B. Neue Modellvorstellungen über Bischöfe
135
B. Neue Modellvorstellungen über Bischöfe
und ihre Aufgaben im Reich
Seit den 820er Jahren bildete sich in kurzer Zeit ein neues Repertoire von Kategorien
heraus, um das Bischofsamt, die Aufgaben der Bischöfe und ihre Stellung in der
politischen Ordnung des Reiches zu beschreiben. Meilensteine dieses Umbruchs
waren zum einen die »Ordinatio« Ludwigs des Frommen von 823/25, zum anderen
die Akten des Pariser Konzils von 829. Das in diesen Schriften ausformulierte Mo-
dell bischöflichen Wirkens wird aber auch in anderen Texten der Zeit greifbar, in
der Historio- und Hagiographie ebenso wie in Briefen. Die in diesen wenigen Jah-
ren etablierten Kategorien zur Erfassung bischöflichen Handelns blieben langfri-
stig wirksam; und sie sollten die Rolle der Bischöfe in der Politik verändern. Das
rechtfertigt es, im folgenden die beiden Schlüsseltexte der Zeit genau zu analysie-
ren. Vorab aber sind die Rahmenbedingungen anzusprechen, die es ermöglichten
und nahelegten, daß sich in den späteren 820er Jahren ein neues, umfassendes Bi-
schofsmodell ausprägte.
1. Die Rahmenbedingungen
In ihren Berichten seit 823 künden die Reichsannalen von unheilvollen Ereignissen.
Die Aachener Pfalz sei von einem Erdbeben erschüttert worden, heißt es zu 823; in
Sachsen seien 23 Orte von »himmlischem Feuer« verwüstet worden, in vielen Re-
gionen hätten Hagelkörner, vermischt mit Steinen, die Getreideernte vernichtet, un-
gewöhnlich viele Häuser, Tiere und Menschen habe der Blitz getroffen. Darauf sei
eine gewaltige Seuche ausgebrochen, die im gesamten Frankenreich ungezählte
Menschen das Leben gekostet habe"/ Das Jahr 824 brachte keine Besserung: Der
Winter sei sehr lang gewesen, berichtet der Eintrag, nicht nur Tiere, auch Menschen
seien darum erfroren"/
Spätestens von 826 an glitt das Reich auch politisch in eine Krise"/ Im August
oder September des Jahres erreichten den Hof Nachrichten über den Aufstand des
Aizo in der Spanischen Mark"/ 827 entsandte Ludwig ein Heer unter der Führung
der Grafen Hugo und Matfrid/ die jedoch erst im Zielgebiet ankamen, als es schon
zu spät war. Im Februar 828 ließ Ludwig die beiden Grafen wegen ihrer Zögerlich-
keit absetzen"/ im Juni schickte er von neuem ein Heer in die Spanische Mark, nun
193 Annales regni Francorum, a. 823,1631.; ihnen folgend auch die Annales Fuldenses, a. 823,23.
194 Annales regni Francorum, a. 824,164; im Wortlaut abweichend, in der Sache aber ähnlich: An-
nales Fuldenses, a. 824,23.
195 Vgl. dazu vor allem die detaillierte Schilderung bei GANsnoF, Vorabend 1972; außerdem die
ereignisgeschichtlichen Überblicke bei SiMSON, Jahrbücher 1874, I, 153-340; Loi/HALPHEN,
Regne 1909,3-6; BosnoF, Ludwig 1996,151-181.
196 Annales regni Francorum, a. 826,170; zur Sache vgl. SiMSON, Jahrbücher 1874,1, 273-277; Bos-
HOF, Ludwig 1996,169; zum Kontext auch TREMP, Paderborn 2002,294-296.
197 Annales regni Francorum, a. 827,127f.; zu Matfrids Rolle bei Hof vgl. DEPREUX, Comte 1994.
198 Annales regni Francorum, a. 828,174.
135
B. Neue Modellvorstellungen über Bischöfe
und ihre Aufgaben im Reich
Seit den 820er Jahren bildete sich in kurzer Zeit ein neues Repertoire von Kategorien
heraus, um das Bischofsamt, die Aufgaben der Bischöfe und ihre Stellung in der
politischen Ordnung des Reiches zu beschreiben. Meilensteine dieses Umbruchs
waren zum einen die »Ordinatio« Ludwigs des Frommen von 823/25, zum anderen
die Akten des Pariser Konzils von 829. Das in diesen Schriften ausformulierte Mo-
dell bischöflichen Wirkens wird aber auch in anderen Texten der Zeit greifbar, in
der Historio- und Hagiographie ebenso wie in Briefen. Die in diesen wenigen Jah-
ren etablierten Kategorien zur Erfassung bischöflichen Handelns blieben langfri-
stig wirksam; und sie sollten die Rolle der Bischöfe in der Politik verändern. Das
rechtfertigt es, im folgenden die beiden Schlüsseltexte der Zeit genau zu analysie-
ren. Vorab aber sind die Rahmenbedingungen anzusprechen, die es ermöglichten
und nahelegten, daß sich in den späteren 820er Jahren ein neues, umfassendes Bi-
schofsmodell ausprägte.
1. Die Rahmenbedingungen
In ihren Berichten seit 823 künden die Reichsannalen von unheilvollen Ereignissen.
Die Aachener Pfalz sei von einem Erdbeben erschüttert worden, heißt es zu 823; in
Sachsen seien 23 Orte von »himmlischem Feuer« verwüstet worden, in vielen Re-
gionen hätten Hagelkörner, vermischt mit Steinen, die Getreideernte vernichtet, un-
gewöhnlich viele Häuser, Tiere und Menschen habe der Blitz getroffen. Darauf sei
eine gewaltige Seuche ausgebrochen, die im gesamten Frankenreich ungezählte
Menschen das Leben gekostet habe"/ Das Jahr 824 brachte keine Besserung: Der
Winter sei sehr lang gewesen, berichtet der Eintrag, nicht nur Tiere, auch Menschen
seien darum erfroren"/
Spätestens von 826 an glitt das Reich auch politisch in eine Krise"/ Im August
oder September des Jahres erreichten den Hof Nachrichten über den Aufstand des
Aizo in der Spanischen Mark"/ 827 entsandte Ludwig ein Heer unter der Führung
der Grafen Hugo und Matfrid/ die jedoch erst im Zielgebiet ankamen, als es schon
zu spät war. Im Februar 828 ließ Ludwig die beiden Grafen wegen ihrer Zögerlich-
keit absetzen"/ im Juni schickte er von neuem ein Heer in die Spanische Mark, nun
193 Annales regni Francorum, a. 823,1631.; ihnen folgend auch die Annales Fuldenses, a. 823,23.
194 Annales regni Francorum, a. 824,164; im Wortlaut abweichend, in der Sache aber ähnlich: An-
nales Fuldenses, a. 824,23.
195 Vgl. dazu vor allem die detaillierte Schilderung bei GANsnoF, Vorabend 1972; außerdem die
ereignisgeschichtlichen Überblicke bei SiMSON, Jahrbücher 1874, I, 153-340; Loi/HALPHEN,
Regne 1909,3-6; BosnoF, Ludwig 1996,151-181.
196 Annales regni Francorum, a. 826,170; zur Sache vgl. SiMSON, Jahrbücher 1874,1, 273-277; Bos-
HOF, Ludwig 1996,169; zum Kontext auch TREMP, Paderborn 2002,294-296.
197 Annales regni Francorum, a. 827,127f.; zu Matfrids Rolle bei Hof vgl. DEPREUX, Comte 1994.
198 Annales regni Francorum, a. 828,174.