B. Kapitularien: Herstal 779 und Ver 884
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B. Kapitularien: Herstal 779 und Ver 884
Kapitularien zählen zweifellos zu den rätselhaftesten Quellen der Karolingerzeit '.
Zwar liegen die meisten Texte seit mehr als hundert Jahren ediert vorA Gleichwohl
hat die Kapitularienforschung reichlich Stoff für Debatten und Kontroversen gefun-
den, die bis heute nicht gelöst sind' . Umstritten sind nach wie vor die Möglichkei-
ten der Einteilung und Gruppierung der einzelnen Texte'*''; strittig sind die Abgren-
zung zwischen Kapitularien und verwandten Texten^, die Entstehungsbedingungen
77 Grundlegend für die jüngere Forschung wurde GANsnoF, Kapitularien 1961; aus der älteren
Literatur noch lesenswert: SEELiGER, Kapitularien 1893.
78 Capitularia regum Francorum I, ed. BoRETius 1883; Capitularia regum Francorum II, ed. Bo-
RETius/KRAUSE 1897 [sofern nicht anders angegeben, sind die Kapitularien im folgenden nach
dieser Ausgabe zitiert, und zwar unter Angabe der Editionsnummer und des - meist von den
Editoren ersonnenen - lateinischen Titels]. Die wenigen Neufunde, die es seither gegeben hat,
sind gedruckt bei MoRDEK, Bibliotheca 1995, 973-1028. (Vgl. dazu jedoch einschränkend Po-
KORNY, Brief-Instruktion 1996, 78f., Anm. 93, der bezweifelt, daß der von MoRDEK/ScHMiTZ,
Kapitularien 1987 396-414, erstmals publizierte und bei MoRDEK, Bibliotheca 1995, Nr. 12,981-
989, erneut abgedruckte Text tatsächlich ein Kapitular Karls des Großen sei.) - So umfassend
die alte MGH-Ausgabe ist, sie bleibt in vielerlei Hinsicht unbefriedigend, da sie keinen zuver-
lässigen Aufschluß über die handschriftliche Überlieferung der einzelnen Stücke gibt: Vgl.
SiEiN, Etüde 1941, 2-5; GANSHOF, Kapitularien 1961, 20; NELSON, Legislation 1986, 91; zuletzt
wieder Bucx, Admonitio 1997 16f. Einen gewissen Ersatz bietet die von MoRDEK 1995 heraus-
gegebene »Bibliotheca capitularium regum Francorum manuscripta«.
79 Überblicke über die Forschungsprobleme bieten MoRDEK, Kapitularien 1986; DERS., Kapitula-
rien 2000; CAMPBELL, Kapitularien 1996; Bucx, Admonitio 1997 1*8-
80 Vgl. Bucx, Admonitio 1997 25-31. Kritik an der Einteilung der Kapitularien in »Capitularia
missorum«, »Capitularia legibus addenda« und »Capitularia per se scribenda«, die BoRETius,
Capitularien 1864, begründet hat, übte bereits BESELER, Gesetzeskraft 1871, bes. 20-23; BoRE-
Tius, Lex 1874, verteidigte zwar seine Lehre, doch erneuerten SEELiGER, Kapitularien 1893,
WAiTZ, Capitularia 1896, und STEIN, Lex 1926, die Kritik mit durchschlagenden Argumenten.
Dennoch ist die Einteilung durch Boretius auch in der jüngeren Forschung bisweilen noch ge-
genwärtig: Vgl. etwa GANSHOF, Kapitularien 1961, 28f.; zuletzt deutlich ablehnend: CAMPBELL,
Kapitularien 1996, 28f. - GANSHOF, Kapitularien 1961, 120-123, hat versucht, die Kapitularien
nach den modernen Begriffen »Gesetz«, »normativer Akt der Verwaltung« und »gewöhnlicher
Akt der Verwaltung« einzuteilen, ist damit aber bei ECKHARDT, Kapitularien 1962, auf berech-
tigte Kritik gestoßen.
81 Unklar ist etwa die Abgrenzung zwischen den »capitula episcoporum« und den Kapitularien:
Die beiden Textgruppen ähneln sich immerhin so stark, daß Boretius gleich mehrere »capitula
episcoporum« versehentlich in seine Edition der Herrscherkapitularien aufgenommen hat
(den Nachweis führt FiNSTERWALDER, Untersuchungen 1938, für die Nrr. 36, 81, 83f., 96 und
116-120 der Edition; für Nr. 38, das Finsterwalder ebenfalls für ein Bischofskapitular hielt, be-
streitet dies MoRDEK, Bibliotheca 1995,366). Während BÜHLER, Capitularia 1986,441, die Herr-
scherkapitularien und die »capitula episcoporum« gleichermaßen in seiner Kapitulariendefi-
nition zu fassen versucht, betont MoRDEK, Kapitularien 1986, 26f., die Unterschiede zwischen
beiden Textgruppen; die ältere Debatte ist zusammengefaßt bei CAMPBELL, Kapitularien 1996,
27f. - In der vorliegenden Arbeit werden die »capitula episcoporum« als eigene Quellengruppe
behandelt, weil sie unvermittelter als die Herrscherkapitularien das Wissen des Episkopats
widerspiegeln und an eine fester umrissene Zielgruppe gerichtet waren; wie problematisch
die Zuschreibung im Einzelfall sein kann, zeigt die Kontroverse zwischen PoxoRNY, Capitula
2005,93-96 und VAN RHijN, Shepherds 2007 219-228.
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B. Kapitularien: Herstal 779 und Ver 884
Kapitularien zählen zweifellos zu den rätselhaftesten Quellen der Karolingerzeit '.
Zwar liegen die meisten Texte seit mehr als hundert Jahren ediert vorA Gleichwohl
hat die Kapitularienforschung reichlich Stoff für Debatten und Kontroversen gefun-
den, die bis heute nicht gelöst sind' . Umstritten sind nach wie vor die Möglichkei-
ten der Einteilung und Gruppierung der einzelnen Texte'*''; strittig sind die Abgren-
zung zwischen Kapitularien und verwandten Texten^, die Entstehungsbedingungen
77 Grundlegend für die jüngere Forschung wurde GANsnoF, Kapitularien 1961; aus der älteren
Literatur noch lesenswert: SEELiGER, Kapitularien 1893.
78 Capitularia regum Francorum I, ed. BoRETius 1883; Capitularia regum Francorum II, ed. Bo-
RETius/KRAUSE 1897 [sofern nicht anders angegeben, sind die Kapitularien im folgenden nach
dieser Ausgabe zitiert, und zwar unter Angabe der Editionsnummer und des - meist von den
Editoren ersonnenen - lateinischen Titels]. Die wenigen Neufunde, die es seither gegeben hat,
sind gedruckt bei MoRDEK, Bibliotheca 1995, 973-1028. (Vgl. dazu jedoch einschränkend Po-
KORNY, Brief-Instruktion 1996, 78f., Anm. 93, der bezweifelt, daß der von MoRDEK/ScHMiTZ,
Kapitularien 1987 396-414, erstmals publizierte und bei MoRDEK, Bibliotheca 1995, Nr. 12,981-
989, erneut abgedruckte Text tatsächlich ein Kapitular Karls des Großen sei.) - So umfassend
die alte MGH-Ausgabe ist, sie bleibt in vielerlei Hinsicht unbefriedigend, da sie keinen zuver-
lässigen Aufschluß über die handschriftliche Überlieferung der einzelnen Stücke gibt: Vgl.
SiEiN, Etüde 1941, 2-5; GANSHOF, Kapitularien 1961, 20; NELSON, Legislation 1986, 91; zuletzt
wieder Bucx, Admonitio 1997 16f. Einen gewissen Ersatz bietet die von MoRDEK 1995 heraus-
gegebene »Bibliotheca capitularium regum Francorum manuscripta«.
79 Überblicke über die Forschungsprobleme bieten MoRDEK, Kapitularien 1986; DERS., Kapitula-
rien 2000; CAMPBELL, Kapitularien 1996; Bucx, Admonitio 1997 1*8-
80 Vgl. Bucx, Admonitio 1997 25-31. Kritik an der Einteilung der Kapitularien in »Capitularia
missorum«, »Capitularia legibus addenda« und »Capitularia per se scribenda«, die BoRETius,
Capitularien 1864, begründet hat, übte bereits BESELER, Gesetzeskraft 1871, bes. 20-23; BoRE-
Tius, Lex 1874, verteidigte zwar seine Lehre, doch erneuerten SEELiGER, Kapitularien 1893,
WAiTZ, Capitularia 1896, und STEIN, Lex 1926, die Kritik mit durchschlagenden Argumenten.
Dennoch ist die Einteilung durch Boretius auch in der jüngeren Forschung bisweilen noch ge-
genwärtig: Vgl. etwa GANSHOF, Kapitularien 1961, 28f.; zuletzt deutlich ablehnend: CAMPBELL,
Kapitularien 1996, 28f. - GANSHOF, Kapitularien 1961, 120-123, hat versucht, die Kapitularien
nach den modernen Begriffen »Gesetz«, »normativer Akt der Verwaltung« und »gewöhnlicher
Akt der Verwaltung« einzuteilen, ist damit aber bei ECKHARDT, Kapitularien 1962, auf berech-
tigte Kritik gestoßen.
81 Unklar ist etwa die Abgrenzung zwischen den »capitula episcoporum« und den Kapitularien:
Die beiden Textgruppen ähneln sich immerhin so stark, daß Boretius gleich mehrere »capitula
episcoporum« versehentlich in seine Edition der Herrscherkapitularien aufgenommen hat
(den Nachweis führt FiNSTERWALDER, Untersuchungen 1938, für die Nrr. 36, 81, 83f., 96 und
116-120 der Edition; für Nr. 38, das Finsterwalder ebenfalls für ein Bischofskapitular hielt, be-
streitet dies MoRDEK, Bibliotheca 1995,366). Während BÜHLER, Capitularia 1986,441, die Herr-
scherkapitularien und die »capitula episcoporum« gleichermaßen in seiner Kapitulariendefi-
nition zu fassen versucht, betont MoRDEK, Kapitularien 1986, 26f., die Unterschiede zwischen
beiden Textgruppen; die ältere Debatte ist zusammengefaßt bei CAMPBELL, Kapitularien 1996,
27f. - In der vorliegenden Arbeit werden die »capitula episcoporum« als eigene Quellengruppe
behandelt, weil sie unvermittelter als die Herrscherkapitularien das Wissen des Episkopats
widerspiegeln und an eine fester umrissene Zielgruppe gerichtet waren; wie problematisch
die Zuschreibung im Einzelfall sein kann, zeigt die Kontroverse zwischen PoxoRNY, Capitula
2005,93-96 und VAN RHijN, Shepherds 2007 219-228.