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Patzold, Steffen; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Episcopus: Wissen über Bischöfe im Frankenreich des späten 8. bis frühen 10. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 25: Ostfildern, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.34736#0206

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B. Reproduktion des Bischofsmodells in Texten

205

dere den Kaiser zu schandbaren Verstößen gegen seine Aufgaben verführtAn-
ders als die Bischöfe in ihrem Gesamtprotokoll über das Geschehen in Soissons im
Herbst 833 schob Agobard demnach hier nicht Ludwig selbst, sondern dessen Ge-
mahlin ^ die Hauptschuld zu. In seinen Augen war Judith es, die den Kaiser vom
rechten Pfad abgebracht hatte.
Was der Erzbischof dann folgen ließ, beruhte zumindest insofern auf dem Pari-
ser Modell, als auch Agobard das Kaisertum als ein Amt betrachtete, mit dem be-
stimmte Pflichten einhergingen. So konnte er dem Kaiser vorwerfen, er habe das
Instrument des Eides mißbraucht, indem er nicht nur sich selbst gegenüber, son-
dern auch für Lothar Treueide habe schwören lassen, dann auch für dessen Bruder
und schließlich sogar für den kleinen Karl. Und als ob dieses Durcheinander nicht
schon schlimm genug gewesen wäre: Er habe die Eidesleistungen gar erzwungen.
Statt gegen äußere Feinde, die es dem christlichen Glauben zu unterwerfen galt,
stritten nun die christlichen Heere im Inneren des Reiches gegeneinander; statt die
»Barbaren« zu unterwerfen, verwirre und »barbarisiere« Ludwig nun seine eigenen
»Untertanen« (sMUcchü".
Weil er aber das Kaisertum als Amt begriff, konnte Agobard Ludwigs Haupt-
vergehen in seiner Nachlässigkeit (ncgLgcnc;ä) suchen: »In eine so große Nachläs-
sigkeit« habe Gott den Kaiser geraten lassen, daß Ludwig nicht einmal mehr gese-
hen habe, »von welchen Übeln er umgeben« sei'A Wenn Gott jetzt nicht zu Hilfe
komme, prophezeite Agobard, dann werde das Reich Fremden ausgeliefert werden,
unter vielen Tyrannen zerteilt werden - oder gar dem Antichrist anheimfallen'A
Die zugrundeliegenden Annahmen sind deutlich: Das Kaisertum war für Agobard
eine von Gott übertragene und kontrollierte Aufgabe; kam der Kaiser den damit
verbundenen Pflichten nicht nach, so drohte den Menschen das Schlimmste.
Doch nicht nur Judith und Ludwig hatten aus Agobards Sicht Schuld auf sich
geladen. Einige Menschen, so der Erzbischof, behaupteten, die Kaiserin vertreibe
sich lediglich auf kindliche Art die Zeit; und selbst manche Mitglieder des ordo
saccuUUüs schauten ihr bei diesem Zeitvertreib zu oder spielten gar mit - während
es doch ihre Pflicht gewesen wäre, der Kaiserin zu predigen, daß sie das Reich nicht
leiten könne, solange sie nicht sich selbst zu leiten wisse'"'. (Genau dies hatten die
Bischöfe in Paris dem Kaiser selbst vorgehalten'"'.) Auch manche Bischöfe also -
Agobard nannte keine Namen - waren nachlässig gewesen: Letztlich hatten auch
120 Agobard, Liber apologeticus I, c. 2, 3091.
121 Zu Judith und ihrer Rolle in den Auseinandersetzungen vgl. WARD, Wile 1990; NELSON, Reines
1999,127-130.
122 Der Gedankengang bei Agobard, Liber apologeticus I, c. 3, 3101., die zitierten Begriffe auf 311:
[...] Mt c7:n'stM7?M'ss?'7?!0 MMpemton SM&?'cM7?!tMr, wo?! Mt SM&?'ecti coMtM?heMtMr et &Mr&Mn'zeMtMr. In
der einzigen Handschrift, Paris, Bibliotheque Nationale lat. 2853, hat derjenige, der den Text
durchsah und an diversen Stellen mit Nota-Zeichen versah, hier (fol. 198") am Rand in Capita-
lis Rustica das Wort &Mr&Mn'zeMtMr sogar wiederholt.
123 Agobard, Liber apologeticus I, c. 4, 311: O Dcwn'ne Dens ac tcrrp cor pcrmtststt ü'ddtssMMMm et
C??n'stM7M?'sSMMM7M SCrMM777 tMM77!, 7777pemt07T777 770StrM777, 777 tM77tM777 &MC7777T 77Cgtege77C7M 777, Mt M7&7T 770-
?7t, f?M7'&MS 777M?7S C7'rCM777(L7tMS S7t?
124 Ebd., c. 4, 311: V77& [Hs.: umde] coMstot, tp/io, Mist DoMs sM^MCMortt, MMt exten's doL'tMr 7vg77M 777, MMt
777 777M?tos tymMMOs dtsperttetMr,MMtJorsttMM A77t7'ct7n'sto [...].
125 Ebd., c. 5, 311.
126 Concilium Parisiense, Nr. 50 D, c. II, 1, 649.
 
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