B. Folgerungen zum Bischofsbild der Karolingerzeit
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gen eine Gruppe bereits länger etablierter Ratgeber des Kaisers durchzusetzen und
als Kämmerer zum wichtigsten Berater Ludwigs des Frommen aufzuschwingen.
Nicht minder ist die Geschichte der Verbreitung und Reproduktion des Bischofs-
modells durch politische Konflikte und auch durch Zwang und Gewalt gekenn-
zeichnet. Die in den Pariser Akten von 829 oder der »Ordinatio« von 823/25 begrün-
deten Kategorien wurden in politischen Auseinandersetzungen angewendet: Die
Beispiele reichen von den Streitigkeiten der Karolinger in den 830er Jahren bis hin
zur Inhaftierung Rathers von Verona durch Hugo von Italien in den 930er Jahren.
Vielleicht wird man sogar noch einen Schritt weitergehen dürfen: Gerade in derar-
tigen Auseinandersetzungen bestand Anlaß, über grundlegende Fragen der politi-
schen Ordnung nachzudenken und darüber schriftlich Rechenschaft abzulegen.
Daher führten gerade Konflikte mehrfach dazu, daß das in den 820er Jahren erar-
beitete Modell des Miteinanders von König, Episkopat, weltlichen Großen und
christlichem Volk reproduziert, verbreitet und dadurch letzthin zu einem Wissen
zumindest der Eliten des Frankenreichs verfestigt wurde.
B. Folgerungen zum Bischofsbild der Karolingerzeit
Das hiermit umrissene Panorama des Wissens über Bischöfe bereichert die For-
schung zum mittelalterlichen Bischofsbild. Heinz Hürten hat zu Recht betont, daß
die »Regula Pastoralis« Gregors des Großen in der Karolingerzeit gewissermaßen
zur Pflichtlektüre für die Geistlichkeit avancierte und das Bischofsbild des 9. Jahr-
hunderts maßgeblich mitgeprägt hat/ Allerdings hat die vorliegende Untersuchung
gezeigt, daß neben diesem Text auch Gregors 17. Evangelienhomilie die damaligen
Vorstellungen über Bischöfe tief beeinflußt hat. Zumindest im Norden des west-
fränkischen Reiches fand sie eine weite Verbreitung, sogar bis hinab auf die Ebene
der Landpfarreien.
Nun hat Hürten nachgewiesen, daß der Mönch Gregor in seiner »Regula Pasto-
ralis« selbst zwar die weltlichen Lasten des Bischofsamts als Aufgaben und Pflicht
ernstgenommen habe; doch seien sie ihm weniger wichtig erschienen als die Sorge
um das Seelenheil der Christenheit. Hürten hat daraus gefolgert, daß Gregors Amts-
ideal »nicht allgemein als die theologische Begründung für die weltliche Tätigkeit
der Bischöfe und ihre spätere landesherrliche Stellung gegolten hat«/ Bezogen auf
Gregors eigene Sicht des Bischofsamts ist diese Analyse überzeugend; doch hat man
bei der intensiven Rezeption der »Regula Pastoralis« und der Evangelienhomilien
in den 820er Jahren diese Auffassung des Mönchspapstes nicht übernommen: Als
Versatzstück neben gelasianischem Gedankengut, neben Ideen des Fulgentius, des
Julianus Pomerius und anderer Theologen in das >Pariser Modell< integriert, diente
gerade Gregors Berufung auf die von Gott übertragene Sorge für das irdische Wohl
der Christenheit dazu, die aktive Beteiligung der Bischöfe am politischen Gesche-
4 HÜRTEN, Gregor 1962,16-18; DERS., Verbindung 1971,18.
5 HÜRTEN, Gregor 1962,41.
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gen eine Gruppe bereits länger etablierter Ratgeber des Kaisers durchzusetzen und
als Kämmerer zum wichtigsten Berater Ludwigs des Frommen aufzuschwingen.
Nicht minder ist die Geschichte der Verbreitung und Reproduktion des Bischofs-
modells durch politische Konflikte und auch durch Zwang und Gewalt gekenn-
zeichnet. Die in den Pariser Akten von 829 oder der »Ordinatio« von 823/25 begrün-
deten Kategorien wurden in politischen Auseinandersetzungen angewendet: Die
Beispiele reichen von den Streitigkeiten der Karolinger in den 830er Jahren bis hin
zur Inhaftierung Rathers von Verona durch Hugo von Italien in den 930er Jahren.
Vielleicht wird man sogar noch einen Schritt weitergehen dürfen: Gerade in derar-
tigen Auseinandersetzungen bestand Anlaß, über grundlegende Fragen der politi-
schen Ordnung nachzudenken und darüber schriftlich Rechenschaft abzulegen.
Daher führten gerade Konflikte mehrfach dazu, daß das in den 820er Jahren erar-
beitete Modell des Miteinanders von König, Episkopat, weltlichen Großen und
christlichem Volk reproduziert, verbreitet und dadurch letzthin zu einem Wissen
zumindest der Eliten des Frankenreichs verfestigt wurde.
B. Folgerungen zum Bischofsbild der Karolingerzeit
Das hiermit umrissene Panorama des Wissens über Bischöfe bereichert die For-
schung zum mittelalterlichen Bischofsbild. Heinz Hürten hat zu Recht betont, daß
die »Regula Pastoralis« Gregors des Großen in der Karolingerzeit gewissermaßen
zur Pflichtlektüre für die Geistlichkeit avancierte und das Bischofsbild des 9. Jahr-
hunderts maßgeblich mitgeprägt hat/ Allerdings hat die vorliegende Untersuchung
gezeigt, daß neben diesem Text auch Gregors 17. Evangelienhomilie die damaligen
Vorstellungen über Bischöfe tief beeinflußt hat. Zumindest im Norden des west-
fränkischen Reiches fand sie eine weite Verbreitung, sogar bis hinab auf die Ebene
der Landpfarreien.
Nun hat Hürten nachgewiesen, daß der Mönch Gregor in seiner »Regula Pasto-
ralis« selbst zwar die weltlichen Lasten des Bischofsamts als Aufgaben und Pflicht
ernstgenommen habe; doch seien sie ihm weniger wichtig erschienen als die Sorge
um das Seelenheil der Christenheit. Hürten hat daraus gefolgert, daß Gregors Amts-
ideal »nicht allgemein als die theologische Begründung für die weltliche Tätigkeit
der Bischöfe und ihre spätere landesherrliche Stellung gegolten hat«/ Bezogen auf
Gregors eigene Sicht des Bischofsamts ist diese Analyse überzeugend; doch hat man
bei der intensiven Rezeption der »Regula Pastoralis« und der Evangelienhomilien
in den 820er Jahren diese Auffassung des Mönchspapstes nicht übernommen: Als
Versatzstück neben gelasianischem Gedankengut, neben Ideen des Fulgentius, des
Julianus Pomerius und anderer Theologen in das >Pariser Modell< integriert, diente
gerade Gregors Berufung auf die von Gott übertragene Sorge für das irdische Wohl
der Christenheit dazu, die aktive Beteiligung der Bischöfe am politischen Gesche-
4 HÜRTEN, Gregor 1962,16-18; DERS., Verbindung 1971,18.
5 HÜRTEN, Gregor 1962,41.