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Hübner, Klara; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Im Dienste ihrer Stadt: Boten- und Nachrichtenorganisationen in den schweizerisch-oberdeutschen Städten des späten Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 30: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34908#0090

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3.2. Auswahlkriterien für Übermittler

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mentäre, obrigkeitliche Nachrichtenorganisation hat es jedoch auch hier bereits ge-
geben: Einer der immerhin 18 Stadtknechte namens Jörg wurde dabei überdurch-
schnittlich oft zu Botengängen herangezogen: 1450 hat er von den 73 abgerechneten
Aufträgen allein 23 absolviert.54
Da zuweilen mehr Übermittlungsaufträge anstanden, als sie die verhältnismässig
kleine Gruppe von niederen Amtsträgern ausführen konnte, musste ein Teil über
freie Boten abgewickelt werden. Gerade unter den Briefübermittlern zu Fuss blie-
ben Gelegenheitsübermittler bis ins 16. Jahrhundert die grösste beteiligte Personen-
gruppe.55 Meist überstieg die Anzahl der freien Boten jene der vereidigten Amtleute
um ein Vielfaches. Selbst in Bern, wo die obrigkeitliche Botenorganisation um 1450
Ansätze einer hierarchischen Struktur mit getrennten Aufgabenbereichen erken-
nen lässt, blieb der Anteil der Gelegenheitsläufer relativ hoch. Exemplarisch ist das
Jahr 145256: Nur 19 der 60 in der zweiten Halbjahresrechnung erfassten Übermitt-
lungsaufträge wurden von einem der vier vereidigten Stadtläufer durchgeführt.
Zählt man die Leistung zweier städtischer Weibel hinzu sowie jene der nicht erfass-
ten Reiter und Gesandten, so übermittelten Dienstleute auch in Bern nur zwischen
einer knappen Hälfte und zwei Dritteln der Ratskorrespondenz.
Besonders präsent waren Gelegenheitsübermittler in Kriegszeiten, wo die Ob-
rigkeiten nicht nur aus Ressourcegründen einen Teil ihrer Korrespondenz über die
weniger auffälligen, dafür zahlreichen freien Knechte abzuwickeln pflegten. Vor
der Schlacht von Dörnach 1499, als sich die Nachrichtenübermittlung in Solothurn
von den üblichen 80 auf 211 Botengänge erhöhte, beauftragte den Rat neben zwei
vereidigten Läufern und einem Weibel rund 50 weitere Gelegenheitsboten, von de-
nen keiner ein Stadtamt innegehabt hat.57 Noch ausgeprägter war der Einsatz von
Gelegenheitsläufern in Kriegszeiten nur in Bern. So etwa 1515, als zwar zehn Stadt-
läufer vereidigt, jedoch sechs mal mehr, nämlich 60 Aushilfsboten in Anspruch ge-
nommen wurden.58
Eine weitere, viel genutzte Möglichkeit der Kostenreduktion bestand in der
Mitbenutzung der Übermittler anderer Orte. Ihre Auftraggeber sorgten meistens
für Weggeld und die Kosten des Aufenthaltes. Somit bestand die Leistung des
Empfängers in einem meist bescheidenen finanziellen Geschenk.59 Die aktive
Mitbenutzung der Übermittler von Verbündeten und Freunden war in allen unter-
suchten Städten gängig, auch wenn sie niemals das von der Avignoneser Kurie
praktizierte Ausmass erreichte.60 Da die päpstliche Kanzlei ungleich mehr Korres-
54 StaSO,BB 25/6 (1450), fol.45/r.
55 Dazu mehr in Kap. Ein ganz normaler Funktionsablauf.
56 Welti, Stadtrechnungen 15. Jahrhundert, 1904, S. 289f.
57 Die Abrechnungen enthalten trotz verschiedener Lesarten vermutlich 59 Namen. Neben den
genannten Amtleuten befinden sich darunter auch der städtische Werkmeister, ein Söldner aus
See wen, ein Pfänder, ein Pfeiffer sowie diverse Boten anderer Orte, in: StaSO, BB 25/40
(1499/98)S.121-139.
58 Hübner, Nüwe mer, 2003, S. 275.
59 Je nach Nachricht konnte dieses allerdings auch mehrere Goldgulden umfassen, mehr dazu in
Kap. Stadtläufer, Löhne, Wartegelder und allerlei Geschenke.
60 Nach den Studien von Yves Renouard verfügten die Päpste nur über ein verhältnismässig klei-
nes Nachrichtenwesen. Die Hauptlast der kurialen Nachrichtenübermittlung wurde von den
Nachrichtennetzen und Übermittlern anderer Mächte getragen, siehe dazu auch: Seggern,
 
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