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Patzold, Steffen; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Episcopus: Wissen über Bischöfe im Frankenreich des späten 8. bis frühen 10. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 25: Ostfildern, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.34736#0414

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B. Bischöfe im Spiegel der »Gesta episcoporum

413

nenA Zu diesem Zweck habe der Fälscher ein neues Konzept des Eigentumrechts
begründet, dem zufolge sämtlicher Grund und Boden in einer Diözese, der irgend-
wann einmal einem Bischof übereignet worden war, auf ewig Eigentum der Bi-
schofskirche blieb - und zwar ungeachtet aller königlichen Eingriffe und selbst
jahrhundertelangen, unangefochtenen Besitzes durch andere^. Goffarts Funda-
mentalkritik blieb allerdings nicht unwidersprochen^: Schon im Jahr darauf ver-
trat van der Straeten die Ansicht, in Le Mans sei im 9. Jahrhundert mehr als ein Fäl-
scher am Werk gewesen und die Textproduktion habe sich über einen längeren
Zeitraum erstreckt, als Goffart angenommen hatte; die Anfänge lägen bereits in den
830er JahrenA Diese Auffassung hat Philippe Le Maitre 1980 mit weiteren Argu-
menten bestätigt und nuanciert ^.
Eine verläßliche Edition liegt seit 2002 mit Margarete Weidemanns Ausgabe
der »Gesta Aldrici« und der »Actus« der Bischöfe von Le Mans vor. Weidemann hält
grundsätzlich an Goffarts These einer einheitlichen späteren Verfälschung fest und
datiert den überlieferten Text der »Actus« in die Jahre zwischen 855 und 862^A Sie
hat darüber hinaus aber die Angaben der »Actus« und die in den Text inserierten
Urkunden einer gründlichen Kritik unterzogen und damit die Forschung auf eine
neue Basis gestellt.
Die »Actus« bieten eine Geschichte der Bischöfe von Le Mans von Julian bis zu
Franco dem Jüngeren, dem Vorgänger jenes Aldrich, unter dem die frühesten Teile
des Corpus von Le Mans entstanden sein dürften. Erst später wurde diese Reihe
von Bischofsbiographien um eine Kurzfassung der »Gesta Aldrici« ergänzt und für
die darauffolgenden Bischöfe weitergeführt. Im Groben liegt dabei allen Einzelbio-
graphien dasselbe Muster zugrunde. Es folgt eng dem Vorbild des »Liber
pontificalis«A Nach Bemerkungen über die ethnische, regionale und soziale Her-
kunft und über die Ausbildung des jeweiligen Bischofs berichten die »Actus« über
Baumaßnahmen, insbesondere über die Errichtung von Klöstern und Kirchen und
über Zugewinne an Kirchengut, listen die Zahlen geistlicher Weihen auf, die der
Bischof im Laufe seines Lebens erteilt hat, erzählen über seinen Tod, geben den Ort

332 GoFFART, Le Mans 1966; vgl. auch die konzise Zusammenfassung der Goffartschen Thesen bei
VAN DER STRAETEN, Hagiographie 1967,474-482.
333 Vgl. GoFFART, Le Mans 1966, 228: »the lorger's fundamental conception in propriety matters
was that, over and above royal disposition of lands and the tenant's long, secure possession by
royal largess, there was a superior right to property determined by antiquity of title. If it were
held that transactions of recent date created only illegitimate rights over church lands, like the
monarchy's, or subordinate ones, like its tenants', then an original, ancient title could be clai-
med for the cathedral over every piece of land in Maine«.
334 Ein Hauptproblem des Goffartschen Thesengebäudes besteht darin, daß es dem Fälscher von
Le Mans Ungeschicklichkeit unterstellt: Um einzelne Eigentumsrechte für sein Bistum durch-
zusetzen, soll dieser Fälscher eine neue Auffassung vom Eigentumsrecht zu begründen ver-
sucht haben (Vgl. GOFFART, Le Mans 1966, 24: »our forger sought to vindicate the Claims of Le
Mans by imposing on his contemporaries a novel concept of propriety law«). Welcher Fälscher
fabriziert erst rote Dollar-Noten und veröffentlicht dann ein Geschichtsbuch, um den Nach-
weis zu liefern, daß Dollar-Noten schon immer rot gewesen seien?
335 VAN DER STRAETEN, Hagiographie 1967.
336 LE MAiiRE, L'ceuvre 1980.
337 WEIDEMANN, Geschichte 2002,3; zur Edition vgl. FRIED, Schatten 200/^ 131f.
338 Dazu KAISER, Gesta 1994,465-467.
 
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