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V. Das Wissen über Bischöfe im späteren 9. und frühen 10. Jahrhundert
schüfe, ihr Amt, ihr Verhältnis zu ihrer Gemeinde und ihre Rolle in der politischen
Ordnung des Reiches.
4. Die Wiederaufnahme des Verfahrens durch die Synode von Soissons 866
Vor allem zweierlei führte dazu, daß Ebos Fall in den Jahren 866/67 von Neuem
eine Flut von Denkschriften, Briefen und Stellungnahmen auslöste und ein weiteres
Mal zwei große westfränkische Synoden und den Papst beschäftigte. 862 hatte
Hinkmar seinen Suffragan Rothad von Soissons absetzen lassen; der erhob darauf-
hin in Rom Klage gegen Hinkmar - und wußte Nikolaus I. davon zu überzeugen,
daß der Reimser Erzbischof durchaus nicht immer nach dem Kirchenrecht han-
dele^'. War Hinkmar schon von dieser Seite her in Bedrängnis geraten, so kam nun
866 ein zweiter Zusammenhang hinzu: Einer der Geistlichen, die 840/41 von Ebo
geweiht worden waren und 853 in Soissons eine Niederlage gegen Hinkmar erlitten
hatten, war Wulfad; ihn hatte Karl der Kahle mittlerweile als Höfling schätzen ge-
lernt und zum Erzieher seines Sohnes Karlmann berufen. Schon 856 hatte Wulfad
versucht, die vakante sc&s von Langres zu erhalten - war aber nicht zuletzt wegen
Hinkmars Einschreiten gescheitert^. Am 21. Juni 866 nun starb der Erzbischof Ra-
dulf von Bourges^, und Karl wünschte den wichtigen Erzsitz, der in einem nur
unzureichend von ihm kontrollierten Gebiet lag, an Wulfad zu vergeben '/ Dazu
mußte Wulfad allerdings die Erlaubnis erhalten, die Priester- und schließlich die
Bischofsweihe zu empfangen.
Von Nikolaus I. und Karl dem Kahlen (aus verschiedenen Motiven heraus) un-
ter Druck gesetzt, konnte Hinkmar nicht umhin, den gesamten Fall ein weiteres
Mal verhandeln zu lassen. Nikolaus forderte ihn in einem Schreiben vom 3. April
866 auf, noch im selben Jahr zu diesem Zweck eine Synode abzuhalterGZ Ermah-
nungen gleicher Art sandte er an Karl den Kahlen^ und an die Erzbischöfe des
Frankenreiches; erhalten sind die Schreiben an Ado von Vienne und Herard von
Tours, die beide ebenfalls vom 3. April datieren^/ So traten im August 866 neben
Hinkmar die Erzbischöfe von Lyon, Bordeaux, Tours, Rouen, Sens und Mainz mit
insgesamt 28 ihrer Suffragane zusammen - zumindest ein bedeutender Teil des
512 Vgl. zum Verlauf dieser Auseinandersetzung und zum Stellenwert der pseudo-isidorischen
Fälschungen darin: FUHRMANN, Einfluß 1973, II, 254-272; außerdem PERELS, Denkschrift 1922;
HARTMANN, Synoden 1989,313-316; DERS., Autorität 1998,120f. - Zum Selbstverständnis Niko-
laus' I., soweit es sich in seinen Briefen widerspiegelt, vgl. GoETZ, Auctoritas 1993 (dort 32 zu
Rothad von Soissons).
513 Zu Wulfad vgl. BAUER, Wulfad 1998; HARTMANN, Autorität 1998,121.
514 Zum Tod Radulfs von Bourges: HARTMANN, Synoden 1989, 317; VAN EicKELS, Radulf 1999,
Sp. 798.
515 Vgl. dazu Karls des Kahlen Brief an Nikolaus I. vom Spätsommer 866, ed. HARTMANN 1998,
Nr. 23,222, Z. 14-31.
516 Nikolaus I., Epistolae, Nr. 74,404-407.
517 Das nur fragmentarisch überlieferte Schreiben ist gedruckt: Nikolaus I., Epistolae, Nr. 73,402-
404.
518 Nikolaus I., Epistolae, Nr. 75-76,407-411.
V. Das Wissen über Bischöfe im späteren 9. und frühen 10. Jahrhundert
schüfe, ihr Amt, ihr Verhältnis zu ihrer Gemeinde und ihre Rolle in der politischen
Ordnung des Reiches.
4. Die Wiederaufnahme des Verfahrens durch die Synode von Soissons 866
Vor allem zweierlei führte dazu, daß Ebos Fall in den Jahren 866/67 von Neuem
eine Flut von Denkschriften, Briefen und Stellungnahmen auslöste und ein weiteres
Mal zwei große westfränkische Synoden und den Papst beschäftigte. 862 hatte
Hinkmar seinen Suffragan Rothad von Soissons absetzen lassen; der erhob darauf-
hin in Rom Klage gegen Hinkmar - und wußte Nikolaus I. davon zu überzeugen,
daß der Reimser Erzbischof durchaus nicht immer nach dem Kirchenrecht han-
dele^'. War Hinkmar schon von dieser Seite her in Bedrängnis geraten, so kam nun
866 ein zweiter Zusammenhang hinzu: Einer der Geistlichen, die 840/41 von Ebo
geweiht worden waren und 853 in Soissons eine Niederlage gegen Hinkmar erlitten
hatten, war Wulfad; ihn hatte Karl der Kahle mittlerweile als Höfling schätzen ge-
lernt und zum Erzieher seines Sohnes Karlmann berufen. Schon 856 hatte Wulfad
versucht, die vakante sc&s von Langres zu erhalten - war aber nicht zuletzt wegen
Hinkmars Einschreiten gescheitert^. Am 21. Juni 866 nun starb der Erzbischof Ra-
dulf von Bourges^, und Karl wünschte den wichtigen Erzsitz, der in einem nur
unzureichend von ihm kontrollierten Gebiet lag, an Wulfad zu vergeben '/ Dazu
mußte Wulfad allerdings die Erlaubnis erhalten, die Priester- und schließlich die
Bischofsweihe zu empfangen.
Von Nikolaus I. und Karl dem Kahlen (aus verschiedenen Motiven heraus) un-
ter Druck gesetzt, konnte Hinkmar nicht umhin, den gesamten Fall ein weiteres
Mal verhandeln zu lassen. Nikolaus forderte ihn in einem Schreiben vom 3. April
866 auf, noch im selben Jahr zu diesem Zweck eine Synode abzuhalterGZ Ermah-
nungen gleicher Art sandte er an Karl den Kahlen^ und an die Erzbischöfe des
Frankenreiches; erhalten sind die Schreiben an Ado von Vienne und Herard von
Tours, die beide ebenfalls vom 3. April datieren^/ So traten im August 866 neben
Hinkmar die Erzbischöfe von Lyon, Bordeaux, Tours, Rouen, Sens und Mainz mit
insgesamt 28 ihrer Suffragane zusammen - zumindest ein bedeutender Teil des
512 Vgl. zum Verlauf dieser Auseinandersetzung und zum Stellenwert der pseudo-isidorischen
Fälschungen darin: FUHRMANN, Einfluß 1973, II, 254-272; außerdem PERELS, Denkschrift 1922;
HARTMANN, Synoden 1989,313-316; DERS., Autorität 1998,120f. - Zum Selbstverständnis Niko-
laus' I., soweit es sich in seinen Briefen widerspiegelt, vgl. GoETZ, Auctoritas 1993 (dort 32 zu
Rothad von Soissons).
513 Zu Wulfad vgl. BAUER, Wulfad 1998; HARTMANN, Autorität 1998,121.
514 Zum Tod Radulfs von Bourges: HARTMANN, Synoden 1989, 317; VAN EicKELS, Radulf 1999,
Sp. 798.
515 Vgl. dazu Karls des Kahlen Brief an Nikolaus I. vom Spätsommer 866, ed. HARTMANN 1998,
Nr. 23,222, Z. 14-31.
516 Nikolaus I., Epistolae, Nr. 74,404-407.
517 Das nur fragmentarisch überlieferte Schreiben ist gedruckt: Nikolaus I., Epistolae, Nr. 73,402-
404.
518 Nikolaus I., Epistolae, Nr. 75-76,407-411.