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Hübner, Klara; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Im Dienste ihrer Stadt: Boten- und Nachrichtenorganisationen in den schweizerisch-oberdeutschen Städten des späten Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 30: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34908#0092

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3.2. Auswahlkriterien für Übermittler

79

deutungsabnahme der Mündlichkeit einherging, lässt sich allerdings nicht beant-
worten. Mündliche Nachrichten werden in den Quellen nach 1450 ähnlich selten
erwähnt wie zuvor. Es deutet eher darauf hin, dass die Nachrichtenpraxis des aus-
gehenden 15. Jahrhunderts auch weiterhin eine Mischform aus Briefen und mündli-
chem Kommentar blieb.67 Besondere Verbreitung fand Mündlichkeit nach wie vor
im Zusammenhang mit aussergewöhnlichen oder geheimdiplomatischen Aufträ-
gen.68 Die Übermittlung rein mündlicher Informationen setzte ein hohes Mass an
Vertrauen voraus, welches von der Obrigkeit nur ratsnahen Personen entgegenge-
bracht wurde. Konnten Ratsgesandte mündliche Nachrichten nicht selber überbrin-
gen, wurden sie beinahe ausschliesslich ausgewählten Amtleuten anvertraut. In ih-
rem Schwur hatten diese ja das Versprechen zur inhaltlichen Treue und Diskretion
gegeben.69 Gerade diese Funktionen machten alle vereidigten Übermittler zu be-
liebten Kundschaftern des Rates, was sich vor allem in Freiburg i. Ue. nachweisen
lässt.70 Man kann davon ausgehen, dass der Anteil an Mündlichkeit zumeist auch
darüber entschied, wieviel der Übermittler über seinen Auftrag erfuhr.
Der Empfänger nahm den Übermittler nicht nur über seine Nachricht wahr,
sondern auch visuell; über seine Ausstattung, mögliche Kredenzschreiben und sein
allgemeines Auftreten.71 All diese Mittel standen in direktem Bezug zum Nachrich-
teninhalt und konnten bei der Nachrichtenübergabe sowohl komplementär als
auch kontrapunktisch eingesetzt werden - je nachdem, ob der Übermittler bis zum
eigentlichen Empfänger vorgelassen wurde. Letzteres blieb fast ausschliesslich ver-
eidigten Dienstleuten Vorbehalten, zumal die als weniger verlässlich eingestuften
Gelegenheitsübermittler nur ausnahmsweise mit entsprechenden Zeichen ausge-
rüstet wurden.72 Da in der face-to-face-Kommunikation mündliche Kommentare
nicht selten waren, lässt sich bei den entsprechenden Boten ein Mindestmass an
Bildung voraussetzen, zu welcher die Beherrschung anderer Sprachen sowie Kennt-
nisse repräsentativer Umgangsformen gehören konnten. Allerdings haben bei Wei-
tem nicht alle niederen Amtleute über solche verfügt.73
Im innerterritorialen und innereidgenössischen Nachrichtenverkehr, wo sich
die meisten Läufer und viele Reiter bewegten, war zeremonielles Auftreten nur sel-
ten gefragt, zumal die Boten ihre Nachrichten häufig in der Schreibstube oder
Kanzlei ihres Empfängers abgeben konnten.74 Umso stärker wurde unter Eidgenos-
sen und ihren peripheren Verbündeten auf Amtsinsignien geachtet. Was sich beim
Grossteil der Gelegenheitsboten, die nur eine einzige Nachrichten überbrachten er-
übrigte, wurde bei der Nachrichtenübermittlung durch städtisches Dienstpersonal
nach 1450 zum nicht verbrieften Obligatorium: Gefordert wurde das Tragen von

67 Zahlreiche Amtseide aus dem 15. Jahrhundert erwähnen schriftliche und mündliche Nachrich-
ten, siehe Kap. Stadtläufer, Begriff, Bedeutung und verbriefte Aufgaben.
68 Diese kamen besonders in Kriegszeiten gehäuft vor, siehe Kap. Nachrichtenübermittlung in
Konfliktzeiten.
69 Zu deren verschriftlichten Aufgaben siehe Kap. Stadtreiter, der »Reiter« als Begriffsproblem
und: Stadtläufer, Begriff, Bedeutung und verbriefte Aufgaben.
70 Kap. Übermittler als Kundschafter, Geheimboten und Spione.
71 Seggern, Herrschermedien, 2003, S. 101-103.
72 Seggern, Herrschermedien, 2003, S. 104f., dort Tabelle 2.1.
73 Siehe Kap. Die Akteure aus dem städtischen Dienstpersonal.
74 Siehe Kap. Ein ganz normaler Funktionsablauf.
 
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