fördern, deS VolkeS Freude
an der Kunst zu heben.

Der sozialreformatorische Kern
dieser Forderung lüßt sich nicht ver-
kennen, ihr Wert nicht wegleugnen.
Man will ja kein neues Utopien. Die
„Kunsterzieher" wähnen nicht, dem
prvkammi vulgus Verständnis für die
höchsten künstlerischen Werte einflößen
zu können. Kein Einsichtiger erstrebt
das, wünscht das. Wie sehr aber
bei einer allgcmeinen künstlerischeren
Kultur des Volkes Freude an dcr
schönen Gestaltung selbst alltäglicher
Dinge sich steigert, das konnte man
z. B. dem Blatte „zur ästhetischen
Kultur" unseres zweiten Oktoberheftcs
ohne wsitereS absehen, daS auf eincn
Geviertmeter Mauerwand drei einge-
lassene Wasserhöhenmarken aus ver-
schiedenen Jahrzehnten zeigte. Es
ließen sich leicht noch andere Höhen-
messer künstlerischer Natur abbilden —
„Höhenmesser," wenn luous a non
lueenäo.

Aber niemandem möge es verargt
werden, ein Sympton in des Wortes
k. Septemberhcft 1902

— 505
 
Annotationen